Grundlagen der globalen Kommunikation. Kai Hafez

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Grundlagen der globalen Kommunikation - Kai Hafez

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Stereotype in fiktionalen und nicht-fiktionalen Medien sind nicht nur der Rohstoff für die Weltbilder des Rassismus und rechtspopulistischen Anti-Globalismus (Hafez 2013). In einem global integrierten Mediensystem hätten sie wohl auch keine Überlebenschance, da sie an die Diskriminierten selbst nicht verkaufbar wären. Wegen der strukturellen Interdependenzlücke globaler Massenkommunikation aber können sie in den nach wie vor stark isolierten nationalen Diskursgemeinschaften überleben. Auch wenn Massenmedien sicher nicht nur Stereotype produzieren, sondern Fakten und reale Zusammenhänge vermitteln, ist die schiere Existenz von Stereotypen in Massenmedien ein Beleg für die starke Domestizierung globaler Massenkommunikation.

      Schwieriger ist die Beurteilung bei nicht-stereotypen Frames. Zahlreiche Studien weisen allerdings auch bei der argumentativen Vermittlung internationaler Sachverhalte auf Domestizierungseffekte hin. Hier nur einige Beispiele:

       die Mediendiskurse nach den Anschlägen des 11. September 2001 waren in westlichen und nahöstlichen Medien geradezu konträr und zeigten, wie stark nationale Mediensysteme lokalen Einflüssen ausgesetzt sind (Hafez 2005, S.62ff., vgl. a. Dimitrova/Strömbäck 2008);

       der palästinensisch-israelische Konflikt wird seit Jahrzehnten von beiden Seiten extrem unterschiedlich geframed (Müller 2017);

       die verbreitete Charakterisierung von Kriegen in Afrika als ethnische „Stammeskriege“ statt als Kriege um Macht und Ressourcen ist ein exogenes Framing (Williams 2011, S.150ff., Allen/Seaton 1999);

       beim Thema Terror sind westliche und arabische Mediendiskurse geradezu notorisch unterschiedlich, da zwar beide Sphären den Terror ablehnen, im Westen aber ein Mitverschulden westlicher Nahostpolitik am Terrorismus und im arabischen Raum eigene politische Versäumnisse tendenziell ausgeblendet werden (Badr 2017);

       da Akteure oft als „Sprecher“ und somit Transporteure von Frames in Medien erscheinen, ist von Bedeutung, dass auch bei scheinbar globalen Themen wie den Vereinten Nationen die Sprecherreferenzen deutlich national geprägt sind (Ulrich 2016, S.398f.);

       auch beim Thema Europa weisen eine Reihe von Studien trotz steigender Wahrnehmung des Themas und transnationaler Sprecherreferenzen (v.a. des EU-Personals und hochrangiger europäischer Politiker) auf zum Teil eklatante inhaltliche Unterschiede eines noch immer hochgradig segmentierten Mediendiskurses in Europa hin (Sievert 1998, de Vreese et al. 2001, Koopmans/Erbe 2003, Brüggemann et al. 2006, Hepp et al. 2012, AIM 2007);

       selbst Projekte des Bürgerjournalismus im Internet wie OhmyNews International oder Groundreport erzeugen vielfach ähnliche Domestizierungen wie die professionellen Medien (Dencik 2012, S.171).

      Infolge der zahlreichen Studien der letzten Jahrzehnte haben Autoren wie Akiba A. Cohen (2013b), Kai Hafez (2002a/b, 2005, 2009b, 2011), Richard C. Stanton (2007), Bella Mody (2010), Kristina Riegert (2011) oder Miki Tanikawa (2019) die fortgesetzte Domestizierung von Medieninhalten auch in der Ära der Globalisierung (gerade in Krisenzeiten) betont und transnationale Konvergenz tendenziell in Zweifel gezogen. Diese einst revisionistische und globalisierungsskeptische Sichtweise, die die Einlösung des Konvergenzversprechens der globalen Massenkommunikation bestreitet, wird mittlerweile als der neue „Standard“ oder sogar die neue „Orthodoxie“ in der Wissenschaft betrachtet (Curran et al. 2015, S.1, 14). Zwar üben einige optimistischere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Kritik dahingehend, dass vergleichende Medieninhaltsanalysen verschiedener Länder durchaus auch Konvergenzen im Framing durch Massenmedien aufweisen, was sie damit erklären, dass gerade Weltnachrichtenagenturen eine gewisse vereinheitlichende Wirkung ausüben können (Curran et al. 2015, vgl. a. Wessler/Brüggemann 2012, S.91f., Lück et al. 2015, Volkmer 2014, S.3f., Bucher 2005, S.187f.). Aber auch diese Analysen wenden sich gegen eine Rückkehr zur Konvergenzmetapher des „globalen Dorfes“, die nicht angemessen erscheint, um den Ist-Zustand der Weltnachrichten zu charakterisieren.

      In den optimistischeren Befunden, die von höherer Konvergenz ausgehen, werden zudem die systemischen Rahmenbedingungen der Nachrichten ausgeblendet, etwa wenn die Haltung zur Griechenlandkrise in Ländern mit sehr ähnlichen wirtschaftspolitischen Positionen untersucht wird oder aber der Diskurs zur Klimakrise als einem global verbindenden Thema. Die Domestizierung des Framings nimmt nämlich in aller Regel mit dem Grad der konflikthaften Involvierung der Nationalstaaten eklatant zu, da die internen Eigeninteressen der nationalen Systeme sich fast immer hegemonial in den Medien bemerkbar machen. Zudem kommt es bei der Konvergenz von Frames nicht nur darauf an, ob beliebige Argumente sich in verschiedenen nationalen Mediendiskursen niederschlagen, sondern ob die Responsivität sich auf die für den Konflikt zentralen Frames bezieht – was etwa beim Thema Terrorismus trotz gewisser Konvergenzen der Terrordiskurse nicht der Fall ist. Der Copy-and-Paste-Journalismus der Übernahme von Material der Weltagenturen weicht unter Bedingungen einer aktivierten öffentlichen Debatte meist schnell einer starken Eigenprägung der nationalen Mediendiskurse. Konvergenz in der globalen Massenkommunikation ist also bestenfalls eine instabile Größe – die Domestizierung bleibt die Tiefenstruktur der Medienglobalisierung.

      Visuelle Globalisierung und Stereotypie

      Synchronität durch Interdiskursivität existiert nicht nur auf der Ebene von Texten, sondern auch im visuellen Bereich. Vor allem Bilder steuern im internationalen Nachrichtenwesen die Emotionen der Rezipienten mit Blick auf Länder und Weltentwicklungen (Chaban et al. 2014). Es besteht zudem ein enges Text-Bild-Verhältnis: Das Textframing kann die Wahrnehmung von Bildern und umgekehrt die Bildwahrnehmung das Textverstehen beeinflussen. Einerseits überschreiten Bilder leichter Grenzen als Worte. Andererseits besteht dieser vereinfachte Zugang nur vordergründig, denn Bilder sind ebenso kontextabhängig und erklärungsbedürftig wie Texte (Müller/Geise 2015, S.24ff.). Zwar ist wegen des Fehlens einer „expliziten propositonalen Syntax“ (Geise et al. 2013, S.52) eine Bildanalyse nach dem Prinzip des „visuellen Framings“ schwer zu etablieren. Reduzierte Methoden der Analyse „visueller Stereotype“ untersuchen statt inhärenter Bildaussagen daher lediglich isolierte und häufig wiederkehrende Elemente und Symboliken (Petersen/Schwender 2009). Bilder müssen aber in jedem Fall wie Texte interpretiert werden und müssen vom Journalismus global „interdiskursiv“ behandelt und in nationale Diskurse „übersetzt“ werden.

      Da das Bild integraler Bestandteil eines Diskurses ist, verwundert es nicht, dass hier dieselbe Grundproblematik von Konvergenz und Domestizierung diskutiert wird. Frauenzeitschriften etwa werden heute vielfach von international agierenden Verlagen herausgegeben, die visuellen Diskurse gleichen sich thematisch trotz bestehender Unterschiede in den Rollenmustern immer weiter an (Machin/van Leeuwen 2007). Dennoch scheint gerade die Auslandsberichterstattung kulturelle und politische Stereotype vielfach zu reproduzieren. Die EU beispielsweise wird visuell gern als bürokratischer und krisenanfälliger Apparat dargestellt (Chaban et al. 2014). Afghanistan ist visuell ein fast ausschließlich kriegsgeschütteltes Land geblieben, in dem Frauen unterdrückt werden – ein global verbreitetes Image, das lokale Fotojournalisten gerne korrigieren würden (Mitra 2017). Obwohl fiktionale Medienräume hier auch in zensierten Mediensystemen freier agieren können als das Nachrichtenwesen, ist die Vorstellung von einer transnationalen Hybridität, „Glokalisierung“ und Konvergenz auch im visuellen Bereich zu hinterfragen und lokale Produktions- und Rezeptionskontexte bleiben bedeutsam (McMillin 2007, S.111ff.).

      Transnationale Medien: Contra Flows ohne Kosmopolitismus

      Weltnachrichtenagenturen verstärken immerhin die interdiskursive thematische Synchronisation, wie wir gesehen haben, wenngleich von einer inhaltlichen Konversion durch nationale Medien nur sehr bedingt die Rede sein kann. Aber welche Rolle spielen hier transnationale Leitmedien wie BBC World, CNN, Al-Jazeera English, CCTV oder Telesur? Untersuchungen zeigen, dass auch sie im Wesentlichen die „Spitze des Eisbergs“ der etablierten globalen Nachrichten abbilden und insofern nur begrenzt einen thematischen interdiskursiven Contra Flow etablieren (Atad 2016, S.10, Schenk 2009, S.131). Allerdings sind subtile Verschiebungen in Richtung einer konstruktiveren

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