Internationale Migrationspolitik. Stefan Rother

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Internationale Migrationspolitik - Stefan Rother

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einzelnen Person in das Herkunfts-, Transit- oder Drittland auf Grundlage eines Gerichts- oder Verwaltungsaktes gemeint. Nach europäischem Recht erfolgt zunächst die Ausweisung, wenn kein Aufenthaltsrecht im Aufnahmeland (mehr) besteht. Die tatsächliche physische Rückführung kann nach der Ausweisung vollzogen werden, der Rückkehrverpflichtung kann jedoch auch durch die sogenannte „freiwillige“ Ausreise innerhalb einer bestimmten Frist nachgekommen werden (European Migration Network 2019, S.13, 145, 283). In Deutschland wurden im Jahr 2019 22.100 Abschiebungen durchgeführt. Rund 8.400 von ihnen wurden im Rahmen der Dublin-III-Verordnung in andere europäische Länder überstellt. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Abschiebungen um 6,4 Prozent zurückgegangen.1

      Doch auch wenn die Geflüchteten der Aufforderung, das Land zu verlassen, nicht folgen, muss die Abschiebung nicht zwangsläufig vollzogen werden. Neben der Rechtsstellung als geflüchtet können Migrant*innen subsidiär schutzberechtigt sein, wenn ihnen durch die Rückkehr in ihr Herkunftsland ernsthafter Schaden (Folter, Tod usw.) drohen würde. Auch ein Abschiebeverbot kann ausgesprochen werden, hier handelt es sich jedoch um eine bloße Duldung der Person.2 Im Jahr 2019 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt knapp 184.000 Entscheidungen gefällt, davon betroffen waren circa 25 Prozent Geflüchtete, 11 Prozent subsidiär Schutzberechtigte und ungefähr 3 Prozent Geduldete (BAMF 2020, S.37).

      Gegen die Abschiebung von ausländischen Staatsbürger*innen formiert sich in vielen Ländern Protest, zum Beispiel in Form von physischen Blockaden, Flughafenprotesten (bei Abschiebungen mit dem Flugzeug) oder auch dem Kirchenasyl. Der Grad der Organisiertheit variiert dabei stark und reicht von spontanen Bekundungen bis hin zu etablierten Organisationen, in Deutschland zum Beispiel Pro Asyl, die Rechtsbeihilfe anbieten. Die Forschung zu sozialen Bewegungen nimmt sich ebenfalls vermehrt diesem Thema an. Ruedlin et al. identifizieren für Deutschland, Österreich und die Schweiz beispielsweise überwiegend lokale Protestformen, die sich auf individuelle Lösungen fokussieren, anstatt den sozialen und rechtlichen Wandel der Migrationsregime voranzutreiben (Ruedlin et al. 2018).

      3.5.2 Integration

      Die zweite Option ist die Integration in die Aufnahmegesellschaft. Dies setzt einen komplexen Prozess in Gang, der beiden Seiten, Geflüchteten und Aufnahmegesellschaft, viel abverlangt (zu den Theorien hierzu → 9 Migration und Integration). Die derzeitige Politik setzt jedoch weniger auf Integration als auf Segregation, etwa durch die Unterbringung in Lagern. Zudem wird die Mobilität der Geflüchteten systematisch eingeschränkt, etwa in Deutschland durch die sog. Residenzpflicht. Die Fluchtforscherin Long (2013) plädiert daher für eine weitsichtigere Politik, in deren Mittelpunkt nicht Hilfeleistungen, sondern Freiheit und Entwicklung stehen.

      UNHCR und ILO haben solche Ansätze in der Vergangenheit durchaus verfolgt (Garnier 2014). Bereits in den 1980er Jahren vereinbarten sie eine engere Zusammenarbeit, um die sozioökonomischen Rechte und Integrationsmöglichkeiten von Geflüchteten besser zu schützen (ebd.). So wurden Projekte wie etwa Unternehmensgründungs-Workshops für Frauen in Geflüchtetencamps gefördert. In den vergangenen Jahren rückte dieser Ansatz jedoch immer weiter in den Hintergrund, was Garnier auf Ressourcenknappheit, Wettbewerb zwischen den Institutionen und unterschiedliche Schwerpunktsetzungen zurückführt. Viele Staaten seien nicht einmal bereit, das Recht auf Arbeit von Geflüchteten anzuerkennen.

      3.5.3 Resettlement

      Das Resettlement stellt schließlich ein Instrument zur dauerhaften ‚Umsiedlung‘ von Geflüchteten dar, die nach der Flucht in einen Staat, in dem sie Schutz gesucht haben, von einem Drittstaat ausgewählt und als Geflüchtete mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht aufgenommen werden. Resettlement-Geflüchtete werden auch als Quoten- oder Kontingentflüchtlinge bezeichnet, da das Resettlement in den meisten Ländern nach einer Quotenregelung erfolgt. Resettlement-Programme können eine langfristige Lösung für größere Gruppen von Geflüchteten bieten, deren Leben oder Grundrechte im (ersten) Aufnahmeland bedroht sind. Voraussetzung für die Aufnahme sind in der Regel die Einstufung als geflüchtet nach GFK sowie bestimmte Auswahlkriterien, die je nach Staat variieren können, darunter Schutz vor physischer Gewalt, die Beschränkung der Grundrechte, aber auch die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern. Resettlement ist allerdings kein Recht, deshalb können Geflüchtete sich auch nicht darauf berufen, sondern werden durch den UNHCR, staatliche Einrichtungen oder mithilfe von NGOs ausgewählt. Staaten entscheiden dann auf Grundlage der Resettlement-Quote und der jeweiligen Aufnahmekriterien, wer einreisen darf (UNHCR 2011, S.3, 36, 243).

      Die große Anzahl an Geflüchteten und Vertriebenen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges markiert den Beginn des Resettlement-Programms. In den späten 1940er Jahren konnten mehr als eine Million europäische Geflüchtete mithilfe der Vorgängerorganisation des UNHCR umgesiedelt werden, von denen die USA allein in den folgenden Jahren über 650.000 Geflüchtete aufnahm. Im Jahr 2018 war Kanada mit über 28.000 Aufnahmen das bedeutendste Resettlement-Land. Im Vergleich zu 2017 ging die Anzahl der Resettlement-Aufnahmen allerdings bedingt durch verringerte Quoten und verschärfte Sicherheits-Screenings um mehr als 10 Prozent zurück. Zu den größten Herkunftsländern der Resettlement-Geflüchteten gehören derzeit Syrien, Eritrea und die demokratische Republik Kongo (IOM 2020, S.41f.; UNHCR 2019, S.4f.).

      Der UNHCR versucht angesichts zunehmender Komplexität und zurückgehender Aufnahmezahlen seit Ende der 1980er Jahre, die verschiedenen Akteure in jährlichen Konferenzen zusammenzubringen (Annual Tripartite Consultations on Resettlement) und so die Zusammenarbeit im Hinblick auf bestimmte Geflüchtetengruppen, wie zum Beispiel aus dem syrischen Bürgerkrieg Geflüchtete, zu stärken (UNHCR 2019, S.16ff.). Neben staatlichen Programmen existieren in einigen Ländern, darunter Kanada, Australien und Deutschland, auch (semi-)private Resettlement-Programme. In Kanada werden inzwischen sogar mehr als die Hälfte der Resettlement-Geflüchteten über das Private Sponsored Refugees-Programm (PSR) aufgenommen, die mehrheitlich über religiöse, Bildungs- oder Menschenrechtsorganisationen, aber auch ethnische Communities gesponsert werden. Zusätzlich hat Kanada 2013 ein privat-öffentliches Programm (Blended VISA Office Referral) geschaffen, das Resettlement-Geflüchtete mit privaten Sponsoren ‚matched‘, die gemeinsam mit dem Staat (50/50) die Unterstützungskosten für die Geflüchteten tragen (West und Plunkett 2018, S.10f.; Macklin et al. 2018, S.37f.).

      3.6 Fazit und Ausblick

      Wie der Überblick gezeigt hat, ist das Thema Flucht und Asyl einer der komplexesten Bereiche internationaler Migrationspolitik. Obwohl die Notwendigkeit zur Aufnahme von internationalen Migrant*innen hier am größten ist, scheint die Bereitschaft der Nationalstaaten zur Aufnahme am wenigsten ausgeprägt. Daher ist es wichtig, gemeinsame Lösungen auf supranationaler Ebene anzustreben, so dass nicht einzelne Nationalstaaten den Hauptteil der Last tragen und andere sich aus der Verantwortung stehlen. Mit der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention ist hier im Grunde ein richtiger und wichtiger Schritt gelungen. Allerdings stellt sich immer mehr die Frage, ob der Begriff des „Flüchtlings“, wie er in der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 rechtlich gefasst wurde, heute noch zeitgemäß ist. Flucht findet heute, wie wir gesehen haben, nicht mehr allein aufgrund politischer Verfolgung auf Grundlage der Ethnie, Religion, Nationalität usw. statt. Seit einigen Jahrzehnten verfestigt sich der Trend, dass Menschen eher vor Konflikten und wegen Umweltkatastrophen als vor direkter Unterdrückung und Verfolgung durch staatliche Institutionen fliehen (Zolberg und Benda 2001).

       Klima- und Umweltmigration

      Heute fliehen in vielen Ländern Menschen auch wegen der jahrelangen Ausbeutung ihres Landes, etwa der Bodenschätze, was dazu geführt hat, dass vielen Menschen in ländlichen Gebieten die Lebensgrundlage entzogen wurde (Ansorg 2017). Andere Migrant*innen fliehen vor Umweltkatastrophen, wie z.B. lange Dürreperioden und Verwüstungen. Insbesondere Umweltgründe werden heute noch nicht von den Kriterien der Geflüchtetendefinition erfasst. Die Vereinten Nationen begründen diesen Umstand unter anderem damit, dass der bestehende Geflüchtetenstatus

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