Globalisierung. Christoph Scherrer

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Globalisierung - Christoph Scherrer

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es einen regelmäßigen Handel zwischen den dynamischen Wirtschaftszonen in Europa, Nordafrika und Asien. Nicht allein durch das römische Erbe waren nahöstliche Erfindungen wie das Christentum in Europa bekannt. Arabische Präsenz in Sizilien und auf der iberischen Halbinsel, die Kreuzzüge nach Palästina und die rege Handelstätigkeit Venedigs haben in der vorkolumbianischen Zeit Europa vom „Orient“ lernen lassen. Beispielsweise förderten im 12. Jahrhundert die oberitalienischen Städte die Kultivierung von aus Asien stammenden Zitronen auf ihren landwirtschaftlichen Kolonien.

      Die Seehafenstädte des westlichen Mittelmeers machte dieser Austausch reich. Jedoch wurde dieser Reichtum im 15. Jahrhundert durch das erstarkende|22◄ ►23| Osmanische Reich bedroht, so dass die Suche nach einem Weg über den Atlantik nach Indien in westlicher und südlicher Richtung begann.

      Obwohl die Entdeckung des Genuesen Christoph Kolumbus zumeist als Beginn der globalen Vernetzung angesehen wird, war die fünf Jahre zuvor erfolgte erstmalige Umsegelung der südlichen Spitze Afrikas, des Kaps der Guten Hoffnung, durch den Portugiesen Bartolomeo Dias zunächst wichtiger, denn sie eröffnete den Weg in den Indischen Ozean. 1498 gelang es Vasco da Gama mit einer portugiesischen Flotte erstmalig, auf dem Seewege bis nach Indien zu kommen. Wenige Jahrzehnte später beherrschten portugiesische Karavellen den Handel mit Indien.

      Schaubild 6: Wichtigste weltumspannende Handelsrouten 1400-1800

      Quelle: André Gunder Frank 1998, ReOrient, S. 65, University of California Press

      Es war kein Zufall, dass die globale Vernetzung der Wirtschaftsräume von Europa ausging. Der indisch-chinesische Raum war nicht nur aufgrund günstiger klimatischer Bedingungen für den Anbau von Gewürzen, sondern auch aufgrund einer insgesamt höher entwickelten Wirtschaft viel weniger an westlichen Gütern interessiert. Das Hauptgeschäft der portugiesischen Seefahrtspioniere war dann auch nicht der Fernhandel zwischen Europa und Asien, sondern der innerasiatische Handel im Indischen Ozean; ihre Überlegenheit beschränkte sich auf ihre Seefahrtskunst und nautische Militärtechnik. So wurden Pferde aus Persien nach Südindien und dortige Stoffe zu den Gewürzinseln verschifft. Den Handel zwischen Europa und Asien brachte dann überraschend Amerika in Schwung. Überraschend, weil Amerika zunächst nur als Barriere auf dem Weg nach Indien angesehen wurde. Doch das zunächst der indigenen Bevölkerung gestohlene und später unter unsäglichen Arbeitsbedingungen abgebaute Silber und Gold aus |23◄ ►24| Mittel- und Südamerika verschaffte den Händlern der iberischen Halbinseln die Zahlungsmittel, die auch in Asien begehrt waren.

      Der iberische Kronmonopolismus (1492 – 1820)

      Die Geschichte von den Anfängen iberischer Kontrolle über Mittel- und Südamerika und des Seehandels mit Asien bis zum Beginn der Entkolonialisierung im 20. Jahrhundert lässt sich in Anlehnung an Reinhard Wendt (2007) in drei Phasen unterteilen: den iberischen Kronmonopolismus, die nordwesteuropäischen Monopolgesellschaften und den industriellen Imperialismus. Diese Phasen unterscheiden sich durch die Zentren der Kolonialisierung, das Verhältnis zwischen Staat und privaten Akteuren und die technische Basis der Dominanz. Einheitlichkeit bestand darin, dass der globale Handel und damit die globale Arbeitsteilung aus Europa organisiert wurden.

      Die erste Phase, die Phase des iberischen Kronmonopolismus, dauerte zwar bis zur Befreiung der südamerikanischen Kolonien zu Beginn des 19. Jahrhunderts an, doch war ihre Blütephase bereits Mitte des 17. Jahrhunderts überschritten. Sie war von der Dominanz Portugals und Spaniens geprägt, die mit päpstlichen Segen die neu entdeckte Welt unter sich aufgeteilt hatten (Verträge von Alcáçovas, Tordesillas und Zaragoza). Die jeweiligen Kronen ordneten den Handel und die eroberten Gebiete ganz der Macht- und Reichtumsmehrung unter. Die Schaffung von Monopolen war diesem Ziel besonders förderlich. Sofern den Kronen das Kapital fehlte, bedienten sie sich auch privater Unternehmer, die Lizenzen für ihre jeweiligen Geschäfte erhielten.

      Wenngleich das von den iberischen Mächten um die Erde gelegte Netz noch viele Löcher aufwies, wies es die zentralen Merkmale der heutigen Globalisierung auf. Der Handel umfasste bereits Amerika, Afrika, Asien und Europa. Nicht nur wurden die klimatischen und geologischen Unterschiede zwischen den einzelnen Weltregionen gezielt für den Handel ausgenutzt, sondern der Handel selbst wurde monopolisiert und die heimische Produktion gegenüber Produzenten aus den überseeischen Besitzungen bevorzugt. Die einträgliche Veredelung der Rohstoffe behielten die iberischen Staaten für sich. Diese Praxis wurde von den späteren Kolonialmächten übernommen.

      Neben dem Bergbau förderten die Kolonialverwaltungen die Plantagenwirtschaft, was zum einen zur transkontinentalen Verbreitung einiger Kulturpflanzen wie dem Zuckerrohr führte und zum anderen den Menschenhandel beförderte. Bekannt ist die Ersetzung indianischer |24◄ ►25| Zwangsarbeiter durch afrikanische Sklaven. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts sollen eine Million Menschen aus Afrika ins spanisch und portugiesisch kontrollierte Amerika versklavt worden sein. Auch im asiatischen Raum wurden Menschen versklavt. Die globale Arbeitsteilung entstand nicht als Folge friedlicher Neugier auf andere Güter, sondern aufgrund gewaltsamer Eroberung und Ausbeutung.

      Die Globalisierung umfasste von Anfang an auch kulturelle Dimensionen. Zum einen, weil der Fernhandel selbst ein kulturelles Phänomen war, dem spezifische Einstellungen zur Sicherung der Lebensgrundlagen, zur Natur und zu anderen Menschen zugrunde lagen. Im iberischen Zeitalter kennzeichnete eine Beute-Mentalität das Führungspersonal der Expeditionen (Schmitt 2009: 16).

      Zum anderen ging Eroberung mit christlicher Missionierung einher, die von den Päpsten im Gegenzug zur Gewährung der Gebietsmonopole in der Neuen Welt von den iberischen Kronen verlangt wurde. Letztere kamen dieser Aufforderung auch aus eigener Überzeugung nach. Die Missionierung lief zumeist dort gewaltsam ab, wo die europäische Vorherrschaft erdrückend war, also in Amerika, und verlief dort friedlicher, wo sich die Europäer mit den lokalen Mächten arrangieren mussten, also in den asiatischen Küstenregionen.

      Die katholischen Missionare trugen wie die Seeleute, Händler und Wissenschaftler zum Wissen über die „neue“ Welt bei. Das spanische Königshaus verlangte explizit nach solchen Berichten. Für die Seefahrer stand geographisches Wissen im Vordergrund, für die Händler die jeweilige Angebots- und Nachfragelage, und die frühen Wissenschaftler interessierten sich vor allem für die Ernährungspotenziale der Pflanzenwelt.

      Die nordwesteuropäischen Monopolgesellschaften (1600 – 1857)

      Die anderen Europäer waren allerdings nicht gänzlich von diesem Wissen ausgeschlossen. Zum einen hatten sie selbst Wissen zur Atlantiküberquerung beigetragen. Beispielsweise nutzte Kolumbus die astronomischen Karten des in Nürnberg lebenden Regiomontanus. Zum anderen nahmen einzelne Personen als Missionare, Geldgeber, Handwerker und Wissenschaftler an den Fahrten teil. Über den besten Zugang verfügten die Niederländer, da sie lange Teil des spanisch-habsburgischen Reichs waren und in ihrem erfolgreichen Unabhängigkeitskampf (1566 – 1648) gelernt hatten, sich gegen spanische Vorherrschaft zu behaupten. Ihre |25◄ ►26| ersten überseeischen Erfolge gingen jedoch zu Lasten der Portugiesen, deren verstreute Stützpunkte entlang der Küsten Asiens leichter zu erobern waren als die spanischen Kolonien in Amerika. Mitte des 17. Jahrhunderts hatten die Niederländer die Portugiesen im asiatischen Seeverkehr abgelöst.

      Zeitgleich versuchten niederländische, englische und französische Abenteurer durch Schmuggel und Piraterie die Monopolansprüche der iberischen Mächte im transatlantischen Seeverkehr zu unterlaufen. Die Piraterie erhielt rechtstheoretischen Beistand durch Hugo Grotius, den Begründer des modernen Völkerrechts. Er plädierte 1608 für die Freiheit der Meere und erklärte das Kapern portugiesischer Karavellen für gerechtfertigt, solange diese anderen den freien Handel untersagten. In England genossen Piraten wie Francis Drake den Schutz der Krone.

      Die eigentlichen Träger der kolonialen Expansion der nordwesteuropäischen Staaten waren

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