Grundlagen der globalen Kommunikation. Kai Hafez

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Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez

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zu stark einschränken, Brüssel oder Straßburg aber kaum etwas dagegen unternehmen.

      Globale Medienpolitik bleibt also, abgesehen von einigen kapitalistischen und technischen Rahmenbedingungen der Medien, gerade im Kern der Medienfreiheits- und Konzentrationspolitik weitgehend in den Händen des Nationalstaates (Hafez 2005, S.189ff.). Dies führt in der „Ära der Globalisierung“ ironischerweise immer mehr dazu, dass Meinungs- und Medienfreiheit weltweit durch autoritäre Regimes und autoritäre Tendenzen auch innerhalb von Demokratien bedroht werden (Freedom House 2019). Die Synchronisation einer grenzüberschreitenden Weltöffentlichkeit wird strukturell durch die Hegemonie nationaler Medienpolitik gefährdet (Heft/Pfetsch 2012, S.158f.). Medienfreiheit bleibt daher letztlich ein Privileg vielsprachiger Informationseliten, die sich im Fall der Bedrohung der inneren Medienfreiheit durch Auslandsmedien informieren, wobei sich der Nationalstaat auch hier durch Internetzensur oder die Störung ausländischer Satellitenmedien Geltung verschaffen kann.

      In der jüngeren Forschung findet angesichts der Beharrlichkeit des Nationalstaates ein Umdenken statt. Die bis dato verbreitete Kritik am „methodischen Essenzialismus“ (Couldry/Hepp 2009, Kleinsteuber 1994) einer auf den Nationalstaat fokussierten vergleichenden Mediensystemforschung wird nun ihrerseits als zu globalisierungsoptimistisch in Frage gestellt (Flew et al. 2016, S.5). Natürlich kann man einwenden, dass staatliche Medienregulierung nur begrenzt effektiv ist. Gerade im Bereich des Internets haben Unternehmen wie Google und Facebook immer wieder Kritik von nationalen Regierungen ignoriert, was für eine Vorherrschaft globaler Internetkonzerne zu sprechen scheint (Iosifidis 2016, S.23). Im Ernstfall aber, das hat das Beispiel der Türkei unter Präsident Erdogan gezeigt, als dieser YouTube und Facebook abschaltete, sitzt der Staat am längeren Hebel und kann sich durchsetzen. Die Gegenkritik am „methodischen Globalismus“ eines Teils der Kommunikationswissenschaft (Waisbord 2014, S.30) stützt sich auf diese ultimative Souveränität des Nationalstaats in Medienfragen. Dass der Staat mit globalen Herausforderungen im Medienbereich zu kämpfen und auch regulatorische Zugeständnisse gemacht hat, heißt nicht, dass die transnationalen Medienstrukturen das nationale Mediensystem und seine Kontrolle der internationalen Kommunikationsflüsse letztlich beseitigt haben.

      Umweltsystem Ökonomie: Grenzen der Transnationalisierung

      Globale Teilstrukturen lassen sich auch im Feld der Medienökonomie erkennen. Vor allem amerikanische Medienkonzerne (z.B. Walt Disney, News Corporation, Netflix, Thomson Reuters), aber auch französische (z.B. Vivendi) und deutsche (z.B. Bertelsmann) Global Players, sind aktive Exporteure von Unterhaltungskultur und tätigen Direktinvestitionen in vielen Mediensystemen dieser Welt. Hinzu kommen in den letzten Jahren oft rasant wachsende Firmen im Bereich der Telekommunikation, des Internets und der Informations- und Kommunikationstechnologie aus den USA (z.B. AT&T, Google, Facebook, Amazon) und China (z.B. Tencent, Baidu). Rechnet man die ohnehin starke Stellung am Weltnachrichtenmarkt durch die großen westlichen Nachrichtenagenturen wie Reuters, AFP, AP sowie die begrenzten, aber immerhin sichtbaren Reichweiten westlicher Sender wie CNN hinzu, dominieren Großmächte den globalen Medienmarkt. Bei Suchmaschinen als nicht-klassischen Massenmedien landen mehr als 60Prozent aller Anfragen bei Google, die zusammen mit Yahoo, Baidu und Microsoft 80Prozent Marktanteil besitzen (Winseck 2011, S.36f.). Insbesondere links-kritische Medienwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen haben solche Zahlen immer wieder zum Anlass genommen, vor einem westlichen Medienimperialismus unter dem Deckmantel von Globalisierungspolitik zu warnen (Herman/McChesney 1997, McPhail 2010, Artz/Kamalipour 2003).

      Gegen die These der westlichen globalen Mediendominanz haben revisionistische Wissenschaftler eingewendet, dass die großen Weltkonzerne trotz ihres Einflusses in einzelnen Bereichen weit davon entfernt sind, ganze Medienmärkte zu beherrschen. Die Transnationalisierung des Medienkapitals kennt klare Grenzen und in den national geprägten Mediensystemen dieser Welt dominiert nach wie vor nationales (und zum Teil regionales) Medienkapital (Flew 2007, 2009, 2011, Hafez 2005, Compaine 2002, Rugman 2002), was im Übrigen sogar die Vertreter der westlichen Dominanzthese gelegentlich einräumen (Herman/McChesney 1997, S.9). Statt eines homogenen globalen Medienmarktes existiert heute ein Flickenteppich nationaler und regionaler Märkte, in die transnationale Teilstrukturen und Handelsbeziehungen eingebettet sind. Terry Flew spricht hier von einer „statistischen Illusion“ (2007, S.82), da die imposanten internationalen Gewinne mit noch größeren lokalen Gewinnen an den Stammsitzen der Konzerne (also vor allem in den USA und Europa) verglichen werden müssten. Medienkonzerne sind demnach weitaus weniger global als Unternehmen in anderen Branchen, weswegen die Branche eher ein „Nachzügler“ (laggard) als ein Vorreiter der Globalisierung ist (Flew 2007, S.87, 208, vgl. a. Hafez 2005, S.212).

      Das zweite analytische Versäumnis besteht darin, dass der betriebswirtschaftliche Blick auf einzelne Mediengiganten noch nichts über volkswirtschaftliche Marktanteile aussagt. Letzteres ist aber entscheidend, um den realen Einfluss der Global Players zu messen, die den lokalen „Provinzfürsten“ des Medienkapitals in Wahrheit in den meisten Ländern unterlegen sind (Hafez 2005, S.213ff., vgl. a. Birkinbine et al. 2017, S.109ff.). Vieles spricht sogar dafür, dass trotz steigender ausländischer Direktinvestitionen auf Grund der rapide gewachsenen lokalen Medienmärkte US-Konzerne heute weniger einflussreich sind als am Ende des 20.Jahrhunderts: gerade im Presse-, Fernseh- und Nachrichtenbereich dominiert in aller Regel das „territorialisierte Kapital“ (territorialized capital) (Christophers 2014, S.369). Große indische Konzerne wie Doordashan haben auf globale Konkurrenz (z.B. Rupert Murdochs Sky TV) mit einer Ausweitung ihres regionalen Angebotes reagiert; Ähnliches ereignete sich in Hongkong, Malaysia und in Lateinamerika; Staaten wie China und Indonesien quotieren internationale Programmimporte (McMillin 2007, S.105ff.). In arabischen Ländern besitzen ausländische Medienkonzerne schon aus politischen Gründen eher stilles Medienkapital, keine Anteilsmehrheiten und sind daher weder inhaltlich noch politisch entscheidend (Sakr 2001, S.97). Selbst der globale Fernsehformathandel besteht aus Kooperationen von transnationalen Unternehmen mit lokalen Partnern (Grüne 2016). Insgesamt gesehen stößt die technisch mögliche Globalisierung in ökonomischer Hinsicht eindeutig an lokale Marktgrenzen.

      Nicht ganz zu Unrecht ist gegen die Revisionisten eingewendet worden, dass nicht nur die Produzenten von Medieninhalten in die Rechnung einbezogen werden dürfen, sondern auch das Medieninfrastrukturkapital (Fuchs 2010). In der Tat sind im 21.Jahrhundert die internationalen Gewinne von Internet-, Telekommunikations- und Hardware-Giganten erheblich gewachsen und ihr Transnationalisierungsgrad – also der Anteil der internationalen Märkte an ihren Umsätzen – ist höher als der klassischer Medienkonzerne (Winseck 2011, S.6f.). Für Dell Inc. arbeiten mehr als hunderttausend Mitarbeiter weltweit (Gershon 2019, S.39). Die Bildagentur Getty Images macht immerhin etwa 40Prozent Umsatz außerhalb der USA und hat Kunden in mehr als fünfzig Ländern (Machin/van Leeuwen 2007, S.150ff.). Allerdings zeigt sich hier eine techno-funktionale Form der Kapitalglobalisierung: Ausländische Produkte und Dienstleistungen werden überall dort eingesetzt, wo sie nicht selbst produziert werden können oder wo Informationsbausteine – wie Fotos – gebraucht werden. Redaktionelle Angebote und Programme aber, vor allem im Informationssektor, kommen aus den Ländern selbst. Bei politisch wie kulturell komplexen Medienprodukten erweisen sich ausländische Produkte und Direktinvestitionen eher als Lückenfüller auf lokalen Märkten, als Ergänzung und Erweiterung, nicht aber als Ersatz für nationale Produkte.

      Nicht-klassische Massenmedien: erweiterte Hypermedialität

      Vor allem im Internet sind neue Angebotsformen entstanden, die man als Massenmedien bezeichnen kann. Das Internet verschafft nicht nur den etablierten Medien von Presse, Radio und Fernsehen neue technische Reichweiten. Es generiert auch so unterschiedlichen Medien wie Suchmaschinennachrichten, Sozialen Medien (wie Twitter), Weblogs, Podcasts und alternativen Nachrichtenportalen (wie WikiNews) eine neue Basis. Nicht jede Form der digitalen Kommunikation lässt sich als „massenmedial“ charakterisieren, vieles ist interpersonal oder gemeinschaftsorientiert (vgl. Kap. 6). Kommunikate allerdings, die öffentlich zugänglich sind und periodisch erscheinen, so dass sie journalistischen Angeboten ähneln, lassen sich als nicht-klassische Massenmedien einstufen.

      Inwieweit sich

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