Globalisierung. Christoph Scherrer

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Globalisierung - Christoph Scherrer

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und Autos, also der äußere Lebensstil, an. Konnten früher US-AMERIKANISCHE Studierende von deutschen u.a. dadurch unterschieden werden, dass Erstere ihre Lehrbücher locker unterm Arm trugen (zur Not mit einem Gürtel zusammengehalten) und die Letzteren in einer Ledertasche, greift dieses Unterscheidungsmerkmal dadurch nicht mehr, dass der Großteil der Studierenden heute Umhängetaschen der gleichen Hersteller über der Schulter trägt. Ferner ist der Medienkonsum deutlich internationaler geworden, sei es durch die Ausstrahlung vor allem US-AMERIKANISCHER Produktionen durch nationale beziehungsweise lokale Fernsehsender, sei es durch direkten Zugang zu einem ausländischen Sender oder sei es, dass im Internet die Website eines ausländischen „Content Provider“ angesteuert wird.

      Die Globalisierung hat natürlich längst die Wissenschaft erreicht. Zum einen wird sie selbst von ihr geprägt: Wer kennt nicht eine/n ProfessorIn, die eine Lehrveranstaltung mit der Begründung einer Konferenzteilnahme in Beijing oder Los Angeles verschiebt? Zum anderen haben viele sozial-und auch kulturwissenschaftliche Fächer die Globalisierung als Studienobjekt entdeckt. In der Politologie, der Soziologie und der Ökonomie werden zudem Stimmen laut, die dafür eintreten, dass die bisherige vorherrschende Analyseeinheit für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse, nämlich der Nationalstaat, zugunsten einer globalen, weltgesellschaftlichen Perspektive aufgegeben wird.

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      Der Streit um die richtige sozialwissenschaftliche Analyseeinheit ist nur eine von vielen Kontroversen, die die Globalisierung ausgelöst hat. Einigen dieser Auseinandersetzungen wollen wir im vorliegenden Buch nachgehen. So wird über grundlegende Fragen der Globalisierung gestritten: Welche gesellschaftlichen Sphären sind überhaupt globalisiert, ist Globalisierung bloß ein neues Wort für ein altes Phänomen. Des Weiteren werden die Ursachen und die Auswirkungen der Globalisierung kontrovers diskutiert: Ist die Globalisierung unausweichlich oder von interessierten Akteuren durchgesetzt worden, entmachtet sie tatsächlich den Nationalstaat oder ist dieser nicht selbst treibende Kraft der Globalisierung? Und wer profitiert eigentlich von der Globalisierung, alle oder nur wenige? Seltener wird nach den Auswirkungen der Globalisierung auf das Verhältnis von Frauen und Männern gefragt. Doch diese seit kurzem gestellte Frage bringt eine überraschende Erkenntnis zu Tage: Die Globalisierung hat ein Geschlecht.

      Zur Veranschaulichung der gesellschaftlichen Brisanz, die in der Globalisierung liegt, wollen wir hier gleich zu Beginn die Frage aufwerfen, wie mit ihr umgegangen wird. Das Spektrum ist breit. Es reicht von glühenden BefürworterInnen fortschreitender globaler Vernetzung bis hin zum Plädoyer für kleinräumiges Wirtschaften. Zu den radikalsten Kritikern zählen die Anhänger von al-Qaida, die dem westlichen Lebensstil den Krieg erklärt haben. Für diesen Krieg nutzen sie jedoch Waffen aus globaler Produktion und die zentralen Symbole der Globalisierung: Flugzeuge und das Internet. Sie werden dies alles als Äußerlichkeiten, als unausweichliche Hilfsmittel ihres „heiligen“ Kampfes ansehen, doch gerade der zentrale Bezugspunkt ihrer Identität, der Islam, ist genauso wie das Christentum eine „missionarische“ Religion, die auf Ausbreitung angelegt ist und universale Gültigkeit beansprucht. Wie wir im zweiten Kapitel darstellen werden, hat die Globalisierung ihre Wurzeln auch in der Missionierung.

      Das extreme Beispiel von al-Qaida zeigt aber vor allem eins, dass nämlich die entscheidende gesellschaftliche Konfliktlinie nicht die Globalisierung an und für sich ist, sondern die Frage danach, was und wie globalisiert werden soll. Soll das Kapital Zugang zu allen Orten der Welt erhalten oder soll es heißen: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch“? Soll die Globalisierung sich über anonyme Märkte entfalten oder soll es transkontinentale gesellschaftliche Dialoge geben, in denen die Art und Weise des Austauschs verhandelt wird? Die Frage nach den heutigen Alternativen zur derzeit vorherrschenden neoliberalen Globalisierung, die auf Märkte setzt, werden wir abschließend aufgreifen.

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      Globalisierung im Profil

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      Was ist stärker globalisiert: Kultur oder Wirtschaft?

      Globalisierung wird vor allem als wirtschaftliches Phänomen wahr- genommen, doch ist der Grad der Vernetzung in manchen kulturellen Bereichen sogar höher. Darüber hinaus ist die scharfe Trennung von Kultur und Ware oftmals nicht möglich, denn Kulturgüter sind auch Teil der ökonomischen Globalisierung. Die Politik mag hinter deren Dynamik zurückgefallen sein, doch die Nationalstaaten haben bereits auf zahlreichen Politikfeldern einen Teil ihrer Souveränität an supra-oder internationale Organisationen abgetreten. Alle Bereiche der Globalisierung sind jedoch von Akteuren weniger Staaten dominiert.

      Coca-Cola oder Schule: Was ist globaler?

      Globalisierung wird zumeist in Verbindung mit der Angst um Arbeitsplätze oder mit weltumspannenden Kapitalmärkten in Verbindung gebracht. Die Assoziation ist nicht zufällig, denn der Begriff „Globalisierung“ stammt aus der Betriebswissenschaft. Doch ist die Ökonomie tatsächlich die am stärksten globalisierte Dimension der menschlichen Existenz? Überall auf der Welt finden sich nicht nur eine Coca-Cola-Büchse oder ein McDonald’s-Restaurant, sondern auch Schulen, Poststationen und Polizisten. Zwar mögen Schulen von Ort zu Ort sehr unterschiedlich ausgestattet sein, doch orientieren sie sich alle an der Idee, dass Kinder getrennt von zu Hause von professionellen Lehrpersonen unterrichtet werden soll.

      Die Frage ist, ob diese Vereinheitlichung nur an der Oberfläche aller Weltkulturen aufzufinden ist und ob nicht, wie Eberhard Schmitt meint, die Globalisierung „gerade auch das Gegenteil, nämlich bewusste Regionalisierung,|9◄ ►10| bewusstes Festhalten an kultureller Eigenart“ (Schmitt 2009: 23) fördert.

      Begriffsgeschichte: Strategieentwürfe für Unternehmen

      Bevor der Begriff „Globalisierung“ zu Beginn der Neunzigerjahre in Mode kam, wurde von Internationalisierung gesprochen. Damit wollte man darauf hinweisen, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten zwischen („inter“) den Nationen zugenommen haben. Die Betonung lag noch auf „Nationen“, da man davon ausging, dass die jeweilige Nation in ihren Grenzen und insbesondere in ihrer Fähigkeit, diesen Grenzen Geltung zu verschaffen, bestehen blieb. Unternehmen, die nicht nur ins Ausland exportierten, sondern dort auch produzierten, wurden multi- bzw. transnationale Konzerne genannt. Doch wirklich „multi“-national, d.h. in mehreren Ländern gleichermaßen heimisch, waren nur die wenigsten Unternehmen. Auch heute noch werden die meisten global agierenden Unternehmen von ihrem ursprünglichen Stammsitz aus von Personen aus dem Land dieses Stammsitzes geführt (Ausnahmen: der schweiz-schwedische Maschinenbaukonzern ABB, der deutsch-französische Chemiekonzern Aventis). Deshalb traf die Bezeichnung „transnationaler“ Konzern eher zu, da sie das über die Grenzen einer Nation Hinausgehende betont.

      Die frühen transnationalen Konzerne verhielten sich zumeist auch im Ausland „national“, ihre Produktions- und Verkaufsstrategien waren auf den jeweiligen nationalen Markt gerichtet. Deren ausländische Produktionsstätten hatten vor Ort ihre Zulieferer und bedienten im Wesentlichen den dortigen Markt. In manchen Fällen unterschied sich ihr ausländisches Produkt von ihrem heimischen Produkt ganz erheblich: Ein bei Köln in Deutschland hergestellter Ford Taunus hatte keine Ähnlichkeit mit einem Ford in den USA. Doch war es gerade die Firma Ford, die Ende der Siebzigerjahre diese nationalen Beschränkungen mit einem so genannten „Weltauto“ überwinden wollte. Die einzelnen Teile wie Motoren, Scheinwerfer oder Sitze kamen aus Ford-Werken von (fast) allen Erdteilen und das Auto (ein Escort) wurde dann in wenigen, wiederum um den Globus verteilten Endmontagewerken zusammengebaut und nahezu identisch weltweit vertrieben (für England das Lenkrad auf der rechten Seite, für die USA größere Stoßstangen etc.). Im ersten Anlauf misslang diese Strategie, die Koordinationsprobleme waren zu groß und der Geschmack der Kunden war noch zu national geprägt. Doch das Prinzip war zukunftsweisend

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