Soziale Netzwerke. Jan Arendt Fuhse

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➔Pfade im Netzwerk ab – in wie vielen Schritten kommt man von einem Akteur zu einem anderen (siehe 4.1)? Dies erscheint etwa bei der Ratsuche sinnvoll. Denn über Ratsuche können Informationen über mehrere Schritte wandern.

      Im Freundschaftsnetzwerk sieht das etwas anders aus: Etwa zu einer Geburtstagsfeier werden üblicherweise die direkten Freundinnen und Freunden eingeladen. Wer zwei oder drei Freundschaftsschritte entfernt ist, bleibt außen vor. Insofern sind längere Pfade im Ratsuchenetzwerk vermutlich aussagekräftiger als im Freundschaftsnetzwerk.

      Wir können sowohl die Ratsuche als auch die Freundschaften als Indikatoren für informale Kommunikation im Unternehmen interpretieren. Dabei werden durchaus unterschiedliche Aspekte kommuniziert:

       Bei der Ratsuche geht es um Informationen.

       Innerhalb von Freundschaften werden auch Informationen kommuniziert. Vor allem aber tauschen sich Freunde über Bewertungen aus: Wie fanden sie das Verhalten des Chefs? Wie stehen sie zu den Präsidentschaftsbewerbern? Bewertungen wandern nicht einfach und schnell über mehrere Schritte – auch wenn sich Freunde direkt beeinflussen.

      Krackhardts Studie analysiert unter anderem einen Konflikt, in dem sich die Mitarbeiter für oder gegen eine mögliche gewerkschaftliche Organisation entscheiden mussten (1992: 225ff; siehe 4.2). Hierfür sind weniger Informationen relevant als Bewertungen, und deswegen zeigte sich das Freundschaftsnetzwerk als wichtiger für den Ausgang des Konflikts.

      Allgemein lässt sich an dieser Stelle als Ratschlag formulieren: Sozialbeziehungen sollten möglichst genau mit Blick auf die Fragestellung und auf die dahinter liegende Theorie, sowie vor dem Hintergrund einer guten Kenntnis des Feldes erhoben werden. Insbesondere sollte man schwammige Begriffe wie »Freund« möglichst vermeiden, weil alle etwas (leicht) anderes darunter verstehen.

      Optimal sind deswegen non-reaktive Verfahren der Beziehungsmessung (s. o.). Sind solche non-reaktiven Messungen nicht möglich, sollte man die Akteure eher nach vergangenem Verhalten befragen als nach schwammigen Begriffen (»Freundschaft«) oder nach hypothetischen Situationen (»Wen würden Sie um Rat fragen?«). Zudem sollten wir bei der Auswertung stärker auf robuste Verfahren setzen, die weniger auf die Positionierung einzelner Akteure (siehe Kapitel 4) und mehr auf die Rekonstruktion systematische Beziehungsmuster[54] zielen (Kapitel 5 und 6). Diese systematischen Beziehungsmuster dürften relativ unsensibel für das Antwortverhalten einzelner Akteure sein.

      Als einfachste Maße können wir für ein Netzwerk dessen Dichte und die Reziprozität der Beziehungen bestimmen.

      (a) Dichte

      Die Dichte wird berechnet als Anteil der bestehenden an den möglichen Beziehungen, oder auch als Anteil der Einsen in der ➔Matrix eines Netzwerks an der Gesamtzahl der Zellen.

      Definition: Die Dichte eines Netzwerks steht für den Anteil der realisierten von den insgesamt möglichen Beziehungen.

      Die Beziehungen von Akteuren zu sich selbst, also die Diagonale, werden dabei meist ignoriert. Die Anzahl der möglichen Beziehungen berechnet sich aus:

       Anzahl möglicher Beziehungen = Anzahl der Akteure x (Anzahl der Akteure – 1)

      Von jedem Akteur kann eine gerichtete Beziehung zu jedem anderen Akteur laufen. Bei Silicon Systems gab es 36 Mitarbeiter, also konnten diese 36 x 35 = 1260 Mal eine Freundschaft oder eine Ratgeberin nennen. Sowohl bei der Ratsuche wie auch bei den Freundschaften wurden jeweils 147 Beziehungen genannt. Die Dichte des Freundschafts- wie auch des Ratsuchenetzwerks beträgt also jeweils 147/1260 = 0,117, also zwischen einem Neuntel und einem Achtel. Das lässt sich auch schnell in UCINET berechnen:

      UCINET: Network ➔ Cohesion ➔ Density ➔ Density Overall

      Dabei sollte man keinen Haken bei [Utilize Diagonal] setzen. Sonst werden die Selbstbeziehungen als mögliche Beziehungen mitberechnet, was hier nicht sinnvoll ist.

      Ist eine Dichte von 0,117 viel oder wenig? Das lässt sich nicht ohne weiteres sagen. Die Dichte eines Netzwerks hängt sehr stark von dessen Größe, von der Art der Beziehung und von deren Messung ab:

[55](1)Wenn Silicon Systems deutlich kleiner wäre, läge der Anteil von Freundschaften vermutlich höher.
(2)Wenn Krackhardt gefragt hätte, mit wem die Mitarbeiter in den letzten zwei Wochen freie Zeit verbracht haben (auch das eine mögliche Messung von Freundschaft), wäre die Dichte vermutlich gesunken.
(3)Durch eine Symmetrisierung sinkt die Dichte, wenn man nicht erwiderte Nennungen eliminiert; oder sie steigt, wenn man einseitige Nennungen als Indikatoren für eine Beziehung sieht.

      Am ehesten lassen sich Dichtemessungen für verschiedene Beziehungen innerhalb eines Netzwerks vergleichen (hier die Ratsuche mit der Freundschaft) oder über verschiedene Netzwerke, soweit diese in etwa gleich groß sind und die Beziehungen auf die gleiche Weise gemessen werden.

      (b) Reziprozität

      Auch bei der Reziprozität handelt es sich um einen Anteil, in diesem Fall dafür, wie viele der angegebenen Beziehungen erwidert werden.

      Definition: ➔Reziprozität steht für den Anteil der beidseitigen Beziehungen an den insgesamt bestehenden Beziehungen.

      Bei der Befragung bei Silicon Systems wurden 147 Freundschaften genannt. Davon wurden 112 erwidert. Also finden wir im Netzwerk 56 beidseitige Freundschaften und 35 »einseitige Freundschaften«. Der Reziprozitätswert beträgt also 56/(56 + 35) = 61,5 Prozent.8 Auch dies lässt sich schnell mit UCINET berechnen:

      UCINET: ➔ Network ➔ Cohesion ➔ Reciprocity [Method/Dyad-based]

      Die Beziehungen der Ratsuche bei Silicon Systems sind dagegen nur zu 19,5 Prozent reziprok. Hier handelt es sich offensichtlich weniger um informale Austauschbeziehungen mit einem quid-pro-quo. Die Ratsuche scheint eher ein Routineaspekt der Zusammenarbeit im Unternehmen. Dies lässt sich [56] etwa daran ablesen, dass 19 der Mitarbeiter angaben, den technischen Experten Ev nach Rat zu fragen. Ev selbst fragte aber nur eine Person um Rat, den Gründer und Leiter der Firma Steve. Intuitiv erscheint Ratsuche als Beziehung denn auch weniger reziprok als Freundschaft.

      Dichte und Reziprozität sind wichtige deskriptive Kennzahlen eines jeden Netzwerks. Die Dichte bildet eine Angabe über das Netzwerk insgesamt. Dagegen sagt die Reziprozität viel über die jeweilige Sozialbeziehung aus und hilft bei deren Interpretation. Wir greifen später die Reziprozität noch einmal als eine Strukturtendenz von Netzwerkbeziehungen auf (siehe 10.3).

      Übungsaufgabe 2:

      In den 1950ern befragte John Gagnon 67 Insassen eines Gefängnisses nach ihren »besten Freunden« dort (MacRae 1960). Der zugehörige Datensatz PRISON.##H wird standardmäßig im Arbeitsverzeichnis von UCINET installiert. Untersuchen Sie dieses Netzwerk auf Dichte und Reziprozität! Wie sind die Dichte- und Reziprozitätswerte einzuschätzen?

       Musterlösungen zu den Aufgaben sind abrufbar unter:

      ➔ http://www.utb-shop.de/9783825245634

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