Grundlagen der globalen Kommunikation. Kai Hafez

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Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez

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      Zudem kann in homogenen Sprachräumen eine erste Form der grenzüberschreitenden Transnationalisierung von Produktionskontexten erfolgen (z.B. lange Jahre Al-Jazeera in der arabischen Welt). Zuletzt ermöglichen technische Zugriffe auf ausländische und fremdsprachliche Medien vor allem einer multilingualen Informationselite unter den Verbrauchern einen komparativen Zugriff auf unterschiedliche nationale Mediensysteme, was das Simulationsproblem zwar auf der Produktionsebene bestehen lässt, es aber auf der Rezipientenebene löst (vgl. Abbildung 1.3). Wir werden im Kapitel über die Massenmedien (Kap. 2) auf die verschiedenen Ebenen der globalen Massenkommunikation eingehen, um sinnvolle Antworten auf die Frage nach der Synchronität der globalen Medienbeobachtung zu finden.

      Abb. 1.3:

      Lokal-Globale Mehrebenen-Medienöffentlichkeit(en)

      Globale Organisationskommunikation zwischen Diskurs und Interaktion

      Kommunikationsprozesse in anderen organisierten und nicht-organisierten Sozialsystemen müssen auch mit anderen spezifischen Theorien untersucht werden als die Medien. Mit der Vielfalt der Akteure wachsen auch die theoretischen Herausforderungen, denn eine einheitliche Theorie für deren kommunikatives Handeln gibt es nicht. Grundsätzlich gilt, dass mit der Verlagerung vom Beobachtungssystem der Massenmedien zu den organisierten Handlungssystemen (Politik, Wirtschaft usw.) eine Akzentverschiebung von der Diskurs- zur Organisationsanalyse einhergeht. Eine der Herausforderungen für die Forschung besteht darin, dass ein großer Teil der Kommunikationsprozesse dieser Sozialsysteme nicht öffentlich sichtbar und auch für die Forschenden selbst schwer zugänglich ist. Um nicht-mediatisierte Kommunikation verstehen zu können, bedarf es eines guten Verständnisses der Organisationsstrukturen und der mit ihnen verbundenen typischen Kommunikationsprozesse. In Anlehnung an die Organisationssoziologie lassen sich einige „Kommunikationsstrukturen“ erkennen (u.a. Endruweit 2004, S.178ff.), die gleichermaßen auf alle organisierten Sozialsysteme zutreffen, wobei allerdings, wie wir sehen werden, an verschiedenen Stellen Ergänzungen aus anderen Theorierichtungen wie der Verhandlungskommunikation, Entscheidungstheorie, Netzwerktheorie und Deliberationsforschung erforderlich sind.

      Die erste Struktur betrifft die oben dargelegte Dualität beziehungsweise Hybridität von Beobachtungs- und Interaktionsleistungen. Wir haben es als charakteristisch für Handlungssysteme bezeichnet, dass sie sowohl beobachten (speichern, systematisieren, analysieren) als auch interagieren. In Manfred Rühls organisationstheoretischer Analyse von Redaktionen zum Beispiel, die aber auch auf andere Organisationen anwendbar ist, macht dieser klar, dass die Zweckprogrammierungen (der Chefebene) und die Konditionalprogrammierung (Erfahrungswissen und Routinen der Mitarbeiter) bei veränderten Bedingungen immer wieder sozial nachverhandelt werden müssen (Rühl 1979, 1980). Entscheidungstheoretische Prozessmodelle zeigen, dass es etwa in der Außenpolitik darauf ankommt, Probleme zu bestimmen, Informationen zu sammeln, Handlungsalternativen zu erarbeiten usw. (Behrens/Noack 1984, S.113). Die prinzipielle Rationalität von Prozessen der Sozialsysteme sollte man gleichwohl nicht idealisieren. Oft sind politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Systeme so aufgebaut, dass sie – ähnlich wie das Mediensystem – unterschiedliche Organisationen umfassen, die durch Richtlinienkompetenzen nur lose zusammengehalten werden (globale Kommunikation der Außenpolitik findet etwa durch verschiedene Ministerien statt).

      Innerhalb einer jeden Organisation werden Beobachtungs- und Interaktionsleistungen zudem von verschiedenen Abteilungen und auf unterschiedlichen Hierarchiestufen getätigt, die nicht immer ideal koordiniert werden. Nicht selten kommt es etwa in der Außenpolitik vor, dass hausinterne Analysen und Monitoring-Dienste nicht hinreichend in Entscheidungsprozesse eingehen, weil diese Entscheidungen zum Beispiel von Ad-Hoc-Teams und „vorbei am Apparat“, unter Zeitdruck oder nach ideologischen Prämissen getroffen werden. Global Governance hat zudem zu einer neuen Form der sogenannten „Nebendiplomatie“ (second track diplomacy) geführt, die auch Netzwerke von NGOs, Lobbies und externe Experten einbezieht (Hafez 2002c, S.138). Da Wirtschafts-, Gesellschafts- und Politiksysteme sich zudem in ihren Organisationszielen unterscheiden, sind auch die Organisationsstrukturen nicht identisch und damit sind auch die Kommunikationsstrukturen zu vielfältig, so dass sie im Rahmen einer Einführung nur exemplarisch behandelt werden können. Das Spannungsverhältnis zwischen Beobachtungs- und Interaktionsstrukturen von organisierten Sozialsystemen erzeugt einen erhöhten Kommunikationsbedarf, der der Kommunikationsberatung auch in politischen wie wirtschaftlichen Organisationen ein ganz neues Feld eröffnet hat (Hafez 2002c).

      Informalität und Mediatisierung der Organisationskommunikation

      Erschwerend kommt hinzu, dass man im Inneren von Organisationen zwischen formeller und informeller Kommunikation unterscheiden muss, was etwa im Nebeneinander von Abteilungssitzungen und dem „Flurfunk“ zum Ausdruck kommt. Schon lange ist bekannt, dass informelle Kommunikation in Bürokratien eine erhebliche Rolle spielt, da hier innovative Lösungen gefunden werden, aber auch formale Kommunikationsprozesse blockiert werden können. Bei der Bewertung der informellen Kommunikation, die früher als Störfaktor betrachtet wurde, tendiert man heute immer stärker zur positiven Hervorhebung emotionaler und kognitiver Facetten (Torjus 2014, S.29ff.). Gelingende informelle Kommunikation ist in jedem Fall für das Wir-Gefühl einer Gemeinschaft wichtig, was in unserem Kontext die Frage aufwirft, ob Informalität auch bei globalen Distanzbeziehungen etwa in transnationalen Unternehmen zum Tragen kommt und dadurch interaktive Gemeinschaftlichkeit, also „Weltgemeinschaft“ statt nur „Weltöffentlichkeit“, im internationalen Rahmen fördert. Die Gemeinschaftsdimension der informellen Kommunikation spielt zudem nicht nur in der Binnenkommunikation von Organisationen und Systemen eine Rolle, sondern verläuft auch zwischen Systemen, im Bereich des Handels wie auch in der zwischenstaatlichen Diplomatiekommunikation. Jürgen Habermas würde sagen: Hier geht es nicht nur um strategische, sondern auch um dialogische Kommunikation und damit auch um echtes kommunikatives Handeln (Habermas 1995, Bd.1, S.126ff.). Mehr noch als die Organisationskommunikation und die Entscheidungstheorie ist daher oft die Verhandlungskommunikation der zentrale Bereich der Theorie der globalen Interaktion.

      Eine zweite bedeutsame Kommunikationsstruktur ist die Text-Sprech-Differenz. Texte können bei Beobachtungen wie bei Interaktionen eine Rolle spielen, zum Beispiel bei internationalen Verträgen oder Kommuniqués, in denen die Sichtweisen verschiedener internationaler Partner fixiert werden. Interaktion kommt also in verschiedenen Aggregatzuständen daher, zum Beispiel als Sprech- oder als Schriftdialog. Jede Variante besitzt spezielle Vorzüge. Gesprochene Dialoge verfügen über ein hohes Partizipations- und Gemeinschaftspotenzial. Der geschriebene Text hingegen macht Gemeinschaften verbindlich, denken wir nur an die Völkerrechtsabkommen. Wir müssen jedenfalls beide Interaktionsformen der organisierten Sozialsysteme im Blick behalten und ihre Eigendynamiken und Wechselwirkungen erfassen.

      Die nächste bedeutsame Kommunikationsstruktur ist die Unterscheidung zwischen direkter und mediatisierter sozialer Kommunikation. Nahezu alle Kommunikationsstrukturen besitzen heute eine zusätzliche Dimension der mediatisierten interpersonalen Kommunikation (E-Mail, Telefon, Netzdienste usw.). Dadurch entstehen neue Chancen der Deterritorialisierung, aber auch Einbußen bei der Qualität der Beobachtungsleistungen ebenso wie bei der partizipativen, interaktiven Vergemeinschaftung. Es bilden sich neue Textsorten – zum Beispiel die internationale Online-Petition – und informelle Beziehungen im digitalen Raum. Technische Veränderungen der Digitalisierung haben direkte Auswirkungen auf globale Kommunikation. Für die Weltgemeinschaft eröffnen sich neue Möglichkeiten, aber eben auch zusätzliche Gefahren.

      Globale Innen-/Außen-Hybridität

      Für die Bilanz globaler Kommunikation von entscheidender Bedeutung ist nicht zuletzt eine weitere Struktur: das Innen-/Außenverhältnis von Kommunikation. Die Grenze zwischen Binnen- und Außenkommunikation ist identisch mit der zwischen nicht-öffentlicher und öffentlicher Kommunikation. Hier kann dann auch erneut, ähnlich wie bei Massenmedien, die Diskursanalyse publizierter Texte und politischer Rhetorik eine Rolle

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