Globalisierung. Christoph Scherrer
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• Hinter den geringen Exporterlösen versteckt sich auf Grund der geringen Produktivität eine große Zahl an Erwerbstätigen: Knapp ein Viertel der Bauern in Äthiopien (ungefähr ein Achtel der Erwerbsbevölkerung) baut Kaffee für den Export an und spürt somit die Schwankungen des Weltmarktpreises für Kaffee.
• Umgekehrt beeinflusst die Nahrungsmittelhilfe die lokalen Marktpreise in Afrika.
• Die zahlreichen Bürgerkriege werden nicht zuletzt durch den Handel mit Edelsteinen finanziert.
• Ungefähr 40 Prozent des afrikanischen Geldvermögens soll laut Schätzungen außerhalb des Kontinents angelegt sein.
• Aus vielen afrikanischen Ländern ist die akademische Elite ausgewandert.
• Die Mehrzahl der afrikanischen Länder ist überschuldet und muss daher die Auflagen des Internationalen Währungsfonds erfüllen.
Dimensionen der kulturellen Globalisierung
Mitte der Neunzigerjahre forderten MusikerInnen in Deutschland erstmalig die Einführung einer Radioquote. Diese sollte festlegen, dass ein bestimmter Anteil der im Radio gespielten Musik deutschsprachig ist. Damit sollte ein Beitrag zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt geleistet werden. Vor einigen Jahren haben sich auch die Bands „2raumwohnung“ und „Mia.“ aus Angst vor dem „Verlust von Identität und geistigem Erbe“ dieser Forderung angeschlossen. Einer solchen Position liegt ein Verständnis von Kultur zugrunde, welches diese als fest abgeschlossene Einheit versteht, die im Zeitalter der Globalisierung gegen andere Einflüsse verteidigt werden müsse. Entgegen einer solchen Sichtweise hat sich in der Wissenschaft die Erkenntnis durchgesetzt, dass Kultur keineswegs |15◄ ►16| einen „Container“ darstellt, der mit den nationalstaatlichen Grenzen in eins fällt. Vielmehr sind die Unterschiede zwischen bestimmten Regionen in einem Land oft größer als zwischen ähnlichen geographischen Regionen unterschiedlicher Länder.
Kultur wird nicht als homogene Einheit und naturgegeben, sondern als in sozialen Prozessen hergestellt und damit als beständig in Veränderung verstanden. Wir werden in Kapitel 2 sehen, dass die Globalisierung keineswegs ein neues Phänomen, sondern ein historisch weit zurückreichender Prozess ist. Dementsprechend wurden Gesellschaften immer von den Einflüssen anderer Kulturen geprägt und sind durch das gegenseitige Aufnehmen und Abgrenzen der jeweiligen Elemente entstanden (Brock 2008: 121). Das Konzept der Hybridität, welches sich großer Aufmerksamkeit in der Diskussion um Globalisierung und Kultur erfreut, macht diese grundlegende „Unreinheit“ bzw. Nicht-Authentizität von Kultur sichtbar.
Da die aktuelle Phase der Globalisierung deutlich geprägt ist von der weltweiten Ausbreitung des Kommunikations- und Mediennetzes, lösen sich jedoch die Bindungen kultureller Praktiken an bestimmte Räume zunehmend und es kommt zu einer weltweiten Verfügbarkeit z.B. von Musik, Filmen, Nachrichten und ästhetischen Formen.
Schaubild 3: InternetnutzerInnen weltweit
Quelle: International Telecommunication Union 2010: http://www.itu.int
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Im Bereich der Kommunikationstechnologien ist eine rasante Verbreitung in allen Regionen der Welt festzustellen, vor allem im Bereich der Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse. Letztere stiegen von 11 Millionen im Jahr 1990 auf 4,6 Milliarden im Jahr 2009.
Auch die Zahl der Internetverbindungen wächst beständig. Während es 2006 erst 426 Millionen Internetverbindungen gab, stieg diese Zahl auf etwa 1,8 Milliarden im Jahr 2009.
Laut der International Telecommunication Union – einer Sonderorganisation der UN – verkleinert sich die „Digital Divide“, sprich die Kluft zwischen ökonomisch entwickelten und sich entwickelnden Staaten bzgl. des Zugangs zum Internet und anderen Kommunikationsmedien, zunehmend. Dennoch lassen sich noch immer große Unterschiede zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern feststellen.
Die wachsende Verbreitung des Internets führt zur Entwicklung neuer Kommunikationsformen. Soziale Netzwerke wie studiVZ, MySpace, twitter und Facebook stellen solche neuartigen Kommunikationsformen dar. Mehr als 500 Millionen Menschen pflegen im Durchschnitt täglich eine Stunde ihre weltweiten Kontakte mithilfe von Facebook. Ein großer Anteil der Postings verweist auf Musik, Filme und andere Kulturprodukte, die in den jeweiligen lokalen Kontexten konsumiert werden. Per Mausklick machen sich diese Verweise auf den Weg um den Globus.
Auch der Bereich der Fernsehunterhaltung ist zunehmend globalisiert. Zum Beispiel ist das Sendeformat Wer wird Millionär? mittlerwei-le von Fernsehanstalten in über 100 Ländern lizensiert. Dabei ist das Erscheinungsbild der Sendung – Kameraeinstellung, Studiogestaltung, Lichteffekte – mit kleinen Ausnahmen, z.B. bzgl. der Gewinnhöhe, streng geregelt. Global verfügbare Unterhaltungsformate sind ebenso Talentwettbewerbe und Castingshows wie Deutschland sucht den Superstar oder Popstars und Reality-Soaps wie Big Brother.
Schaubild 4: Verbreitung des Sendeformats „Wer wird Millionär“
Quelle: bestätigt durch Sony Pictures Television, Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/ de, Bundeszentrale für politische Bildung 2010: www.bpb.de
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Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, ob Globalisierung zu einer Vereinheitlichung, einer Vermischung oder gar zu einer Stärkung traditioneller Elemente der jeweiligen Kulturen führt. Die Antworten darauf sind kontrovers: Einige TheoretikerInnen sprechen sich dafür aus, dass die Welt zunehmend unter US-amerikanischen (McDonaldisierung, Amerikanisierung) oder westlichen Einflüssen (Westernization) im Zeichen von Coca-Cola und des Big Macs als Repräsentationen eines westlichen, modernen Lebensstils vereinheitlicht wird. McDonald’s, die größte und bekannteste Fast-Food-Kette, ist mittlerweile mit über 32.000 Filialen in 118 Staaten der Welt vertreten.
„Caffè Latte“ in Pappbechern ist durch die in 44 Ländern vertretene Kette Starbucks ebenso nahezu weltweit zu der Form, Kaffee zu konsumieren, geworden. Hierbei geht es nicht nur um das Produkt an sich, sondern um den damit transportierten urbanen Lebensstil.
Entgegen der These der Amerikanisierung beschränkt sich die Globalisierung der Kultur jedoch nicht auf eine einfache Bewegung, die von den USA oder den westlichen Industriestaaten ausgeht. Vielmehr lassen sich auch in den USA und Europa deutliche Einflüsse der Kulturen anderer Kontinente beobachten. Zum Beispiel haben sich japanische Comics, Mangas, in den USA und Europa als anerkanntes Genre durchgesetzt: Unter den 100 beliebtesten Comic-Bänden in den USA waren 80 Manga-Bände. Manga-Zeichenwettbewerbe, Manga-Preisverleihungen und Manga-Magazine deuten auf die Beliebtheit der Comics in Deutschland hin.
Entgegen der Vereinheitlichungsthese spricht sich der Kulturwissenschaftler Stuart Hall dafür aus, dass die Globalisierung nicht zu einer Homogenisierung von zuvor scheinbar abgeschlossenen Kulturgemeinschaften führt, sondern vielmehr eine Erweiterung dessen darstellt, was als globale Kultur zu verstehen