Grundlagen der globalen Kommunikation. Kai Hafez

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Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez

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Perspektiven der Soziologie, Anthropologie oder der Cultural Studies einnehmen und in ihren Argumentationsgängen variieren, ist ihnen doch gemeinsam, dass sie auf die grundsätzliche Heterogenität kultureller Wandlungsprozesse unter dem Einfluss globaler Entwicklungen verweisen. Wenn Menschen, Ideen, Symbole und Güter heute immer leichter global zirkulieren können, folgt daraus keine eindimensionale Wandlungslogik der kulturellen Angleichung (Homogenisierung) oder Rückbesinnung auf kulturelle Traditionsbestände (Heterogenisierung). Vielmehr ist zu beobachten, dass diese Prozesse gleichzeitig ablaufen können.

      Statt der Frage von Übernahme oder Ablehnung kultureller Praktiken entstehen häufig Mischformen, indem sich kulturelle Akteure Teile globaler Angebote zu eigen machen und in kreativer Eigenständigkeit neue Varianten entwickeln. Diskutiert wurden diese hybriden Praktiken vor allem am Beispiel des lokalen Umgangs mit globaler Populärkultur. In der Tradition der Cultural Studies stellt sich dabei insbesondere die Frage nach machtabhängigen Handlungsmöglichkeiten, also danach, wie frei lokale Individuen tatsächlich in ihrer Aneignung globaler Angebote sind – etwa vor dem Hintergrund postkolonialer Machtverhältnisse, die Einfluss auf Umfang und Richtung der Weiterverbreitung haben können oder in Zusammenhang mit der Abhängigkeit von lokalen wie globalen hegemonialen Deutungsmustern, die über die Art und Weise von Repräsentation und damit auch über die Möglichkeiten der individuellen Auseinandersetzung und Positionierung entscheiden können.

      Die Forschung zur kulturellen Globalisierung zielt damit zwar bereits klar auf die Alltagswelt von Individuen, sie erklärt aber deren Kommunikationsprozesse noch nicht systematisch. Die Aneignung globaler Medienangebote beschreibt nur eine, nämlich indirekte beziehungsweise mittelbare Form der grenzüberschreitenden Beobachtung. Auch wenn wir uns mitunter von globalen Trends in unserem Alltagshandeln beeinflussen lassen, so führt dies im besten Fall zu einer Synchronisierung von Lebensstilen, nicht aber zu grenzüberschreitenden Dialogen. Mediale Berichterstattung über ferne Welten, weltweit ähnlich formatierte Unterhaltungsangebote oder globale Popkultur liefern uns nur erste Ansatzpunkte für ein selektives Wissen über die Welt. Daneben können Individuen in ihrer Lebenswelt etwa auf privaten oder beruflichen Reisen oder in multikulturellen Kontexten moderner Gesellschaften global interagieren. Die Gestaltung dieser Kommunikationssituationen ist wiederum abhängig davon, ob Individuen diese Erfahrungen alleine machen oder in Gruppen, beispielsweise mit der Familie, Freunden oder Kollegen, in welchen Gemeinschaftszusammenhang das Erfahrungswissen eingebettet wird und in welcher Nachhaltigkeit globale Kontakte weiterbestehen. So ist es ein Unterschied, ob das globale Wissen als Expertenwissen in der Berufsrolle des Einzelnen verbleibt oder zum Verhandlungsgegenstand einer lokalen Gemeinschaft wird. Entscheidend sind also nicht nur die Rollenmuster und Rahmenbedingungen globaler Interaktionen von Einzelnen, sondern auch lokale Weiterverarbeitungen globalen Wissens, das aus unterschiedlichen Kontaktsituationen entsteht und eher expliziten (z.B. Faktenkenntnis) oder impliziten Charakter (Erfahrungswissen) haben kann.

      Fazit: alte und neue globale „Eliten“ aus Systemen und Lebenswelten

      Dies alles mündet in der Frage nach der Rolle heutiger globaler Eliten. Es kann für eine Analyse globaler Kommunikation nicht nur darum gehen, strategische Eliten (der organisierten Sozialsysteme) zu benennen, die globale Entwicklungen durch die Interaktionen der Sozialsysteme mitgestalten (wie in der älteren integrationistischen Systemtheorie, siehe oben), sondern wir müssen auch fragen, welche sozialen Eliten heute Lebenswelten prägen. Wenn wir dazu jene zählen, die globale Kontakterfahrungen haben, dann hat dies Auswirkungen auf ein herkömmliches Elitenverständnis. Denn „globales Kapital“ im Sinne eines Wissens, das über die Realitätserfahrungen lokaler Lebenswelten hinausgeht, hätten dann auch jene Gruppen und Individuen aufzuweisen, deren Status als gesellschaftliche Meinungsführer kaum anerkannt ist. Ein Beispiel wären Migranten und Migrantinnen, die sich in den neuen Einwanderungsgesellschaften noch heute gesellschaftlichen Marginalisierungen ausgesetzt sehen, im Grunde aber privilegierte Erfahrungen der Grenzüberschreitung besitzen. „Alte“ und „neue“ Eliten sind unter den Bedingungen globaler Kommunikation also neu zu definieren. Die Betrachtung der globalen Kommunikation der Lebenswelt wird im weiteren Verlauf des Buches immer auch eine Diskussion von Eliten- und Massenpositionen beinhalten. Es sind die individuellen, gruppalen und gemeinschaftsförmigen globalen Erfahrungen alter wie auch neuer globaler Eliten, die gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen und es sind ihre kommunikativen Aushandlungen, die den globalen Erfahrungen ihre gesellschaftliche Rolle und Relevanz zuweisen.

      1.3 Spezifische Kommunikationsmodi (Systemverbindungen) von Systemen und Lebenswelten

      Globale Kommunikationsmodi der Akteure: ein Kontinuum

      Fragen wir nun, welche Formen globaler Kommunikation für die Akteure typisch sind, so ist zunächst erkennbar, dass eigentlich alle Akteure im Feld eine Reihe von Kommunikationskanälen/-medien simultan verwenden, unter anderem

       Massenmedienkommunikation

       Face-to-Face-Kommunikation

       Versammlungs- und Gruppenkommunikation

       Interpersonale mediatisierte Kommunikation.

      Bezeichnend ist allerdings, dass auf jeder dieser Ebenen die oben erörterte kommunikative Leitdifferenz zwischen Beobachtung und Interaktion/Dialog in unterschiedlicher Ausprägung und Stärke vorliegt. Subsysteme und Individuen der Gesellschaften kommunizieren vielfältig, ihre Fähigkeiten zur Beobachtung wie auch zur Interaktion sind aber mehr oder weniger ausgeprägt, was das Kontinuum der Abbildung 1.2 zu veranschaulichen versucht.

      Mit Hilfe des dargestellten Kontinuums lassen sich in Anlehnung an die kommunikativen Grundmodi nunmehr spezifische primäre und sekundäre Kommunikationsmodi der einzelnen Akteure globaler Kommunikation bestimmen, die im Fortgang des Kapitels genauer beschrieben werden. Massenmedien können gut beobachten, archivieren und systematisieren, sie gehören zu den zentralen Speichermedien kollektiver Erinnerung, sie pflegen aber monologische One-to-Many-Kommunikation und sind im Kern nicht-interaktiv, auch wenn einzelne Elemente der Massenmedienkommunikation (Rechercheinterviews, Talkshows) einen interaktiven Charakter haben, was allerdings als sekundärer Kommunikationsmodus einzustufen ist.

      Abb. 1.2:

      Akteursspezifische Kommunikationsmodi

      Auf der anderen Seite des Kontinuums befinden sich Individuen und Kleingruppen, begrenzt auch Großgemeinschaften (vor allem in interaktiven Netzgemeinschaften), die gut im Interagieren und im Dialog sind, aber schlechter im Beobachten als organisierte Sozialsysteme, da ihnen die Ressourcen für organisierte Beobachtung fehlen. Sie sind allerdings prädestiniert für „echte“ Dialoge und gemeinsame Sinndeutungen im Zuge der Face-to-Face-Interaktion. Zum Beispiel sind auf internationalen Reisen die Möglichkeiten der direkten Beobachtung begrenzt: Das Expertenwissen über das Land, das eine Person bereist, ist weitgehend nur mit Hilfe der anderen Sozialsysteme abrufbar, die etwa systematisiertes Wissen über die Region in Medien und Büchern zur Verfügung stellen. Die Möglichkeiten der direkten Interaktion sind hingegen ohne große Transaktionskosten gegeben, sieht man einmal von Sprachhürden ab, und einfacher zu realisieren als in den die Beobachtung ermöglichenden Sozialsystemen wie den Massenmedien, in denen Interaktion bestenfalls vor Abfassung eines journalistischen Textes als Prozesselement vorhanden ist, dann aber durch die klare Produzenten-Rezipienten-Beziehung einer monologischen Kommunikationsform weicht.

      Andere organisierte Sozialsysteme wie die Politik, Wirtschaft oder NGOs/soziale Bewegungen zeichnen sich durch hohe Hybridität mit Blick auf die Grundmodi der Kommunikation aus, da sie einerseits über ähnlich hohe Ressourcen und Kompetenzen der Weltbeobachtung verfügen wie die Massenmedien. Nicht umsonst ähnelt sich der strukturelle Aufbau des diplomatischen Botschafter- und des journalistischen Korrespondentenwesens. Beide Institutionen dienen der globalen Informationsbeschaffung.

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