Grundlagen der globalen Kommunikation. Kai Hafez

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Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez

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RT, BBC World Service) und die ihren politischen Auftrag als Teil der Public Diplomacy ihrer Heimatländer nicht leugnen können. Ein globales Mediensystem, das nicht in der einen oder anderen Weise an bestimmte Nationalstaaten gebunden wäre, bleibt auch im 21.Jahrhundert weitgehend eine Utopie (Hafez 2005, S.25).

      Um den Grundaufbau globaler Massenkommunikation zu verstehen, ist es daher sinnvoll, drei verschiedene Dimensionen zu unterscheiden (Abbildung 2.1). Globale Massenkommunikation ist kein geschlossenes globales System, sondern es besteht aus:

       nationalen Mediensystemen (v.a. Auslandsberichterstattung),

       die sich internationaler Kommunikationsflüsse bedienen (z.B. durch Nachrichtenagenturen, Auslandskorrespondenten, Im-/Exporte) und

       die durch einzelne transnationale Medienstrukturen (globale Ethiken, gemeinsame Produktionen, grenzüberschreitende Rezeptionen und Regulationen) ergänzt werden.

      Globale Kommunikationsflüsse bilden kein globales Mediensystem aus, sondern die lokalen/nationalen Systeme bleiben intakt, sind aber globalen Einflüssen ausgesetzt und bilden zusätzlich transnationale Netzwerkstrukturen aus.

      Abb. 2.1:

      Dimensionen der globalen Massenkommunikation

      Als Leitsatz lässt sich formulieren, dass die nationalstaatliche Systemprägung der Massenmedien und des Journalismus auf allen Ebenen noch immer stärker ist als die globale (Hafez 2002a, Bd.1, S.134ff.). Es dominieren in aller Regel nationale Ethiken und Sozialisationen des Journalismus (Mikroebene), nationale Organisationsformen und Besitzverhältnisse (Mesoebene) und nationale Publika und Umwelteinflüsse (Makroebene). Die Globalisierung ist im Bereich der Massenmedien zumeist strukturschwach geblieben und von einem grenzüberschreitenden Zusammenwachsen der Mediensysteme kann generell nicht die Rede sein.

      Zugleich können sowohl die internationalen Kommunikationsflüsse als auch die transnationalen Teilstrukturen durchaus dynamisch sein. Ob sich national geprägte Systeme oder global beeinflusste Prozesse stärker auf den Mediendiskurs auswirken, ist nach unserem theoretischen Grundmodell des System-Lebenswelt-Netzwerk-Ansatzes nicht ohne empirische Prüfung nachweisbar. Zudem ist es zwar unwahrscheinlich, dass der Primat nationaler Mediensysteme beendet wird, bevor sich der Nationalstaat weltweit auflöst, was derzeit nicht zu erwarten ist. Dennoch ist selbst ein Systemwandel im Feld der Massenmedien in der Zukunft nicht ausgeschlossen.

      Erste Anzeichen hierfür zeigten sich in der Debatte über die „Neue Weltinformationsordnung“ an der Wende zu den 1980er Jahren. Hier wurde der dominante Informationsdruck beklagt, den vor allem die großen westlichen Nachrichtenagenturen sowie die Musik- und Filmindustrien auf den Rest der Welt ausüben (Many Voices – One World 1980). Zwischen diesem vor allem durch die Supermacht USA geprägten Einfluss und den „subalternen Gegenflüssen“ (Contra Flows) durch die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas besteht bis heute ein erhebliches Gefälle (Thussu 2010, S.222f., 234). Angesichts der ungleichen kulturellen Machtverhältnisse von einer „multi-zentrierten“ (multi-centered) Globalisierung zu sprechen (Butsch 2019, S.214ff.), scheint daher verfrüht. Die starke weltweite Präsenz vor allem westlicher Kommunikate ist kein Widerspruch zur Nichtexistenz eines globalen Mediensystems, sondern verweist auf die möglicherweise zunehmende Wirkung internationaler Systemumwelten, die zwar nicht als organisierte Umweltsysteme mit formaler politischer und rechtlicher Regulationsmacht in Erscheinung treten (siehe unten), aber die Informationsumwelt nationaler Mediensysteme prägen. Die noch immer vorhandene Dominanz nationaler Systeme, aber auch die internationalen Kommunikationsflüsse und transnationalen Teilstrukturen der globalen Massenkommunikation sollen im Fortgang des Kapitels auf allen Ebenen – von der Professionsethik, der medialen Produktion und Rezeption bis zu politischen und wirtschaftlichen Umweltfaktoren der Mediensysteme – erörtert werden.

      (Trans-)Nationale Medienethik und Professionalismus

      Professioneller Journalismus lässt sich durch Wertebezüge von Journalisten, Medien und journalistischen Standesvertretern (wie Presseräten) beschreiben, die das Medienhandeln beeinflussen. Diese Werte sind sowohl in der formalen Ethik (Ethikkodizes) wie auch in informellen Praktiken der Medienschaffenden nachweisbar. Vergleichende Länderstudien lassen Ähnlichkeiten wie auch Unterschiede zwischen nationalen und regionalen journalistischen Ethiken erkennen (u.a. Hanitzsch 2006, d’Haenens et al. 2014, Löffelholz/Weaver 2008, Hafez 2002b, 2003b). Ganz generell sind starke Übereinstimmungen formaler Ethik im Kernbereich der Objektivität und Wahrheitssuche und größere Unterschiede bei Freiheitsnormen sowie Individualitäts- und Gemeinschaftsbezügen des Journalismus feststellbar (Christians/Traber 1997). Die Differenzen der Medienethiken in Mediensystemen sind allerdings fluide und dynamisch und professionelle Rollenmodelle können interkulturelle „Ansteckungswirkungen“ und Demonstrationseffekte erzeugen, die auch bei journalistischen Routinen wie Nachrichtenwerten oder in der journalistischen Gestaltungsästhetik zu beobachten sind (Machin/von Leeuwen 2007, S.8f., Sklair 1995, S.159f.). Der transnationale Fernsehsender Al-Jazeera ist auch deshalb als „arabisches CNN“ bezeichnet worden, weil er eine ähnliche Präsentationsweise wie sein westliches Pendant benutzte.

      Man darf die Harmonisierung von Professionsstandards allerdings nicht mit einer Harmonisierung von Inhalten verwechseln. Selbst bei identischen Objektivitätsstandards werden Themenselektion und -interpretation des Journalismus systemisch sehr unterschiedlich geprägt (vgl. Kap. 2.2.1). Gerade in Kriegs- und Krisenzeiten sind geradezu konträre Mediendiskurse keine Seltenheit und die Synchronisation der globalen Öffentlichkeit bleibt unterentwickelt. Nur eine Vorstellung wie die von Marshall McLuhan, wonach das Medium selbst die Botschaft ist (McLuhan 1964), kann die inhaltlichen Differenzen ausblenden und aus der transnationalen Konvergenz der journalistischen Profession eine Globalisierung von Massenkommunikation im „globalen Dorf“ ableiten (vgl. Kap. 1.1). Wie wenig eine solche Analyse allerdings trägt, wird daran deutlich, dass internationale Ethikkodizes bislang kaum existieren und nationale Werte wie Internationalismus oder Kosmopolitismus in nationalen Kodizes kaum erwähnt werden (Hafez 2008, S.160f.). Die Formulierung einer globalen, kosmopolitischen und/oder postkolonialen Medienethik bleibt also eine Zukunftsaufgabe (Ward/Wasserman 2010).

      (G)lokale Medienproduktion

      Es ist sinnvoll, zunächst einmal nationale und transnational ausgerichtete Massenmedien zu unterscheiden. Die durch nationale Medien produzierte Auslandsberichterstattung erzielt dabei größere Reichweiten als die transnationalen Medien. Nationale Auslandsberichterstattung steckt zwar weltweit in einer durch die Digitalisierung, Einnahmenrückgänge und Ressourcenknappheit entstandenen Krise, die sich vor allem in einem Abbau von Korrespondentenstellen bemerkbar gemacht hat (Lewis 2010). Dies ändert jedoch nichts an der prinzipiell starken Stellung der nationalen Auslandsberichterstattung. Transnational agierende Medien sind für die meisten Rezipienten eher Ergänzungen als ein Ersatz und der gesamte Marktanteil von Fernsehsendern wie CNN, Al-Jazeera English oder BBC World sowie für europäische Sender wie Euronews, Eurosports oder Fashion TV, um nur einige Beispiele zu nennen, kann auf maximal 10Prozent geschätzt werden (Chalaby 2009, S.118), dürfte jedoch tatsächlich noch niedriger liegen. Zwar sind transnationale Medien weltbekannt und verfügen als Leitmedien innerhalb des Journalismus und Referenzmedien von Informationseliten unter den Rezipienten (siehe unten) über einen gewissen meinungsführenden Einfluss (Samuel-Azran 2009), ihre Marktanteile sind aber oft sehr klein, was zur Folge hat, dass viele dieser Medien defizitär wirtschaften und von ihren Heimatstaaten subventioniert werden. Es wird zudem noch zu untersuchen sein, ob diese transnational agierenden Sender globale Diskurse besser repräsentieren können als nationale Massenmedien (Chalaby 2009, S.228, vgl. Kap. 2.2.1).

      Die starke Stellung nationaler Medien wird allerdings durch globale Kommunikationsflüsse und neue transnationale Strukturen relativiert. Der nationale Nachrichtenjournalismus wird seit einiger Zeit durch verschiedene Projekte

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