Globalisierung. Christoph Scherrer

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Globalisierung - Christoph Scherrer

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Form: Nicht für die ganze Welt, sondern jeweils für eines der drei großen Wirtschaftsgebiete (Nordamerika, Westeuropa und Japan, die so genannte Triade) sollte es verwirklicht werden.

      Bereits wenige Jahre später, zu Beginn der Neunzigerjahre, entdeckte die betriebswirtschaftliche Literatur die Globalisierung, und „Management-Gurus“ wie Kenichi Ohmae von der Wirtschaftsberatungsfirma McKinsey empfahlen den Firmen, global zu denken. Sie sollten sich nicht nur hinsichtlich ihrer Absatzgebiete und Produktionsstandorte global positionieren, sondern auch hinsichtlich ihrer Eigentümerstrukturen und ihres Führungspersonals. Zugleich plädierte diese Literatur für das vollständige Verschwinden nationaler Grenzen (borderless world). Mit anderen Worten, die Firmen sollten sich zunehmend so verhalten, als gäbe es keine nationalen Grenzen mehr (Ohmae 1990).

      Von da an machte der Begriff rasant Karriere. Der Grund dafür ist nicht zuletzt, dass heute fast alle Menschen dieser Welt in die globale Arbeitsteilung einbezogen sind. Warum wird dann aber der Begriff Globalisierung verwendet, der einen Prozess und nicht einen endgültigen Zustand beschreibt? Der Endzustand, Globalität, ist nicht und wird sicherlich auch nicht bald erreicht sein, denn selbst auf wirtschaftlichem Gebiet, auf der Ebene der Politik ohnehin, machen sich staatliche Grenzen noch bemerkbar (→ Kapitel 5).

      Globalisierung: Ein Begriff mit Wirkung

      Noch eine Anmerkung zum Begriff „Globalisierung“: Dieser wird nicht nur zur Beschreibung des Prozesses des Bedeutungsverlustes nationaler Grenzen für den Austausch von Waren und Zeichen (Geld, Informationen etc.) verwendet, sondern auch zur Begründung von Handlungsanleitungen. Wegen der Globalisierung sollte man auf nationale Technologieförderung verzichten, nur moderate Lohnerhöhungen fordern, eine Welt-Umweltschutzbehörde gründen etc. Mit anderen Worten, unter Verweis auf die Globalisierung werden die unterschiedlichsten wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Positionen vertreten. Globalisierung ist somit auch ein Kampfbegriff, und zwar im doppelten Sinne. Zum einen soll durch seinen Einsatz die jeweils eigene Position gestärkt werden und zum anderen ist sein Bedeutungsinhalt umkämpft: Bietet die Globalisierung Chancen oder stellt sie eine Gefahr dar, ist sie unausweichlich? Diesem Thema wollen wir uns im Kapitel 4 ausführlicher zuwenden.

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      Definition

      Wir wollen im Folgenden mit einer sehr allgemeinen Definition arbeiten: Mit dem Begriff „Globalisierung“ wird ein Prozess des Bedeutungsschwunds nationaler Grenzen für menschliche Aktivitäten bezeichnet, der mit einem Bedeutungsgewinn für globale Bezugspunkte einhergeht.

      Dimensionen der wirtschaftlichen Globalisierung

      Der Begriff „Wirtschaft“ umfasst viele unterschiedliche Aktivitäten, die wir wie folgt gruppieren: Handel mit Gütern, Handel mit Dienstleistungen, Organisation der Produktion, kurz- und langfristige Kapitalinvestitionen und Angebot von Arbeitskraft.

      Der grenzüberschreitende Handel nahm in den letzten Jahrzehnten rasant zu, und zwar schneller als die wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb der meisten Länder, so dass sich das Gewicht von Im- und Exporten für die einzelnen Volkswirtschaften deutlich erhöht hat. Während der Außenhandel für Deutschland schon immer wichtig war, nahm er beispielsweise in den USA in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts rasant zu, in Indien in diesem Jahrtausend.

      Schaubild 1: Entwicklung des grenzüberschreitenden weltweiten Warenhandels von 1950 bis 2007 Index (1950 = 1), in konstanten Preisen, Zuwächse in Prozent

      Quelle: World Trade Organization (WTO): International Trade Statistics 2005, 2008; eigene Berechnungen, Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de, Bundeszentrale für politische Bildung 2009: www.bpb.de

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      Dienstleistungen wie Haare schneiden waren lange gerade dadurch definiert worden, dass sie nicht gehandelt werden konnten, da Erbringung und Verbrauch zeitlich zusammenfallen. Dank des Internets können Dienstleistungen auch grenzüberschreitend erbracht werden, z.B. durch Online-Kurse der britischen Open University. Doch bereits zuvor konnten die Kunden der Dienstleister aus dem Ausland kommen, z.B. Touristen, oder die Dienstleister konnten zu den Kunden kommen, z.B. IngenieurInnen bei Staudammbauten. Die treibenden Kräfte, Dienstleistungen global zu erbringen, sind Banken und Versicherungen, die vor Ort Tochtergesellschaften gründen, die dann dort die jeweilige Kundschaft bedienen.

      Ein großer Teil des Außenhandels findet zwischen Tochter- und Muttergesellschaften innerhalb von transnationalen Konzernen statt. Die fokalen Unternehmen, z.B. ein Endprodukthersteller, lenken heute nicht nur ihre Tochtergesellschaften, sondern auch rechtlich selbstständige Zulieferunternehmen in einer zunehmend globalen Herstellerkette (Wertschöpfungskette).

      Der Aufbau solcher Wertschöpfungsketten, aber auch die Erbringung von Bank- oder Versicherungsdienstleistungen vor Ort bedarf einiger Maßnahmen. Dazu gehören Investitionen in Bauten und/oder Maschinen bzw. die Beteiligung an oder der Kauf von bereits vorhandenen Fabriken oder Bürogebäuden. Diese werden „ausländische Direktinvestitionen“ genannt (üblich ist die englische Abkürzung für Foreign Direct Investments: FDI) und bei ihnen steht die Kontrolle über die Investition im Vordergrund. Bei Portfolioinvestitionen hingegen sind die Kapitalgeber vor allem darin interessiert, die erworbenen Wertpapiere gegebenenfalls rasch verkaufen zu können. Zum Teil werden eher Veräußerungsgewinne angestrebt als Dividenden oder Zinszahlungen.

      Globalisierte Menschen

      Während die Hürden für grenzüberschreitende wirtschaftliche Transaktionen Schritt für Schritt abgebaut werden (→ Abschnitt politische Dimensionen der Globalisierung), haben viele Länder die Zuwanderung von Arbeitskräften in den letzten Jahrzehnten stark beschränkt. Gleichwohl nahm weltweit die Migration von Menschen nicht nur im Vergleich zu den Sechzigerjahren zu. Zu den Ursachen zählen viele Faktoren, u.a. das riesige Lebensstandardgefälle auf der Welt, die Deindustrialisierung der Länder der ehemaligen Sowjetunion (in der Ukraine stieg die Arbeitslosigkeit unter Frauen auf 80 Prozent an, Sassen 2006: 129), aber auch Kriege. |13◄ ►14| Besonders ausgeprägt ist die Binnenwanderung vom Land in die Slums der großen Metropolen im globalen Süden (z.B. Mumbai) aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Verdrängung der wenig effizienten Subsistenzlandwirtschaft, die primär der Eigenversorgung dient. In die entgegengesetzte Richtung zur Arbeitsmigration fließt in vielen kleinen Beträgen Geld in die Ursprungsländer zurück. Diese Rücküberweisungen – z.B. von MigrantInnen an ihre Familien im Heimatland – übersteigen mittlerweile insgesamt die öffentliche Entwicklungshilfe.

      Für zwei Kategorien von Grenzüberschreitungen von Menschen bestehen kaum Einschränkungen. Zum einen ist eine wachsende Zahl an höher qualifizierten MitarbeiterInnen von transnationalen Konzernen für kurze oder längere Zeit im Ausland tätig. Zum anderen verbringen insbesondere die Menschen in den kleineren, reichen Ländern zu einem sehr hohen Prozentsatz einen Teil ihres Urlaubs ebenfalls im Ausland. Ungefähr 70 Prozent aller Urlaubsreisen der Deutschen haben das Ausland als Ziel. Für gering qualifizierte Menschen bestehen rigide Einschränkungen ihrer grenzüberschreitenden Mobilität. Dies beeinflusst jedoch nicht zwangsläufig die Entscheidung zu migrieren. Dementsprechend leben zunehmend Menschen als „Illegalisierte“ ohne legalen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung.

      Schaubild 2: Trends in der internationalen Migration seit 1960

      Quelle: Globale Trends 2010, Frankfurt/M: Fischer Taschenbuch Verlag

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      Globalisiert

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