Soziale Netzwerke. Jan Arendt Fuhse

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hier noch drei kurze Hinweise zur Messung von Netzwerken. Alle drei gelten grundlegenden Problemen bei der Konstruktion von sozialen Netzwerken:

      (a) Grenzen von Netzwerken

      Das erste Problem betrifft die Grenzen von Netzwerken: Welche Akteure gehören dazu und müssen in einer Untersuchung berücksichtigt werden (Laumann et al. 1983)? In dem Fall von Krackhardts Studie fällt die Antwort relativ leicht. Die Fragestellung geht nach den informalen Beziehungen in einem Unternehmen. Also müssen auch nur dessen Mitarbeiter befragt werden.

      Natürlich könnten auch Außenstehende wichtig werden für die informalen Beziehungen. Zum Beispiel könnte ein Ehepartner einer Mitarbeiterin mit einem anderen Mitarbeiter gut befreundet sein und dabei einige Informationen aus dem Betrieb weiter tragen. Dies fiele hier aufgrund der Studienanlage aus der Untersuchung. Und was ist mit Leiharbeitern, die eine kurze oder längere Zeit in einem Unternehmen tätig sind, oder mit freiberuflichen Mitarbeitern?

      [50]Bei anderen Untersuchungsgegenständen fehlt uns eine Ausgangspopulation (wie hier die Mitarbeiter), zu der wir lediglich einzelne Akteure hinzufügen müssten. Ein Beispiel dafür sind die Gemeindeeliten, bei denen die Beziehungen zwischen den einflussreichen Akteuren in einer Gemeinde untersucht werden (Pappi 1984). Hier bietet sich ein qualitativer Feldzugang an. Bei diesem lotet die Forscherin zunächst das Feld durch ➔teilnehmende Beobachtung und Interviews aus und bestimmt auf dieser Grundlage die Grenzziehung für die formale Analyse.

      Allgemein lauten die Kriterien für ein sinnvoll abgegrenztes Netzwerk:

       Die Akteure müssen sich wechselseitig beobachten und aneinander orientieren (im Sinne des »sozialen Feldes« bei Lewin, siehe 2.5).

       Es braucht eine sinnhafte Grenze eines Sozialraums, innerhalb derer Akteure als zugehörig gesehen werden und außerhalb derer als nicht zugehörig.

      Beide Kriterien sind nicht einfach zu bestimmen. Sie verlangen eine gute Kenntnis des Gegenstands und schließlich auch pragmatische Entscheidungen. Ob einzelne periphere Akteure in das Netzwerk fallen oder nicht, ist nicht ganz so wichtig. Aber die zentralen Akteure im jeweiligen Untersuchungsgegenstand sollten möglichst berücksichtigt werden.

      (b) Fehlende Teilnehmer an Befragung

      Akteure können nicht nur durch fehlerhafte Grenzbestimmung, sondern auch durch mangelnde Beteiligung aus einem Netzwerk fallen. Solche Non-Response ist schon bei standardisierten Befragungen ein Problem. Ihr wird dort aber durch aufwändige Stichprobenziehung und Gewichtung der Fälle begegnet.

      Bei der ➔formalen Netzwerkanalyse fällt das Problem noch stärker ins Gewicht. Denn wir wollen etwas über das Muster an Sozialbeziehungen zwischen allen Akteuren in einem Bereich wissen. In der Untersuchung von Krackhardt hatten drei Akteure ihre Fragebögen nicht abgegeben – Fran, Quincy und York. Wie wir gesehen haben, sind diese aber im Freundschaftsnetzwerk eher unwichtig. Sie werden von keinen anderen Mitarbeitern als Freunde genannt. Im Ratsuchenetzwerk sind sie dagegen relativ wichtig, und hier ist deren Fehlen ein deutliches Problem.6

      [51]Eine richtige Lösung dafür wäre, die Netzwerkbeziehungen nicht über Fragebögen, sondern über non-reaktive Verfahren zu bestimmen. Beispielsweise könnte man die Häufigkeit des E-Mail-Verkehrs betrachten oder beobachten, wer mit wem zum Mittagessen oder in die Raucherpause geht. Solche non-reaktive Messungen sind nicht überall möglich, aber prinzipiell zuverlässiger (reliabler).

      Ein Problem hierbei sind Cut-Off-Werte: Ab wann spricht man von einer Beziehung? Vor dieser Schwierigkeit stehen die Befragten häufig selbst, wenn wir sie nach ihren Beziehungen fragen. Sie müssen sich jeweils einzeln entscheiden; ihnen fehlt der Vergleich mit den Angaben anderer Akteure. Dagegen können wir bei non-reaktiven Messungen ein objektives, für alle Akteure gleiches Kriterium für eine Beziehung anwenden.

      (c) Bedeutung von Beziehungen

      Anders als die ersten beiden Probleme wird das dritte meist wenig beachtet. Die grundlegenden Einheiten in Netzwerken sind die ➔Beziehungen. Worin aber besteht im Einzelfall deren Bedeutung? Meist nehmen wir einfach an, dass hinter gemessenenen Beziehungen einigermaßen vergleichbare Verbindungen stehen – dass sich also die bei Silicon Systems beobachteten Freundschaften in etwa ähneln. Oft begegnen wir aber ganz unterschiedlichen Bedeutungen von sozialen ➔Beziehungen. Zum Beispiel zeigte King-To Yeung, dass die Befragten in spirituellen oder weltanschaulichen Kommunen in den USA mit »Liebe« gänzlich verschiedene Bedeutungen verbanden (2005: 402ff). Insbesondere die als »Liebe« gemessenen Beziehungen in einer Kommune waren überhaupt nicht mit denen in einer anderen vergleichbar.

      Dabei setzt die Quantifizierung von Beziehungen in Einsen und Nullen voraus, dass sowohl die Einsen als auch die Nullen in ihrem Gehalt vergleichbar sind. Ansonsten könnten wir sie nicht zählen und nicht formal analysieren. Im Fall von Krackhardts Studie lässt sich vermuten, dass die Befragten auf die Frage nach der Ratsuche in etwa ähnlich geantwortet haben. Hier geht es um einen spezifischen kommunikativen Vorgang, den die Befragten vermutlich einigermaßen präsent im Kopf haben. Aber unter »Freundschaft« verstehen wir alle etwas sehr unterschiedliches (Fischer 1982a).

      So stimmen nicht immer die beiden Beteiligten in ihren Angaben darüber überein, ob sie eine Freundschaft haben. Wie wir im nächsten Abschnitt sehen, werden fast 40 Prozent der angegebenen Freundschaften nicht erwidert. Freundschaften stellen wir uns aber prinzipiell als beidseitig vor. Wie[52] können wir die vielen einseitigen Freundschaftswahlen interpretieren und in den Analysen behandeln? Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, alle mit Vor- und Nachteilen:

(1)Wir können hinter einseitigen Freundschaften unterschiedliche Verständnisse von Freundschaft und unterschiedliche Einschätzungen der Beziehung vermuten. Dann wäre der logische Schritt, Freundschaften zu symmetrisieren. Dafür können wir entweder nur erwiderte Freundschaften zählen (und einseitige Nennungen entfernen). Oder wir behandeln jede Beziehung, in der einer der beiden Akteure eine Freundschaft sieht, als Freundschaft. Im ersten Fall unterschätzen wir die Anzahl der Freundschaften tendenziell, im zweiten Fall überschätzen wir sie eher.

      Eine solche Symmetrisierung können wir unter UCINET durchführen mit:

      UCINET: Transform ➔ Symmetrize [Symmetrizing Method/Maximize oder Minimize]

      [Maximize] zählt einseitige Freundschaften als wechselseitig, [Minimize] eliminiert sie.

(2)Wir können ie dann kurz in Zusametrische, aber schwächere Form der Freundschaft interpretieren, also als eine andere Art der Beziehung (Friedkin 1980: 413).
(3)Oder wir behandeln einseitige Freundschaften als asymmetrische Beziehungen und sehen dahinter unterschiedliche Dispositionen für die Freundschaft: Der eine Akteur wäre gerne befreundet, der andere nicht. Damit werden aber die Antworten der Beteiligten erheblich uminterpretiert. Denn der erste Akteur gibt ja an, in einer symmetrischen Beziehung (Freundschaft) zum anderen zu stehen – und nicht, dass er gerne mit ihm befreundet wäre.

      Weiterhin müssen wir nicht nur bei der Messung, sondern auch bei den Analyseverfahren auf die Bedeutung der untersuchten Sozialbeziehungen achten. Nehmen wir an, ein Akteur ist sehr freimütig und gibt sehr viel mehr Freunde an als andere.7 Dann sorgt dieses Antwortverhalten bei einer Reihe [53] von Auswertungsmethoden dafür, dass dieser Akteur als wichtiger im Netzwerk erscheint als bei einem weniger großzügigen Antwortverhalten.

      Außerdem sind

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