Die Befragung. Armin Scholl
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Abschließend werden die Methode der Befragung allgemein sowie ihre Anwendung in der Kommunikationswissenschaft bewertet und die erwartbaren Entwicklungen aufgezeigt (→ Kapitel 8).
In einem ausführlichen Literaturverzeichnis sind Veröffentlichungen zu allen dargestellten Aspekten der Befragung dokumentiert. Auf eine thematisch geordnete Literaturübersicht wurde verzichtet, weil sie die mehrfache Nennung vieler Titel, die sich übergreifend mit der Befragung befassen, erfordert hätte. Ein ausführliches Register ermöglicht die selektive Suche nach bestimmten Autor/innen oder Stichwörtern.
Ergänzend zum Lehrbuch werden auf
www.utb-shop.de als digitales Zusatzangebot etwa 50 deutschsprachige Studien aus dem Feld der Kommunikationswissenschaft vorgestellt, die beispielhaft die Vielfalt der Befragungsverfahren und Befragungsvarianten aufzeigen sollen. Die Auswahl dieser Studien erfolgte systematisch nach mehreren Kriterien. Sie erhebt keinen Anspruch auf eine – wie auch immer definierte – Repräsentativität, sondern hat rein exemplarischen Charakter:Nur deutschsprachige Studien werden dargestellt. Dafür gibt es nicht nur den pragmatischen Grund, dass überhaupt eine Beschränkung notwendig ist, sie sind für die deutschsprachigen Leser auch direkter anwendbar. Zudem berücksichtigen die Studien nicht allein den deutschen Forschungsstand, sondern [13]haben in der Regel auch die anglo-amerikanischen Studien und deren Operationalisierungen rezipiert und in die eigene Konzeption eingebaut.
Ein weiteres Kriterium besteht darin, wichtige oder prominente Studien aus wichtigen Feldern der empirischen Kommunikationsforschung zu referieren. Zu diesen zählen die Mediennutzungsforschung, die sich mit dem tatsächlichen Mediennutzungsverhalten des Medienpublikums beschäftigt, und die Medienwirkungsforschung, die sich mit den Wirkungen medialer Inhalte auf Wissen, Gefühle, Einstellungen, Meinungen und Verhaltensweisen des Medienpublikums befasst. Daneben ist die Journalismusforschung zu erwähnen, in der es um berufliche Einstellungen und Normen sowie um deren Niederschlag in der journalistischen Berichterstattung geht.
Damit die Auswahl nach relevanten Studien nicht zu einseitig und subjektiv von den Präferenzen des Autors abhängt, wurden die wichtigsten deutschen Fachzeitschriften Publizistik, Rundfunk und Fernsehen (Medien und Kommunikationswissenschaft), Media Perspektiven und Medienpsychologie systematisch gesichtet und diejenigen Studien bewusst ausgewählt, die methodisch als interessant eingestuft werden können oder die stellvertretend für verschiedene Varianten der Befragung vorgestellt und diskutiert werden können. Voraussetzung für die Berücksichtigung ist eine hinreichende Dokumentation des methodischen Vorgehens.
Dieser aus dem Lehrbuch ausgelagerte Teil beginnt mit der Vorstellung verschiedener Studien zur Mediennutzung. Dazu gehört die Nutzung bestimmter Medieninhalte (Zeitungsartikel, Fernsehsendungen, Fernsehgenres), bestimmter Medienbereiche (Printmedien, Rundfunk, Online-Medien) sowie der Gesamtheit der Medien. Darüber hinaus wird die Mediennutzung auch im Tagesverlauf, im biografischen oder im soziologischen Kontext untersucht. Einige der Studien stammen aus der angewandten Kommunikations- und Medienforschung und sind zu Dauereinrichtungen geworden: »Media Analyse«, »Allensbacher Werbeträger Analyse«, »Massenkommunikation« sowie die Online-Studien.
Unter der Rubrik Wissen, Informationen und Kognitionen werden Studien im Kontext der Wissenskluft-Hypothese (Wissensunterschiede) und der Agenda-Setting-Hypothese (Einschätzung der Themenrelevanz) vorgestellt, darüber hinaus Expertenprognosen zur Zukunft des Journalismus und der Medien, Studien über Selektions- und Informationsverarbeitungsprozesse sowie zu politischen und sozialen Kognitionen.
Die Erhebung von Bedürfnissen, Motivationen und Emotionen sind Thema des folgenden Kapitels. Darunter fallen Studien zum Nutzen- und Belohnungsansatz, die sich mit kommunikativen und medialen Bedürfnissen beschäftigen, sowie zu [14]Präferenzen für oder gegen bestimmte Medien. Ebenfalls behandelt werden Untersuchungen zur Aufmerksamkeit bei der und Motivation für die Zuwendung zu bestimmten Medien. Ein wichtiger Bereich der Medienwirkungsforschung ist die Erforschung von (meist gewalthaltigen) Medieninhalten auf die emotionale Seite der Rezeption.
Die Beziehung zwischen Einstellungen und Verhalten ist ein häufig problematisierter Zusammenhang. Grundlegend für eine mögliche Medienwirkung von Medieninhalten auf die Bildung oder Veränderung von Meinungen und Einstellungen ist die Zuschreibung von Objektivität und Glaubwürdigkeit. Die Wirkung auf die Meinung selbst vollzieht sich entweder als Zusammenspiel von Massenkommunikation und interpersonaler Kommunikation (Zwei-Stufen-Fluss-Hypothese) oder indirekt über die Wahrnehmung öffentlicher Meinung (Theorie der Schweigespirale) oder direkt als kurzfristiger Effekt von subjektiv wichtigen Medieninhalten bzw. als Anpassung an ein über längere Zeit genutztes Medium. Die langfristige Gewöhnung an Medien bewirkt darüber hinaus auch grundlegende Einstellungsveränderungen (Kultivationshypothese). Die Journalismusforschung beschäftigt sich insbesondere mit der Relevanz von Normen und beruflichem Selbstverständnis für das (berufliche) Handeln.
Das vorliegende Lehrbuch zur Befragung ersetzt nicht die vorherige Einarbeitung in das Verständnis empirischer Forschung. Die Beschäftigung mit den der Befragung vorausgehenden und folgenden Phasen im Forschungsprozess muss ergänzend erfolgen: Nicht berücksichtigt werden wissenschaftstheoretische Fragen empirischer Forschung in den Sozialwissenschaften, die (mathematische) Stichprobentheorie oder statistische und textbasierte Auswertungsverfahren.
Dafür setzt das Buch keine Vorkenntnisse speziell zur Befragung voraus und ist somit als Einführung für Studierende aller sozialwissenschaftlichen Disziplinen geeignet. Gleichzeitig bietet es vertiefende Ausführungen an, die viele spezielle Fragen beantworten und einer scheinbar bereits bestens bekannten Methode neue Facetten abgewinnen. Die Methode der Befragung ist in den Sozialwissenschaften etabliert, aber nicht veraltet, wie ihr weiterhin vorhandenes Entwicklungspotenzial und die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten bestätigen.
In der dritten Auflage dieses Lehrbuchs sind Fehler aus der vorigen Auflage korrigiert und die benutzte Literatur aktualisiert worden. Zudem wurden an einigen Stellen kleinere Ergänzungen vorgenommen. Die Hervorhebung von Definitionen sowie einige Überblickstabellen sollen die Lektüre erleichtern. Die Auslagerung der Anwendungsbeispiele auf die Webseite von UTB-shop.de macht das Buch handlicher.
[15]1 | Die Befragung als sozialwissenschaftliche Methode |
1.1 | Kurzer historischer Abriss der Umfrageforschung |
Die wissenschaftliche Anwendung der Befragung setzt historisch erst spät ein. Noelle-Neumann / Petersen (1996: 21, 620) datieren sie auf das Ende des 18. Jahrhunderts. Dies liegt zum einen daran, dass die Methode an die Auskunftsfähigkeit und Auskunftsbereitschaft der befragten Personen gebunden ist. Die Befragung erfordert – soll sie Themen übergreifend und alle Bevölkerungsteile erfassend eingesetzt werden – eine moderne Gesellschaftsform. Zum anderen haben sich die Gesellschaftswissenschaften erst im Lauf des 19. Jahrhunderts entwickelt1: Die Soziologie wurde von Auguste Comte (1798-1857) quasi erfunden. Der Begründer der positiven Wissenschaft, des »Positivismus«, gilt als Vorläufer für die empirisch-analytische