Internationale Migrationspolitik. Stefan Rother

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Internationale Migrationspolitik - Stefan Rother страница 13

Автор:
Серия:
Издательство:
Internationale Migrationspolitik - Stefan Rother

Скачать книгу

die Aufnahme von Geflüchteten und stoßen an ihre Grenzen. Ein Blick auf die regionale Verteilung der Geflüchteten auf die verschiedenen Kontinente zeigt, dass knapp 30 Prozent der offiziell von der UNHCR registrierten Geflüchteten in Subsahara-Afrika lebt, und weitere 12 Prozent in Nordafrika und dem Nahen Osten. Die Herausforderung ist für diese Länder besonders groß, weil die meisten selbst Entwicklungs- oder Schwellenländer sind (UNHCR 2020).

      Abbildung 19:

      Verteilung von Geflüchteten 2019 auf die verschiedenen Kontinente (in %)

       Quelle: UNHCR, Global trends. Forced displacement in 2020.

      Blickt man auf die einzelnen Länder, sticht die Türkei besonders hervor. Seit dem Syrien-Krieg hat sie mit über 3,6 Millionen Menschen weltweit die größte Zahl von internationalen Geflüchteten aufgenommen. Danach folgen Kolumbien mit 1,6 Millionen (vor allem aus Venezuela) Geflüchteten sowie Pakistan (mit Geflüchteten vor allem aus Afghanistan) und Uganda mit jeweils 1,4 Millionen Geflüchteten, die in Uganda vor allem aus dem Kongo und dem Südsudan stammen. Auf Platz 5 folgt Deutschland mit 1,1 Millionen Geflüchteten. Im Verhältnis zur Größe der einheimischen Bevölkerung nimmt jedoch der Libanon mit Abstand die meisten Geflüchteten auf, gefolgt von Jordanien, der Türkei, dem Tschad, Uganda und dem Sudan. Als erste europäische Länder folgen Schweden und – nach dem Südsudan – Malta.

      Abbildung 20:

      Die fünf größten Aufnahmeländer von Geflüchteten 2019 (in Millionen)

       Quelle: UNHCR, Global trends. Forced displacement in 2020.

      In vielen Ländern erfolgt die Aufnahme mittels Unterbringung in Geflüchtetenlagern, die zumeist als kurzfristige Zwischenlösung gesehen werden. Der UNHCR bringt Geflüchtete seit den 1980er Jahren zu einem großen Teil in Lagern unter, die jedoch bei anhaltenden Fluchtsituationen teilweise über Jahrzehnte bestehen bleiben. Derartige Lager entwickeln häufig eine gewisse Eigendynamik, zumal sie oft losgelöst vom Aufnahmeland in wenig bevölkerten, ländlichen Gegenden liegen. Die physische und wirtschaftliche Isolation bewirkt, dass wenig Austausch mit dem Aufnahmeland stattfindet und sich so eine Art Mikrokosmos entwickelt. Das Lagerleben gewinnt dabei an sozialer und auch ökonomischer Bedeutung. Die Lebensbedingungen in Geflüchtetenlagern changieren von annehmbar bis katastrophal, je nach nationalen und lokalen Gegebenheiten. In manchen Regionen dürfen sich Geflüchtete beispielsweise auch außerhalb der Lager frei bewegen und der Zugang zu Arbeit und Bildung variiert ebenso. In anderen Lagern ist selbst der Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmitteln und sauberem Wasser eingeschränkt (Buckley-Zistel et al. 2014, S.75ff.).

      Eines der größten Geflüchtetenlager weltweit, Cox’s Bazar, liegt in Bangladesch, das seit den 1970er Jahren hunderttausende Geflüchtete der muslimischen Rohingya-Minderheit aus Myanmar aufgenommen hat. Rohingya-Geflüchtetenlager bestehen dort bereits seit mehr als zwanzig Jahren, die 2017 angestoßene Vertreibung durch die Regierung Myanmars hat jedoch eine Rekordzahl von über 700.000 Rohingyas über die Grenze nach Bangladesch getrieben (UNHCR 2020). Menschenrechtsorganisationen stufen den Konflikt mittlerweile als Genozid ein (BBC 2020). Mit fast 600.000 Bewohner*innen ist das Geflüchtetenlagern Kutupalong das größte der Welt. Zusätzlich leben noch schätzungsweise 500.000 Rohingya in lagerartigen Siedlungen in der Nähe der offiziellen Geflüchtetenlager, da ihnen ein offizieller Geflüchtetenstatus und Zugang zu den Lagern verwehrt wird. Die Regierung Bangladeschs verweigert nicht registrierten Geflüchteten jegliche humanitäre Hilfe. Innerhalb der Lager ist der UNHCR zusammen mit anderen Menschenrechtsorganisationen für die Versorgung zuständig. Doch auch dort ist die Situation problematisch. So ist erst seit 2013 eine rudimentäre Schulbildung möglich, gleichzeitig stellt geschlechterbasierte Gewalt eines der großen Sicherheitsprobleme in den Lagern dar (Goodman und Mahmood 2019, S.490ff.; Olivius 2017a und b).

      Auf dem afrikanischen Kontinent existieren ebenfalls diverse Geflüchtetencamps, unter anderem in Uganda, Tansania und Äthiopien (UNHCR 2020). Der größte Lagerkomplex befindet sich in Kenia, das im Zuge des somalischen Bürgerkrieges ab 1991 hunderttausende Somalis aufnahm, die dem Konflikt und harschen Umweltbedingungen entfliehen wollten. Das sogenannte Dadaab-Lager ist eigentlich eine Gegend mit mehreren Geflüchtetenlagern, die im März 2020 circa 217.000 somalische Geflüchtete umfasste (UNHCR 2020)1. Diese können aufgrund immer wieder ausbrechender Kämpfe und mehrerer Hungersnöte nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren, die Lebenssituation im Lager ist jedoch prekär, sowohl in Bezug auf Sicherheit, medizinische Versorgung und Hygiene – es kam bereits zweimal zu Cholera-Ausbrüchen – als auch auf Arbeit und Bildungschancen. Hilfsorganisationen spielen eine große Rolle bei der Aufrechterhaltung des Dadaab-Lagers, aber auch in vielen anderen Geflüchtetenlagern auf der Welt und füllen so eine ‚Lücke‘ im internationalen Fluchtregime (Chkam 2016, S.79f., S.96).

      Das Thema Unterbringung spielt auch in Europa eine zentrale Rolle. In Deutschland wurden im Jahr 2015 zum Beispiel diverse Hallen und Gelände genutzt, um die große Anzahl der Geflüchteten versorgen zu können, da vorhandene Erstaufnahmeeinrichtungen bereits an der Kapazitätsgrenze waren. Inzwischen setzen einige Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, jedoch verstärkt auf dezentrale Unterbringungen, die als integrationsförderlich angesehen werden und gleichzeitig der Stigmatisierung von Fluchtmigrant*innen entgegenwirken sollen (Schamman/Kühn 2016). Größere Lager entstehen hingegen an den EU-Außengrenzen, zum Beispiel in Italien oder Griechenland. Die griechischen Lager verteilen sich auf mehrere Inseln, die seit 2016 primär als Durchgangsstation dienen sollten, bis die Asylverfahren der Bewohner abgeschlossen sind. Die Inaktivität der griechischen Regierung hat jedoch dazu geführt, dass immer mehr Geflüchtete in den Lagern der Inseln festsitzen. Das Lager ‚Moria‘ auf der Insel Lesbos ist zum Synonym für die schlechten Zustände geworden, denn dort lebten im Frühjahr 2020 über 20.000 Menschen, obwohl das Lager nur für circa 3.000 auslegt war. Zudem kommen immer noch neue Geflüchtete mit Booten auf die nur 10 Kilometer von der türkischen Küste entfernte Insel. Die vielen unbearbeiteten Asylverfahren der Geflüchteten, die überwiegend aus Syrien, Irak und Afghanistan stammen, haben zur Folge, dass viele wohl auf unbestimmte Zeit dort festsitzen werden (Gavalakis und Katsioulis 2016, 1f.).

      3.4 Nationale Flucht- und Asylpolitik

      Auch die Asyl- und Geflüchtetenpolitiken in den Zielländern der Fluchtmigration haben einen wichtigen Einfluss auf die Wanderungsentscheidungen der Geflüchteten (Betts 2014). So versuchen viele Nationalstaaten trotz der Verpflichtungen, die sie mit der Genfer Flüchtlingskonvention eingegangen sind, Fluchtmigration soweit es geht abzuwehren und/oder auf andere Länder abzuwälzen. Beispielsweise werden Abkommen mit anderen Ländern geschlossen, die – wie im Fall der Türkei – eine größere Nähe zu den jeweiligen Konfliktorten aufweisen. Im Gegenzug wird dabei häufig eine größere Geldsumme zugesagt, wie dies etwa beim bei dem EU-Türkei-Abkommen der Fall war.1 Von dem Geld soll dann die Versorgung der Geflüchteten vor Ort finanziert werden. Zum Teil fließt das Geld aber auch in den Grenzschutz der betroffenen Länder, so dass die Geflüchteten entweder gar nicht mehr in das betreffende Land fliehen oder von dort aus weiterwandern können.

      In den letzten Jahrzehnten konnte man zudem eine schrittweise Verschärfung der Geflüchteten- und Asylpolitik in fast allen OECD-Ländern beobachten. So wurde in den meisten Ländern entweder der Zugang zum Asylstatus spürbar erschwert oder Geflüchtete erhielten nur einen geminderten Schutzstatus. Das Ergebnis war, dass hier die Aufnahmepolitik zunehmend restriktiver wurde, während gleichzeitig die Geflüchtetenzahlen stiegen (Massey 1999, S.312). Zugleich wurden auch die Möglichkeiten von freiwilliger Migration aus Entwicklungs- und Krisenländern eingeschränkt, was die Situation zusätzlich prekärer gemacht und den Auswanderungsdruck erhöht hat (Zolberg und Benda 2001, S.2).

      Besonders drastisch wurde diese Abschottung

Скачать книгу