Grundlagen der globalen Kommunikation. Kai Hafez

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Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez

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des Journalismus unterentwickelt sind, so dass die nationalkulturelle Bindung des Journalismus in der Regel stark ausgeprägt ist (vgl. Kap. 2).

      Im Ergebnis sind Massenmedien nach Hafez global kaum interdependent, weniger jedenfalls als andere organisierte Sozialsysteme. Sie mögen in gewissem Umfang wie andere Systeme Informationen ex- und importieren. Eine Transnationalisierung auf Produktionsebene findet jedoch nur sehr bedingt statt, was die globale Synchronisation der Diskurse behindert (von der dialogischen Kommunikation ganz zu schweigen, die, wie in Kap. 1.3 erörtert, eher ein systemisches Nebenprodukt ist). Das beobachtende Kommunikationssystem der Massenmedien ist demnach tendenziell lokaler geprägt als interaktive Systeme wie Politik und Wirtschaft, wo globale Dependenzverhältnisse weiter fortgeschritten sind, wenngleich auch hier der Nationalstaat eine echte Transnationalisierung verhindert.

      Als Leitsatz lässt sich jedoch definieren, dass die globale Abhängigkeit politischer und wirtschaftlicher Systeme voneinander in der Regel größer ist als die der Massenmedien, die zumeist national eingebettet bleiben. Diese nationale Orientierung der Medien führt jedoch ihrerseits dazu, dass Medien hochgradig abhängig sind von nationaler Politik, sowohl was die medienpolitische Regulierung als auch die diskursive Einflussnahme angeht, wobei auch eine sekundäre Abhängigkeit der Politik von den Medien besteht (vgl. Kap. 9.3).

      Beziehungen zwischen Massenmedien, Handlungssystemen und Lebenswelten

      Während im Bereich der Medienforschung ein recht guter Forschungsstand vorhanden ist, ist dies gerade im Bereich der Lebensweltforschung wegen der noch schwierigeren und uneinheitlichen Interessenverflechtungen nicht der Fall. Verschiedene integrative Konzepte haben sich bemüht, die in der Kommunikationswissenschaft verbreitete Fixierung auf Massenkommunikation hinter sich zu lassen (Giesecke 2002, S.18). Das Ziel von so unterschiedlichen Ansätzen wie der Kommunikationsökologie (Michael Giesecke) oder der Media Dependency Theory (Sandra Ball-Rokeach und Melvin DeFleur) ist es, vor allem das Individuum und die soziale Gruppe wieder stärker als zuvor als Akteure sozialer und kultureller Kommunikation sichtbar zu machen. Beide Ansätze haben bislang wenig mit globaler Kommunikation zu tun, können aber fruchtbar gemacht werden und zumindest Giesecke hat, wie oben ausgeführt, auch erste Anmerkungen zur interkulturellen Kommunikation gemacht. Er geht davon aus, dass die westliche Buch- und Massenmedien-gestützte Fernkommunikation Neugier ohne echtes Interesse für andere Welten hervorgebracht habe. Das Genie menschlicher Kommunikation, das Giesecke prinzipiell im Zusammenwirken „artverschiedener“ Kommunikationsweisen der Beobachtung und Interaktion erkennt (2002, S.26), ist aus seiner Sicht sowohl in den Nah- wie auch ganz besonders in den Fernbeziehungen aus der Balance geraten. Die „Buchkultur“ hat das Face-to-Face-Gespräch überflüssig gemacht, wodurch kulturelle und gesellschaftliche Disbalancen entstanden sind (ebenda, S.35ff.). Nicht zuletzt durch die moderne Netzwerktechnologie entstehen jedoch neue Chancen für die Re-Balancierung unserer Kommunikationsökologie. Das Zusammenwirken von „rückkopplungsintensiven und interaktionsarmen Kommunikationsformen wird zu einer Zukunftsaufgabe“ für die neue Wissens- oder Lerngesellschaft (ebenda, S.370). Auch Giesecke bemüht das Bild des „Fließgleichgewichts“ (ebenda, S.36), wenn er die prinzipiell dynamische Fähigkeit des Menschen beschreibt, ein neues Gleichgewicht zwischen den Kommunikationsformen zu finden.

      Da Giesecke vor allem mit dem Gleichgewicht zwischen Kommunikationsformen und weniger mit den Beziehungen zwischen den Akteuren selbst beschäftigt ist, ist für die Zwecke des vorliegenden Buches auch die Media Dependency Theory von Sandra Ball-Rokeach und Melvin DeFleur von Bedeutung, da sie die generellen Beziehungen zwischen verschiedenen Systemen als Dependenzfaktoren thematisiert (1976, Ball-Rokeach 1985, Ognyanova/Ball-Rokeach 2015). Ausgangspunkt ist ähnlich wie bei Giesecke eine in der Moderne erfolgte Verschiebung von Bedürfnissen der interpersonalen Kommunikation hin zu einer Informationskontrolle durch Massenmedien (Ball-Rokeach 1985, S.488f.). Vor allem in demokratischen Gesellschaften pflegt das Mediensystem demnach seinerseits dynamische Beziehungen zu anderen Sozialsystemen. Einerseits ist der Mensch als Konsument bei einem grundlegend symbiotischen Verhältnis zwischen Massenmedien und Wirtschaft weitgehend von den Medien abhängig (Werbung usw.); andererseits aber ist es der jeweilige Kampf der einzelnen Systeme um Autonomie, der eine symmetrische „Interdependenz“ erzeugt und das Individuum Vertrauen in die Medien entwickeln lässt, das, wie wir vor allem aus autoritären Systemen wissen, wo die Balance gestört ist, auch verloren gehen kann (ebenda, S.491ff.).

      So wie die Art der Interdependenz zwischen Medien und anderen Sozialsystemen – zum Beispiel die enge Beziehung zwischen Außenpolitik und Auslandsberichterstattung – für die Stellung in der Gesellschaft wichtig ist, verfügt das Individuum trotz der strukturellen Einbindung über verschiedene Möglichkeiten, die Dependenz von den Medien selbst zu prägen, und zwar abhängig von interpersonalen und soziostrukturellen Einbindungen des Menschen (ebenda, S.497ff.). Intervenierende Variablen, die die Dependenz des Individuums beeinflussen können, sind aus der Perspektive des Mediendependenz-Ansatzes unter anderem Veränderungen in der sozialen Umwelt, die Aktivität interpersonaler Netzwerke und Gruppenmitgliedschaften. Die Abhängigkeit des Menschen von den Massenmedien wächst zum Beispiel, wo diese als beste Informationsquelle wahrgenommen werden und keine alternativen Informationen zur Verfügung stehen. Das Internet kann hier im Prinzip zu einer „Neuverhandlung“ von Dependenzstrukturen beitragen, auch wenn Massenmedien auch im Internetzeitalter ihre starke Stellung vielfach erhalten haben (Ognyanova/Ball-Rokeach 2015, S.4).

      Eine Überführung der Dependenz-Idee in die Lebenswelttheorie ist schwierig, da individuelle Akteure keine einheitliche Systemfunktionalität besitzen. Zwar gibt es Momente, in denen Individuen in ihren systemischen Rollen Funktionsziele von Organisationen in strategischer Kommunikation erfüllen beziehungsweise anstreben. Das kommunikative Handeln des Alltags ist aber zu großen Teilen idealtypisch verständigungsorientiert und verfolgt eben keine isolierbaren funktionalen Ziele (Habermas 1995). Das Medienhandeln lässt sich nicht einfach in strategischen Beziehungen mit Medien auflösen, in denen allein das funktionale Interesse an Information entscheidet. Die Prozesse der Medienaneignung sind vielfältig und schließen auch habituelle Positionierungen gegenüber Angeboten der Unterhaltung oder unbewusstes Gewohnheitshandeln mit ein. Hinzu kommt, dass sich in heutigen Medienumwelten die grundsätzlichere Frage nach der Kohärenz des Mediensystems stellt, also danach, ob sich individuelle Rezipienten tatsächlich in einer Dependenz zu einem homogenen System befinden. Die Medienrepertoires des Publikums neigen zu einer wachsenden Diversität und können dementsprechend auch ganz unterschiedliche Individuum-Medien-Verhältnisse stiften, ebenso wie soziokulturelle Prägungen der Lebenswelten auch unterschiedliche Individuum-Gesellschaft-Verhältnisse erzeugen. Das Dependenzverhältnis des Einen muss also nicht zwangsläufig auch das Dependenzverhältnis des Anderen sein. Es handelt sich somit nur um ein analytisches, nicht um ein empirisch generalisierbares Verhältnis.

      Allerdings lassen sich wiederum Tendenzen in der allgemeinen Beziehung zwischen Lebenswelten und Systemen definieren, die Habermas in seiner These der „Kolonisierung“ der Lebenswelt durch die Systeme postuliert hat (1990). Es geht hier schließlich um die Frage der Eigenleistung der Lebenswelten. Sind es Themen und Strukturen der Systeme, die die lebensweltlichen Erfahrungen beeinflussen? Wie und wann prägt hingegen die kommunikative Leistung der Lebenswelt die Systeme? In totalitären Systemen regieren die autoritären Regimes oftmals bis tief in die private Erfahrungswelt hinein, weil sie dort bestimmte Formen des Handelns verhindern und Sinn- und Glaubenssysteme vorschreiben wollen. Zunächst scheint dann der lebensweltliche Kommunikationsraum stark eingeschränkt zu sein. Auf der anderen Seite ist es aber gerade das Prinzip der kommunikativen Konstruktion der Alltagsrealität, das einen Freiraum aufrechterhält. Denn theoretisch sind jederzeit kollektive Umdeutungen vorgegebener Interpretationsschemata möglich, die dann entweder subversiv (etwa in geschlossenen Räumen der Subkulturen) oder öffentlich (in Revolutionen auf der „Straße“) Systeme herausfordern. Ohne diese Eigenständigkeit wären viele Wandlungsprozesse in Diktaturen nicht denkbar. Die kommunikative Eigenleistung ist dann gerade unter Bedingungen der Einschränkungen individueller Handlungsspielräume und der Gleichschaltung der Medien besonders hoch zu werten.

      In demokratischen Systemen hingegen lässt sich andersherum

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