Internationale Migrationspolitik. Stefan Rother

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Internationale Migrationspolitik - Stefan Rother

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Australiens mit Booten ankamen, wurde im Rahmen der sog. „Operation Sovereign Borders“ angewiesen, die Boote direkt auf hoher See abzufangen und die Geflüchteten in ein Auffanglager auf der Pazifikinsel Nauru außerhalb Australiens unterzubringen. Aus den Lagern wird seit Jahren von menschenunwürdigen Zuständen berichtet (Amnesty International 2017). Begleitet wird diese völkerrechtwidrige Abwehr von Geflüchteten durch eine aggressive politische Rhetorik, die versucht, unerwünschte Einwanderer von Australien fernzuhalten. „You will not make Australia home“, lautete ein Slogan dieser Kampagne.

      Nicht ganz so drastisch sind die Veränderungen in den USA. Aber auch das größte Einwanderungsland der Welt wurde immer abweisender und wurde in den letzten Jahrzehnten von einem Hauptaufnahmeland von Geflüchteten (UNHCR 2000) zu einem weltweit eher unbedeutenden. Diese Entwicklung startete mit dem Ende des Kalten Krieges und verschärfte sich nach den Terroranschlägen von 9/11 (Castles und Miller 2009, S.193). Unter Präsident Trump wurden die Aufnahmemöglichkeiten weiter verringert und die Grenzsysteme ausgebaut, begleitet von einer aggressiven Rhetorik.

      Auch die Europäische Union hat in den letzten Jahren eine Verschärfung ihrer Asylpolitik erfahren (zur Asylpolitik der EU im Einzelnen → 12 Migrationspolitik der Europäischen Union). Ein besonders kritischer Punkt ist hier der Umgang mit der Seenotrettung von Flüchtenden auf dem Mittelmeer. Denn Fluchtrouten führen Migrant*innen nicht nur über Landesgrenzen, sondern auch über Wassergrenzen. Das Mittelmeer gilt dabei als weltweit gefährlichste Grenze der Welt. Hier kamen zwischen 2000 und 2017 mehr als 34.000 Menschen bei dem Versuch ums Leben, mit Booten nach Italien, Griechenland, Spanien oder Malta zu gelangen (IOM 2017, S.13; UNHCR 2020).

      In Not geratene Menschen zu retten, ist eigentlich Aufgabe der angrenzenden Küstenstaaten und seit 2004 von FRONTEX, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache. Die allgemeine Pflicht zur Seenotrettung ist in Art. 98 Abs. 1 des UN-Seerechtsübereinkommens (UNCLOS) festgelegt und verpflichtet alle Kapitän*innen privater und staatlicher Schiffe, dazu, Personen in Seenot so schnell wie möglich zu Hilfe zu kommen, insofern keine ernste Gefahr für das eigene Schiff besteht. Weitere Einzelheiten zur Seenotrettung sind im SAR-Übereinkommen und der UN-Konvention zur Schiffssicherheit (SOLAS) verankert (Weinzierl und Lisson 2007, S.37). In den letzten Jahren häufen sich jedoch Fälle, in denen Hilfeleistungen unterlassen wurden oder Schiffe mit geretteten Geflüchteten an Bord in Europa nicht anlegen durften, wie der sogenannte ‚Thunfisch-Fall‘: Im Jahr 2007 hatten sich 27 Geflüchtete auf einen Käfig zur Thunfischzucht etwa 60 Seemeilen vor der Küste Libyens gerettet, das maltesische Schlepperschiff weigerte sich jedoch, diese an Bord zu nehmen. Nachdem sowohl Malta als auch Libyen die Aufnahme verweigert hatten, wurden die Menschen schließlich nach mehrtägigem Ausharren durch die italienische Marine gerettet. Der ‚Thunfisch-Fall‘ zeigt eindrücklich die schwierige Lage von Fischern, die bei der Aufnahme von schiffbrüchigen Migrant*innen womöglich finanzielle oder rechtliche Konsequenzen fürchten müssen. Auch medial hat das Thema (erstmals) große Aufmerksamkeit erregt, eine Sprecherin des UNHCR verglich die Fluchtsituation im Mittelmeer sogar mit der Rechtlosigkeit im ‚Wilden Westen‘ (Klepp 2011, S.234ff.).

      Während das internationale Seerecht nur wenig Spielraum in Bezug auf den Rettungsakt selbst lässt, wird die Frage, wohin die Geretteten gebracht werden sollen, kontrovers diskutiert – und gehandhabt. Das SAR-Übereinkommen definiert zwar einen ‚sicheren Ort‘, der bei Geflüchteten jedoch nicht unbedingt dem nächstgelegenen Hafen entsprechen muss. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat dazu 2012 in einem wegweisenden Urteil Kriterien für die zukünftige Seenotrettung von Geflüchteten definiert. Im Fall Hirsi Jamaa u.a. gegen Italien wurden eritreische und somalische Geflüchtete aus Seenot gerettet und vom italienischen Grenzschutz ohne individuelle Verfahren direkt nach Libyen gebracht. Diese ‚Push-Back-Operation‘ war in Italien bereits seit mehreren Jahren gängige Praxis, wurde aber vom EGMR unter Verweis auf das Non-Refoulement-Gebot (GFK) und das Verbot der Kollektivausweisung (Zusatzprotokoll 4, Art. 4 EMRK) für rechtswidrig erklärt (Pichl und Tohidipur 2019, S.181ff.; Alberts und Flor 2016, S.58).

      Der italienische Staat gründete daraufhin 2013 die Mission ‚Mare Nostrum‘, die innerhalb eines Jahres über 150.000 Menschen aus Seenot rettete, jedoch von einer auf den Grenzschutz fokussierten FRONTEX-Mission (Triton) abgelöst wurde. Auch NGOs, wie z.B. Sea Watch, traten in den folgenden Jahren vermehrt für die Seenotrettung von Geflüchteten ein, wurden aber ab 2017 massiv in ihrer Rettungsarbeit behindert. Zivilgesellschaftliches Engagement wurde so größtenteils unterbunden und politisch delegitimiert, während gleichzeitig eine, durch die deutsche Regierung initiierte, Zusammenarbeit mit der lybischen Küstenwache stattfindet. Diese wird mit Blick auf menschenunwürdige Zustände in dortigen Lagern jedoch öffentlich stark kritisiert. Insofern ist die Seenotrettung auf dem Mittelmeer stark durch politische Interessen geprägt und hängt eng mit der Asylpolitik der EU zusammen (Pichl und Tohidipur 2019, S.183-186).

      Die Situation im Mittelmeer stellt keinen Einzelfall dar, wie wir am Beispiel Australiens gesehen haben. Hier haben die geschilderten restriktive Maßnahmen zum Grenzschutz dazu geführt, dass die Anzahl der Boote, die Australien ansteuern, erheblich gesenkt wurde. Laut einer vergleichenden Studie von Ghezelbash und anderen ist die Abwehr von schiffbrüchigen Booten von einem ‚Schleier des Schweigens‘ umgeben, der auch für den Grenzschutz in Europa gelte (Ghezelbash et al. 2018, S.8f., 38)

      3.5 Lösungsansätze

      Einer der führenden Fluchtforscher*innen Aristide Zolberg sagte zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in Bezug auf Fluchtkrisen „there are solutions, but no quick fix“ (Zolberg und Benda 2001, S.13). Daher müssten immer langfristige Lösungen für den Verbleib von Geflüchteten gefunden werden. In der wissenschaftlichen Diskussion werden dabei vor allem drei ‚dauerhafte Lösungen‘ (durable solutions) diskutiert (Kosher 2012): Die beste Lösung stellt dabei immer die freiwillige Rückkehr der Geflüchteten in ihr Heimatland dar, nachdem der Konflikt vorüber ist und die Geflüchteten nicht mehr um ihr Leben fürchten müssen („voluntary repatriation“); die zweite Möglichkeit ist der dauerhafte Verbleib der Geflüchteten im Aufnahmeland und deren Integration in den nationalen Arbeits- und Wohnungsmarkt; drittens ist eine dauerhafte Umsiedlung in ein sicheres Drittland möglich (Resettlement). Diese Alternative wird vor allem in den klassischen Einwanderungsländern USA, Kanada und Australien favorisiert. Wir wollen im Folgenden diese drei Optionen kurz beleuchten, inwieweit sie realistisch sind und ob sie den Bedürfnissen der Geflüchteten Rechnung tragen.

      3.5.1 Rückkehr

      Ist die freiwillige Rückkehr bei Arbeitsmigrant*innen noch relativ problemlos und teilweise auch mit finanziellen Anreizen verbunden, so sieht die Situation bei Geflüchteten zumeist anders aus. So erfolgt eine freiwillige Rückkehr von Geflüchteten in der Realität in einem sehr geringen Maße. Im Jahr 2015 haben z.B. weltweit nur 0,9 Prozent der über 21 Millionen Geflüchteten die Rückkehrmigration in Anspruch genommen (Gerken et al. 2017). Die Rückkehr, ob sie nun organisiert oder spontan erfolgt, darf bei anerkannten Geflüchteten nicht erzwungen werden (Prinzip des Non-Refoulement). Die Repatriierung wird in Ländern, die noch schwelende Konflikte haben, jedoch häufig nicht durch flankierende Programme unterstützt, was die Existenz von Reintegrationsprogrammen der Aufnahmeländer umso wichtiger werden lässt (z.B. ERIN für sechs EU-Länder und Großbritannien). In Ermangelung dieser Programme bleibt vielen Rückkehrmigrant*innen jedoch nichts anderes übrig, als spontan und selbstorganisiert, also ohne institutionelle oder staatliche Unterstützung, zurückzukehren (ebd.).

      Abbildung 21:

      Länder mit den meisten zurückkehrenden Geflüchteten im Rahmen von UNHCR-Programmen 2010-2019

       Quelle: UNHCR 2020.

       Abschiebung

      Von

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