Grundlagen der globalen Kommunikation. Kai Hafez

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Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez

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usw.), ist oft interaktiv. Außenkommunikation ist hingegen durch strategische Kommunikation gekennzeichnet (z.B. Wirtschafts-PR, staatliche PR/Propaganda) und damit in der Tendenz monologisch-persuasiv und nicht interaktiv und gemeinschaftsbildend. Die Kernfrage für das vorliegende Buch in diesem Zusammenhang lautet daher: Wieviel gemeinschaftsbildende Kraft entwickelt beispielsweise die Interaktion nicht-öffentlicher Diplomatie, wenn im öffentlichen Raum dann schließlich doch wieder außenpolitische Propaganda vorherrscht? Inwiefern verbindet strategische Unternehmens-PR, bei allem Dialogverhalten in der Binnenkommunikation, unsere Welt zu einer „Weltgemeinschaft“? Die Hybridität der Sozialsysteme des politisch-wirtschaftlichen Sektors, ihr ständiges Oszillieren zwischen Egozentrismus und Gemeinschaftsorientierung, ist kommunikationstheoretisch gut damit zu erklären, dass sie an der Schnittstelle zwischen Diskurs und Dialog angesiedelt sind. Diskursive Public Relations und dialogische Interaktion über Ländergrenzen hinweg gehen eine komplizierte und vielfach verwirrende Mischung ein, um deren analytische Unterscheidung und Bilanzierung wir uns in dieser Arbeit bemühen.

      Da wir im Kontext des System-Lebenswelt-Netzwerk-Ansatzes aber neben den funktionalen Austauschprozessen auch die intrinsischen Strukturen der Systeme verstehen müssen, ist es wichtig, die globale kommunikative Hybridität nicht nur als kommunikativen Widerspruch oder Ungleichzeitigkeit zu verstehen, sondern auch als strukturelle Problematik. „Hybridität“ von Diskurs und Dialog erklärt ja noch nicht, wann und warum welche Modi verwendet werden und warum Widersprüche – etwa zwischen Innen- und Außenkommunikation – entstehen können. Dies wird allerdings sofort verständlicher, wenn man die Idee des strukturellen autonomen Selbsterhalts bei gleichzeitig erforderlicher Umweltanpassung einbezieht. Interaktion ist dann ein Weg der Anpassung; diskursive Kommunikation hingegen dient der Autonomisierung. Systeme kommunizieren mit den jeweiligen Modi, die ihnen zum Erhalt der Grundfunktionen von Autonomie und Anpassung opportun erscheinen. Kommunikative Hybridität wird damit zum Gegenstand des systemischen „Fließgleichgewichts“. Robert S. Fortner hat bereits vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass internationale Kommunikation teils als einheitliches globales System und teils als Ansammlung separater Systeme zu denken ist (1993, S.37f.). Dies gilt mit Blick auf die Kommunikation zwischen gleichen Systemen (also etwa der Interaktion zwischen Staaten in der Diplomatie) ebenso wie bei der Interdependenz zwischen ungleichen Systemen (z.B. Medien, Politik, Wirtschaft), die uns weiter unten noch beschäftigen wird.

      Globale Interaktionspotenziale nicht-organisierter Sozialsysteme

      Nicht-organisierte Sozialsysteme kann man nicht ohne weiteres mit den Mitteln der Organisationskommunikation untersuchen. An die Stelle der organisatorischen treten diskursive oder auch dialogische Strukturen, was dazu führt, dass Netzgemeinschaften sowohl ein Untersuchungsgegenstand der Netzwerkforschung der Soziologie wie auch der Deliberationsforschung der Kommunikationswissenschaft sind (Stegbauer/Rausch 2006, Stromer-Galley/Wichowski 2013). Soziologisch interessant ist, dass die Kehrseite der organisationslosen und im Prinzip hierarchiefreien Netzgemeinschaften oft eine Dominanz informeller hegemonialer Meinungsführer und „Informationseliten“ ist. Für die „Masse“ der Menschen sind Sprachraumgrenzen und kulturelle Hegemonien in Netzgemeinschaften oft eine ernst zu nehmende Hürde. Dies wiederum kann den angeblichen Dialogcharakter des als interaktiv geltenden Internets einschränken, was wiederum Konsequenzen für globale Gemeinschaftlichkeit hat. Es wird also über die Qualität von Online-Diskursen zu sprechen sein. Wie global sind Online-Communities wirklich? Ist das Internet letztlich ein globales oder ein lokales Medium?

      Eine weitere Herausforderung liegt in der systematischen Untersuchung der (globalen) Lebensweltkommunikation, die eine Erweiterung an theoretischen Instrumentarien erfordert. Wenn wir die globalen Kommunikationsbeziehungen von Individuen, Gruppen und „kleinen Lebenswelten“ (Luckmann 1970) in den Blick nehmen, dann müssen wir uns stärker an den Überlegungen der interpersonalen Kommunikation, dem symbolischen Interaktionismus, der Soziopsychologie und vor allem an den soziologischen Kommunikationstheorien orientieren, die in der Tradition der Wissens- und Kultursoziologie stehen (Schützeichel 2004, Averbeck-Lietz 2015). Denn hier werden die Grundlagen der menschlichen Kommunikation und Weltwahrnehmung verhandelt, die für die Frage nach globaler Kommunikation aus der Mikroperspektive des Alltags entscheidend sind.

      In Anlehnung an die oben eingeführten Kommunikationsmodi und die soziologischen Kommunikationstheorien gehen wir zunächst davon aus, dass das kommunikative Handeln des Individuums wechselseitig interaktiv ist. Menschen lernen durch Interaktion mit anderen, sich selbst und die Welt zu deuten und zu verstehen und auf der Basis dieses Weltverstehens wiederum eigene Handlungen aufzubauen (Mead 1934, Blumer 2010, Blumer et al. 2013). Unser Erfahrungswissen, welches wir so in fortlaufender Kommunikation ansammeln, verdichtet sich schließlich zu Kategorien, die Schütz und Luckmann als soziale Typenbildung beschrieben haben (2003, S.313ff., Schützeichel 2004, S.128ff.). Wir entwickeln also Alltagstheorien über Kommunikationssituationen, antizipieren das Handeln anderer und ordnen neue Erfahrungen in diese Klassifikationssysteme ein. Dies bedeutet auch, dass unsere individuellen Wissenssysteme, mit deren Hilfe wir uns die Welt erschließen, von unseren spezifischen Sozialisations- und Kontakterfahrungen geprägt sind. Die wechselseitige Orientierung aneinander hat nämlich auch zur Folge, dass wir kommunikative Muster, Repertoires und Routinen kennenlernen, die in bestimmten sozialen Milieus als kommunikative Konventionen institutionalisiert und damit sozial tradiert werden. Insofern können wir sagen, dass sich das lebensweltliche Erfahrungswissen des Einzelnen aus einem Zusammenspiel unterschiedlicher sozialer Wissenssysteme speist. Die „Strukturen der Lebenswelt“ (Schütz/Luckmann 2003), also die generellen Bedingungen der räumlich, sozial und zeitlich strukturierten Interaktion in der Alltagswelt, bleiben dabei aber für alle Menschen gleich, so dass eine wechselseitige Verständigung mit „sozialen Anderen“ grundsätzlich immer möglich sein sollte.

      Für die grenzüberschreitende Verständigung heißt das nun im ersten Schritt, dass diese von einer spannungsreichen Dialektik geprägt ist. Einerseits ist unser kommunikatives Handeln immer ein Produkt unserer jeweiligen sozialen Umwelten und Sozialisationserfahrungen, die bei vielen Menschen auch heute noch in erster Linie lokalen Ursprungs und abhängig von lokalen Diskursen sind. Andererseits unterliegt das lebensweltliche kommunikative Handeln eben auf Grund des intrinsisch sozialen Charakters immer auch einem dynamischen Wandlungsprozess. Denn wenn unsere Erfahrungen fortlaufend zur (Neu-)Ordnung unserer typischen Handlungs- und Kommunikationsschemata führen, dann ist theoretisch immer auch die Möglichkeit zur Veränderung dieser Typen und damit unserer handlungsleitenden Wissenssysteme durch neue Erfahrungen gegeben.

      Diese Dialektik ist bezüglich der zentralen Unterscheidung von Beobachtung und Interaktion von besonderem Interesse. Wir hatten festgestellt, dass die bloße Beobachtung der Welt durch individuelle Akteure weitestgehend von den Leistungen der anderen Sozialsysteme abhängig ist, da Expertenwissen in modernen Gesellschaften primär durch die Medien, das Schul- und Wissenschaftssystem zur Verfügung gestellt wird. Dabei beobachten wir aber noch lange nicht alltägliche Interaktionen in anderen, ferneren Lebenswelten, sondern zu großen Teilen die strategischen Handlungen politischer Sozialsysteme (Hafez/Grüne 2015). Insofern ist die Medienkommunikation nur eine sehr eingeschränkte Form globaler Kommunikation in der Lebenswelt. Die Lebenswelt ist theoretisch ganz im Gegenteil der prädestinierte Ort für globale Dialoge, da hier gemäß unserer bisherigen Herleitung vor allem Face-to-Face-Interaktion stattfindet. In den Interaktionen können individuelle Akteure nun mittelbare und unmittelbare grenzüberschreitende Dialoge führen und sie können direktes und vermitteltes Erfahrungswissen sammeln, also aus dem globalen Selbstkontakt oder Gesprächen über den globalen Kontakt Dritter.

      Globale Lebenswelten und Gruppenkommunikation

      Die letztere Form weist auf eine Komplexität globaler Lebensweltkommunikation hin. Auch wenn Menschen nämlich gelegentlich Wissen aus reinen interpersonalen Kommunikationssituationen beziehen, so wird dieses häufig im Gruppenkontakt weiterverhandelt. Familien, Peers, Interessengemeinschaften oder Hobby- und Fangemeinschaften bestehen selten aus nur zwei Personen, sondern es handelt sich in der Regel um vergemeinschaftete Gruppenbeziehungen. Das gilt nicht nur für informelle Rollen der Privatwelt, sondern ebenso für soziale Kontexte, in denen

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