Grundlagen der globalen Kommunikation. Kai Hafez

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez страница 14

Автор:
Серия:
Издательство:
Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez

Скачать книгу

sich Menschen meist in Gruppenkontexten wieder.

      Diese unterschiedlichen Gruppen und Gemeinschaften sind wiederum der lebensweltliche Horizont geteilter Erfahrungen und Wissenssysteme. Das individuelle Wissen muss also für die soziale Integration in Transaktionsleistungen immer wieder an diese Gruppenkontexte rückgebunden werden und bedarf somit einer diskursiven Anschlussfähigkeit. Individuelle Lebenswelten stehen also immer in Zusammenhang mit milieuspezifischen „kleinen Lebenswelten“, wie sie Benita Luckmann beschrieben hat (1970). Dieses Verhältnis kann wiederum helfen, Prozesse der Reproduktion oder Irritation von gesellschaftlich verhärteten Fehldeutungen, Stereotypen oder Ignoranz gegenüber globalen „Anderen“ und deren Lebenswelten zu verstehen. Daher werden uns insbesondere Fragen nach der Veränderungsdynamik des akteursspezifischen Alltagswissens wie auch nach den Voraussetzungen zur Herausbildung echter globaler Gemeinschaft unter den Bedingungen globalen Kontakts in den folgenden Kapiteln des Buches weiter beschäftigen.

      Mobilität, erweiterter Interaktionsraum und das Rollenproblem

      Bisher deuten Daten aus dem Bereich des Tourismus, der transnationalen Vergemeinschaftung oder der Nutzung Sozialer Medien darauf hin, dass die Potenziale einer globalen Erweiterung der Kommunikationserfahrungen, also soziale Kommunikation über die Grenzen der alltäglichen Lebensrealität hinaus, zu großen Teilen noch ungenutzt bleiben (Zuckerman 2013, vgl. a. Mau 2007). Dies gilt sowohl für die physische wie auch die digitale Mobilität, was insofern interessant ist, als dass im Verhältnis von direkter und mediatisierter sozialer Kommunikation der Lebenswelt der indirekte globale Dialog durch die Tools der Sozialen Medien deutlich einfacher geworden ist. Aber die lokalen Grenzen von Sprach- und Diskursgemeinschaften scheinen sich vorerst in den digitalen Lebenswelten zu behaupten. Nur wenige individuelle Akteure verlagern ihre Interaktion mittelbar oder unmittelbar jenseits lokaler Grenzziehungen in einer Weise, in der sie sowohl an den Dialogen als auch den Diskursen anderer Lebenswelten teilhaben und damit wirklich grenzüberschreitend Wissenssysteme verhandeln und globale Gemeinschaft entwickeln.

      Das Wissen dieser „Kosmopoliten“ (Hannerz 1996, S.102ff.) kann wiederum nur in ausgewählten Kommunikationskontexten weitergegeben werden. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, auch für die kommunikativen Lebenswelten die theoretische Unterscheidung zwischen Formalität und Informalität einzubeziehen. Analog zu den formalen und informellen Kontexten der Organisationskommunikation finden wir auch in Lebenswelten beide Modi vertreten. Zwar scheint auf den ersten Blick die informelle Kommunikation in der Privatwelt zu dominieren, doch im Laufe der lebensweltlichen Kommunikation schlüpfen Individuen auch immer wieder in formalisierte Rollen, in denen sie Träger von Organisationszielen werden. Je nach Ausrichtung kann nun die globale Erfahrung entweder an formale (z.B. Außenmitarbeiter in global agierenden Unternehmen) oder informelle Rollen (Privatperson auf Reisen) gekoppelt sein, wobei im ersten Fall beide Rollenfunktionen zusammenfallen können. Die Weitergabe der globalen Erfahrung kann dann eher strategischer oder zufälliger Natur sein und die lokalen Lebensweltkontexte unterschiedlich stark beeindrucken oder gar nachhaltig verändern. Das Potenzial globaler Gemeinschaftsbildung ist damit in den grenzüberschreitenden Face-to-Face-Interaktionen von Individuen noch nicht automatisch begünstigt, sondern hängt auch von Kommunikationsstrukturen ab.

      Dazu zählt zudem das variierende Innen- und Außenverhältnis lebensweltlicher globaler Kommunikation. So ist es, wie eben angedeutet, vor allem die Binnenkommunikation der Kleingruppe, die mit über die Art und Weise der kollektiven Anschlussfähigkeit globaler Erfahrungen entscheidet, da die private soziale Rückverhandlung derselben zumeist dort vorgenommen wird. Kleingruppen haben aber wiederum keine verfasste strategische Außenkommunikation, wie wir sie von sozialen Bewegungen, Organisationen oder Großgemeinschaften kennen. Dass gerade Kleingruppen globales Wissen strategisch an größere Öffentlichkeiten nach außen kommunizieren, ist daher theoretisch problematisch. Im kulturellen „Transit“-Raum der Kleingruppe kann aber durchaus ein neuer alltäglicher Umgang mit Globalisierung durch deren Mitglieder verhandelt und umgesetzt werden. Während bei der Kleingruppe vor allem nicht-öffentliche direkte oder indirekte globale Kontaktszenarien dominieren, können Individuen auch als Einzelne in funktionalen (Teil-)Öffentlichkeiten global interagieren. Sie können dies zum Beispiel strategisch in Repräsentationsrollen von organisierten Systemen tun. Individuelle Akteure können theoretisch sowohl Diskurse mitgestalten (etwa, indem sie publizieren) oder direkte globale Dialoge mit anderen führen. Sie sind also viel mehr noch als die Kleingruppe der eigentliche Akteur der globalen lebensweltlichen Außenkommunikation.

      Soziale Medien und globaler Monolog/Dialog

      Schließlich ist noch auf die Text-Sprech-Differenz des kommunikativen Handelns in der Lebenswelt einzugehen. Auch hier scheint die Dominanz der Face-to-Face-Interaktion auf eine analoge Dominanz der Sprechakte hinzuweisen, die zugleich auch eine grundsätzlichere Unverbindlichkeit der kommunikativen Leistung der Lebenswelt impliziert – selbst Konventionen des Alltagshandelns folgen ja nicht fixierten Regeln wie etwa in der Diplomatiekommunikation, sondern tradierten, impliziten Institutionalisierungen. Globale Verhandlungen der Sozialsysteme führen im besten Fall zu fixierten globalen Abkommen, globale Dialoge der Lebenswelt aber zu globalem Wissen, globaler Erfahrung und Gefühlen globaler Solidarität, was sich nicht sofort sichtbar umsetzt und eine empirische Bilanzierung zweifelsohne erschwert.

      Dennoch lässt sich ein Anfangsverdacht einer Verschiebung hin zu Textualität der globalen Kommunikation formulieren. Denn wenn die Möglichkeiten globaler Interaktion der Sozialen Medien genutzt werden, dann müssen sich globale Alltagsdialoge zwangsläufig in digitale Texte verwandeln, was wiederum eine Rationalisierung der Lebensweltgespräche beeinflussen kann. Auch die Praktiken der Verarbeitung globaler Kontakterfahrungen produzieren materielle Texte: Über Fotos, Berichte und Blogs werden etwa globale Kontakterfahrung wieder in monologische Textsorten verwandelt und in Archive der Alltagserinnerung verschoben, was ebenso eine lebendige Verhandlung im lokalen Lebensweltalltag verhindern kann.

      Fazit: Weltgesellschaft, Weltgemeinschaft und globale Kommunikation als ein multiples Phänomen

      Insgesamt ist es an der Zeit, globale Kommunikation als ein multiples Phänomen zu behandeln, in dem verschiedene Akteure durch ihre jeweils spezifischen Kommunikationsmöglichkeiten unterschiedliche Leistungen erbringen können oder sogar bereits erbringen. Grob gesagt lassen sich drei Akteurstypen unterscheiden. Die Massenmedien liefern durch ihre vor allem durch Beobachtung erzeugte Kommunikation monologisch konstituierte Diskurse über distantes Weltgeschehen, das Informations- und Wissensangebote für andere Teilsysteme bereitstellt. Vor allem die organisierten Handlungssysteme von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft setzen diesen Beobachtungen eigene Beobachtungsleistungen entgegen, agieren darüber hinaus jedoch in einem interaktiven Modus der Herstellung einer wie auch immer begrenzten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gemeinschaftlichkeit. In den Lebenswelten zuletzt ist trotz der Möglichkeit strategischer, formaler, öffentlicher und textbasierter Kommunikation die kommunikative Eigenlogik als primär informell dialogisch zu beschreiben. Wie die spezifischen globalen Kommunikationsmöglichkeiten genutzt werden, ist Gegenstand dieses Buches. Da die Systeme aber nicht getrennt operieren, sondern vielfältig zusammenwirken, ist als letzter Theorieschritt ein Nachdenken über Fragen der kommunikativen Interdependenz erforderlich.

      1.4 Systemdependenzen und Lebensweltbeziehungen

      Kommunikation und zwischenstaatliche Beziehungen

      Bislang haben wir versucht, die kommunikativen Eigenlogiken von Akteuren und Systemen im globalen Rahmen zu verstehen. Die Kommunikationsweisen der Akteure stehen allerdings in engem Zusammenhang mit bestimmten gesellschaftlichen Konzepten wie „Weltöffentlichkeit“ und „Weltgemeinschaft“. Unter anderem die oben vorgestellten integrativen Systemtheoretiker haben früh erkannt, dass beispielsweise grenzüberschreitende Interaktion durch Briefe, Telefon usw. eine Dichte der Beziehungen erzeugt, die wiederum politikrelevant ist oder dass umgekehrt ein bestimmter Stand der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Ländern solche Kommunikation fördert. Kommunikation erfolgt nicht

Скачать книгу