Grundlagen der globalen Kommunikation. Kai Hafez

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Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez

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als Kontinent von Armut und Konflikten, sondern durchaus auch als Sphäre ökonomischer Erfolge und vielfältiger Lebenswelten präsentiert (Seib 2012, Robertson 2015). Im Bereich des Framing ist sich jedoch die Literatur weitgehend einig, dass globale Sender in hohem Maße die national gefärbte Sicht ihrer jeweiligen Heimatstaaten reflektieren. Dies gilt auch für viel gelobte Medien wie BBC World, einen Sender, der trotz seines interdiskursiven („dialogischen“) Anspruchs eine britisch konnotierte Themensetzung, Machtrhetorik und ein tradiertes Vertrauen in westliche Institutionen nicht verleugnen kann (Dencik 2012, S.39f., 56ff., Baumann et al. 2011, Atad 2016).

      Dennoch sind einige Aspekte der transnationalen Sender bemerkenswert. Die thematische Übereinstimmung in ihren Agenden scheint der Minimaldefinition der Weltöffentlichkeit als einer global geteilten Agenda zu entsprechen, auch wenn, wie gesagt, die typischen Vermachtungstendenzen dieser von Großmächten betriebenen Transnationalisierung bei Themen und Frames auffallen. Die nationalen Deutungen zirkulieren zudem in internationalen Kommunikationsflüssen und es entsteht zwar kein kosmopolitischer interner, aber ein global verfügbarer externer Pluralismus dort, wo diese Medien parallel genutzt werden (el-Nawawy/Iskandar 2003, S.54). Schließlich werden gerade bei den positiveren Themendeutungen erste Anpassungen von Massenmedien an transnationale Publika und Märkte erkennbar. Zwischen den nationalen Produktions- und den globalen Rezeptionskontexten entsteht insofern ein hybrides Spannungsfeld. Durch globale Medien bilden sich in nationalen Mediensystemen also transnationale Teilstrukturen aus. Die begrenzt global erweiterten Arenen sind vor allem für Informationseliten von Belang, die oft mehrere globale Medien rezipieren und daher eine leicht verbesserte thematische Koorientierung erleben. Eine integrierte Weltöffentlichkeit, in der Medien unabhängig vom Nationalstaat quasi als „Vereinte Medien“ nationale Diskurse global synchronisieren, ist dies sicher noch nicht, ebenso wenig wie klar ist, ob der externe Pluralismus der globalen Leitmedien, der, wie die Frontstellung von CNN und Al-Jazeera 2001 und 2003 erwiesen hat, sehr konflikthaft verlaufen kann, die internationalen Beziehungen stabilisiert oder nicht.

      Fazit: Unvollendete Synchronisation globaler Mediendiskurse

      In der Gesamtschau scheinen die strukturellen Prägungen der Massenmedien den globalen Diskurs der Medien in hohem Maße zu determinieren. Fragmentarisch und unzuverlässig vernetzt durch egozentrische Mediensysteme und einige zentral gesteuerte Nachrichtenflüsse und transnationale Medien ist die Synchronisation durch konvergente Diskurse thematisch und inhaltlich in Ansätzen erkennbar, besticht aber vor allem durch vielfältige Formen der lokalen Domestizierung. Weltnachrichtenagenturen und transnationale Meinungsführermedien setzen zentrale Themen ohne interdiskursive Qualitätsgarantie. Von einem integrierten globalen Mediensystem oder zumindest einer responsiven Weltöffentlichkeit, in der die nationalen Mediensysteme globale Themen und Frames zuverlässig auf der Basis einer dezidiert globalen Journalismusethik aus den lokalen Diskursen herausdestillieren, sind wir gerade unter Bedingungen internationaler Krisen noch weit entfernt. Es bleibt die Frage, wie dieses Verhältnis anschließend theoretisch zu bewerten ist und welche Alternativen sich auftun.

      2.2.2 Öffentlichkeitstheorie

      Theoretische Perspektiven auf die „Weltöffentlichkeit“

      Die Diskurspraxis der globalen Massenkommunikation, wie wir sie bisher skizziert haben, lässt sich nicht nur aus diskursanalytischer, sondern auch aus medientheoretischer Sicht beurteilen. Die deliberative Öffentlichkeitstheorie, die vor allem auf Jürgen Habermas (1990, 1992, 1995) zurückgeht, aber auch zahlreiche andere Autoren inspiriert hat, stellt vergleichsweise hohe Anforderungen an den Diskurs. Öffentlichkeit besitzt demnach eine zentrale Legitimierungsfunktion für die Demokratie (Beierwaltes 2002). Sie muss zudem „ubiquitär“ sein, also Fragen allgemeiner Relevanz behandeln, „reziprok“, das heißt Hörer- und Sprecherpositionen simulieren, möglichst „offen“ gegenüber verschiedenen Themen und „diskursiv“ im Sinne der Berücksichtigung rationaler Einwände (Peters 1994, S.45ff.). Hinzu kommt der Aspekt der Konsensbildung zur Problemlösung und gesellschaftlichen Integration, der allerdings in der agonistischen Öffentlichkeitstheorie bestritten wird, da eine Einigung oft schwer zu erzielen ist und Integration durch den Diskurs an sich erfolgt (Mouffe 2005, S.69ff.). Die Kriterien beschreiben im Detail das, was wir bislang mit „Responsivität“ und „Interdiskursivität“ bezeichnet haben. Im globalen Raum geht es also um die grenzüberschreitende Reflexion anderer Positionen aus anderen Ländern. Die Kernfrage aus Sicht der Öffentlichkeitstheorie besteht somit darin, ob nationale Mediensysteme und wenige transnationale Medien trotz schwacher Systeminterdependenz ihre Systemumwelten – die Öffentlichkeiten anderer Länder – adäquat repräsentieren können.

      Interessant ist hier, dass die meisten Empiriker der Konvergenz (vgl. Kap. 2.2.1), egal ob sie eher Pessimisten oder Optimisten sind, im Kern dieselben öffentlichkeitstheoretischen und normativen Konvergenzziele verfolgen, auch wenn sie die Umsetzung in der Gegenwart unterschiedlich bilanzieren. Auch Diskurspessimisten wollen also Konvergenz, sehen aber Domestizierung als vorherrschend an, da sowohl Thematisierung und Framing als auch visuelle Gestaltung stark lokal gefärbt sind. Eine funktionierende Weltöffentlichkeit kann bei einer derartig eingeschränkten Synchronisation auf diese Weise nicht entstehen (Sparks 1998, 2000, Couldry 2014).

      Nancy Fraser hat darauf hingewiesen, dass das Konzept Öffentlichkeit für den globalen Raum insofern neu durchdacht werden muss, als zum Beispiel gar nicht unmittelbar klar ist, in welcher Sprache der Diskurs geführt werden soll und wer die relevanten Akteure (Staaten, Gegeneliten) und Publika sein sollen (Fraser 2014, S.27). Weltöffentlichkeit kann entweder durch die Synchronisierung nationaler Öffentlichkeiten in national getrennten Mediensystemen oder durch die Etablierung eines transnationalen Mediensystems geleistet werden (Ulrich 2016, S.111ff.). Beide Modelle haben Vor- und Nachteile, da ein transnationales Mediensystem sich die Filterung durch nationale Systeme ersparen würde, nationale Systeme aber auch als nationale „Übersetzungshilfen“ und Kontextualisierungen für internationale Probleme fungieren können. Die meisten Theoretiker neigen daher zum pragmatischen Verfahren der Synchronisierung durch nationale Systeme, das aber bislang in hohem Maße an der Interdiskursivität gescheitert zu sein scheint. Die Herausbildung eines „Konsenses“ in der Weltöffentlichkeit ist zudem im nationalen Modell technisch kaum möglich, so dass Transnationalismus zumindest als zweite Säule der Weltöffentlichkeit erhalten bleiben muss.

      Aus der Perspektive einer anderen Theorie, nämlich der Systemtheorie, ist die deliberative Öffentlichkeitstheorie, egal ob optimistisch oder pessimistisch beurteilt, ohnehin nichts als ein Ausdruck des „Hyperglobalismus“ (Werron 2010, vgl. Kap. 2.2.1). Aus Sicht der Systemtheorie in der Tradition Niklas Luhmanns erscheint es nicht so wichtig, wie sich Nationen durch Mediendiskurse verbinden und ob sie sich synchronisieren, sondern dass sie sich verbinden, denn jede Form der Konnektivität birgt die Chance auf gesellschaftliche Anschlusskommunikation (Luhmann 1970, Axford 2012, S.38, 45). In der Systemtheorie geht es primär um eine Reduktion von Umweltkomplexität, die Themenstrukturierungsleistung der Medien an sich ist wichtiger als ein bestimmter partizipativer und demokratischer Modus (Böckelmann 1975). Bei Luhmann ist daher auch „Weltgesellschaft“ vergleichsweise offen definiert, sie entsteht durch beliebige grenzüberschreitende Kommunikation und hat keinerlei Verwandtschaft mit dem Konstrukt der globalen Zivilgesellschaft (global civil society) (vgl. Kap. 5). In der Systemtheorie ist weder Qualität des Journalismus noch die Frage, ob Information oder Unterhaltung vermittelt wird, von Belang. Vielmehr steht eine postmoderne Ansammlung disperser Individualmeinungen im Vordergrund. Aus dieser Sicht gibt es am derzeitigen Zustand des globalen Mediendiskurses nichts auszusetzen. Fragmentarische Themenhaushalte und Frames, verbale und visuelle Stereotype oder auch defizitäre Sprecherreferenzialität sind in dieser Wissenschaftsschule samt und sonders legitime Weltbildkonstruktionen der Postmoderne.

      Die Rolle der Weltöffentlichkeit für die Weltgesellschaft

      Allerdings werden die Grenzen dieser Sichtweise deutlich, wenn man versteht, dass mit ihr auch Kriegspropaganda und rassistische Aufladungen in Massenmedien gerechtfertigt werden

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