Internationale Migrationspolitik. Stefan Rother

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Internationale Migrationspolitik - Stefan Rother

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In dem ab 1920 unter britischem Mandat stehenden Palästina kam es schon bald zu ersten, teilweise bewaffneten Konflikten zwischen der arabischen Mehrheitsbevölkerung und den jüdischen Siedler*innen, aber auch gegenüber den britischen Machthabern. Der Holocaust in Europa hatte in den 1940er Jahren nicht nur große Migrationsbewegungen nach Palästina zur Folge – die jüdische Bevölkerung umfasste schließlich über 600.000 Personen –, sondern verlieh dem Vorhaben eines jüdischen Staates auch zusätzliche Legitimität. Nachdem die britische Regierung ihr Mandat 1947 abgegeben hatte, einigten sich die Vereinten Nationen zunächst auf einen Teilungsplan (Zwei-Staaten-Plan), der jedoch von bürgerkriegsartigen Unruhen unterbrochen wurde. Die Unabhängigkeitserklärung Israels 1948 provozierte schließlich einen Krieg mit den arabischen Nachbarstaaten. Der Sieg Israels resultierte in der Vertreibung von 600.000-800.000 Palästinenser*innen, von denen mehr als die Hälfte in den Gazastreifen bzw. die Westbank umsiedelte. Viele suchten jedoch auch Zuflucht in den Nachbarländern, vor allem in Jordanien (70.000), Syrien (75.000), Libanon (100.000) und zu einem geringeren Teil im Irak und in Ägypten (Schneider 2008, S.1ff.).

      Seit der Gründung des Staates Israel hat das Land, bedingt durch die weltweite Immigration aus der jüdischen Diaspora, einen durchweg positiven Wanderungssaldo. Die Bevölkerung ist im Jahr 2019 auf fast neun Millionen angewachsen, von denen nur noch ca. 21 Prozent arabischer Herkunft sind (Israel Central Bureau of Statistics 2020, S.6). Gleichzeitig leben rund 5,6 Millionen palästinensische Geflüchtete in Gaza, der Westbank (inkl. Ostjerusalem), Jordanien, Syrien und dem Libanon.

      Neben Geflüchteten und Staatenlosen definiert der UNHCR zudem Asylbewerber*innen als eigene Kategorie. Hierbei handelt es sich um Flüchtende bzw. Migrant*innen, die von den offiziellen Stellen noch nicht als Geflüchtete (im Sinne der GFK oder im Sinne eines subsidiären Schutzes, s.o.) anerkannt worden sind. Ob ein Asylantrag angenommen wird, richtet sich nach den nationalen Asylgesetzen, die in der Regel den Grundsätzen der Genfer Flüchtlingskonvention folgen. Da in der Praxis nicht immer einfach zu entscheiden ist, ob es sich um erzwungene oder freiwillige Migration handelt, da sich in Migrationen politische mit wirtschaftlichen Gründen mischen können, wurde in den 1990er Jahren das Konzept der sog. ‚mixed migrations‘ entwickelt (Linde 2011). Hierbei ging es vor allem darum, die Unterscheidbarkeit von erzwungener und freiwilliger Migration zu erleichtern, und Geflüchteten zu helfen, Arbeit aufnehmen und ein normales Leben führen zu können. Die Vermischung beider Wanderungen ist insbesondere für humanitäre Hilfsorganisationen schwierig, weil diese häufig an ein bestimmtes politisches Mandat (z.B. den Schutz einer bestimmten Gruppe wie etwa Geflüchtete) gebunden sind.

      Der UNHCR hat jedoch dazu aufgerufen, auch migrierenden Menschen, die keine Geflüchteten sind, Schutz zu bieten und die Gefahren, denen sie sich bei der Wanderung aussetzen, anzuerkennen. Dieses Signal ist besonders wichtig, da diese (äußerst diverse) Gruppe ansonsten keinerlei Fürsprechende hat, die sich für sie einsetzen. Damit überschreitet der UNHCR zwar sein Mandat, füllt aber eine wichtige Lücke aus.

       Schutz von Geflüchteten und gemischte Wanderungen

      Der UNHCR hat sich bereits früh mit dem Problem der gemischten Wanderungen auseinandergesetzt, um die Gefahren, denen Menschen, die migrieren, ausgesetzt sind, ins Bewusstsein zu bringen und deren Menschenrechte zu wahren. Er hat hierfür ein Zehn-Punkte-Programm aufgestellt, mit dessen Hilfe Migrant*innen, die keine Geflüchteten sind, geschützt werden sollen (UNHCR 2007, S.1-2). Die Punkte umfassen u.a. mehr Kooperation der beteiligten Hilfsorganisationen, eine Verbesserung der Datenlage sowie die Entwicklung einer Informationsstrategie, mit der mehr Sicherheit auf der Wanderungsroute und mehr Aufnahmemöglichkeiten für die Geflüchteten geschaffen werden sollen. Zudem soll eine unterstützte Rückkehr gefördert werden.

      Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der North Africa Mixed Migration Hub (MHub). Er setzt sich für den Schutz von Migrierenden in Nordafrika ein. U.a. sammelt er Daten zum Verstoß gegen Menschenrechte, die Politik und Öffentlichkeit aufrütteln sollen. Auch der MHub verweist auf die komplexen Wanderungsbewegungen unterschiedlichster Menschen mit unterschiedlichsten Migrationsmotiven. Er betont aber, dass all diese Menschen ständig Gefahren ausgesetzt sind. Er setzt sich damit für den Schutz der Menschenrechte ungeachtet der Form der Migration ein (MHub 2016, S.1).

      Daneben hat der UNHCR auch ein Mandat für die oben angesprochenen Binnengeflüchteten, die innerhalb ihres Heimatlandes flüchten, und von der UNHCR offiziell als „Internally Displaced Persons“ (s.o.) bezeichnet werden. Wie wir schon gesehen haben, machen sie den größeren Teil der weltweit Geflüchteten aus. Obwohl sie häufig aus den gleichen Gründen fliehen (bewaffnete Konflikte, Menschenrechtsverletzungen), verbleiben sie jedoch im Gegensatz zu internationalen Geflüchteten unter dem Schutz des Rechtssystems ihres Staates (UNHCR 2014). Dennoch ist klar, dass auch diese Gruppe internationalen Schutzes bedarf, insbesondere wenn die eigene Regierung der Grund für ihre Flucht ist, wie man aktuell in Syrien sieht.

      Abbildung 18:

      Entwicklung der Zahl der Geflüchteten weltweit 1951-2019 (inkl. Binnenvertriebene) (in Millionen)

       Quelle: UNHCR 2020.

      Über die Hälfte der weltweit flüchtenden Menschen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Viele von ihnen flüchten sogar alleine, ohne die Begleitung ihrer Eltern oder sie werden auf der Flucht von ihnen getrennt. Im Jahr 2015 wurden weltweit knapp 100.000 unbegleitete geflüchtete Kinder und Jugendliche außerhalb ihrer Herkunftsländer registriert (UNHCR 2017). Diese Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten gehört zu der Gruppe der „besonders schutzbedürftigen Personen“ (Müller 2014, S.10). Sie sind auf der Flucht oftmals besonderen Gefährdungen ausgesetzt, werden häufig Opfer von Gewalt, Konflikten und auch Ausbeutung. Aus diesen Gründen benötigen sie besonderen Schutz und Aufmerksamkeit (Müller 2014, S.10). Besonders problematisch ist ihre Situation an der US-amerikanischen Grenze. Hier werden trotz strenger Gesetze und Richtlinien Kinder immer wieder inhaftiert und sogar vermisst gemeldet.

      Neben den UNHCR-Institutionen gibt es noch zahlreiche weitere weltweit agierende supra- und interstaatliche Institutionen und Organisationen. Dazu zählt u.a. auch die Internationale Organisation für Migration (IOM), die ebenfalls 1951 gegründet wurde. Die IOM ist eine Serviceorganisation mit 166 Mitgliedstaaten. Sie führt vor allem Hilfsprogramme durch, deren Hauptzielrichtung die Rückführung ist. Sie wird von Menschenrechtsorganisationen häufig dafür kritisiert, dass sie die Rechte der Migrant*innen nicht ausreichend schützt (→ 13 Global Migration Governance). Auch die EU kann als ein wichtiger Akteur im internationalen Fluchtregime angesehen werden. Die EU richtete 1992 eine Generaldirektion für humanitäre Hilfe ein und ist in nahezu allen Krisenregionen der Welt aktiv. Zudem ist die EU einer der größten Geber von Entwicklungsgeldern zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Weitere intergouvernementale Behörden sind z.B. das World Food Programme (WFP) und der United Nations Children’s Fund (UNICEF).

      Neben staatlichen Institutionen und Organisationen entstanden zunehmend auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich für die Rechte und den Schutz von Geflüchteten einsetzen und oftmals staatlichen Institutionen kritisch gegenüberstehen. Diese spielen aufgrund ihrer wachsenden Einflussmöglichkeiten eine immer größere Rolle im internationalen Fluchtregime. Dazu gehören OXFAM, Terre des Hommes, Cap Anamur, Ärzte ohne Grenzen, CARE International sowie No Border Network, Human Rights Watch, das International Rescue Committee (IRC) und weitere international agierende NGOs. Aufgrund ihrer schlanken Strukturen und relativ kurzen Entscheidungswege sind NGOs häufig flexibler und damit zu schnellerer Hilfe in der Lage als staatliche Stellen (Neumayer 2016). Es wird daher von vielen Seiten gefordert. NGOs einen größeren Stellenwert im internationalen Fluchtregime zu geben (Loescher 2001; Keely 2001; Castles und Miller 2009; Kosher 2012) (zum Regimebegriff auch → 2 Migrationstheorien).

      3.3 Aufnahmeländer

      Mit

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