Geologie der Alpen. O. Adrian Pfiffner
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1-9 Digitales Höhenmodell der Alpen und angrenzender Gebiete. Deutlich erkennbar sind die größeren Quertäler und Längstäler innerhalb der Alpen. Im Vorland der Alpen manifestieren sich die Tiefebenen des Rhein-Grabens im Norden und des Rhone-Bresse-Grabens im Westen, das Po-Becken im Süden und das Pannonische Becken im Osten als größere Flächen ohne Relief.
Das Ostalpin macht nahezu den gesamten Teil der Ostalpen aus. Nur am äußeren Rand im Norden und Osten sind im Liegenden des Ostalpins noch penninische und helvetische Decken zu erkennen. Im Innern der Ostalpen, im sogenannten Tauern-Fenster, ist das Ostalpin erodiert, und man gewinnt dadurch einen spektakulären Blick in die darunterliegenden penninischen und helvetischen Einheiten. Ein kleineres, aber ansonsten äquivalentes Fenster findet sich etwas westlich, im Unterengadin. Noch weiter im Westen, in den Zentralalpen, ist das Ostalpin fast vollständig abgetragen. Kleinere Erosionsreste, sogenannte Klippen, zeugen aber von der ursprünglichen Verbreitung. Die westliche dieser Klippen ist in der Zentralschweiz am Roggenstock zu finden.
Das Südalpin und die östlich angrenzenden Dolomiten sind vom Ostalpin durch eine größere Störung, das periadriatische Bruchsystem, abgetrennt. Diese setzt sich ostwärts in die Karawanken fort und trennt dort die Dinariden von den Ostalpen. In den westlichen Zenttralalpen sind südalpine Einheiten auf das Penninikum überschoben worden, wie dies die große Klippe der Dent Blanche bezeugt. Südalpin, Dolomiten und Dinariden waren tektonisch unabhängig vom Ostalpin. Lediglich die Affinität der mesozoischen Sedimente zum adriatischen Kontinentalrand stellt ein verbindendes Element dar.
Auch bei der Verteilung des Penninikums ist im Bereich der Zentralalpen eine größere Klippe am Nordrand der Alpen zu verzeichnen. Diese liegt in den romanischen Voralpen der Schweiz und im Chablais von Frankreich. Weitere kleinere Klippen sind in der Zentralschweiz zu finden. Auch diese Klippen belegen, dass die penninischen Decken einst große Teile der Alpen bedeckten.
Am äußeren Rand der Zentralalpen ist in Abb. 1-10 der Jura zu erkennen. Dieser bananenförmige Gebirgszug wurde am Schluss der Deckenbildung in den Alpen zusammengestaucht, gefaltet und nach Nordwesten geschoben.
Jüngere, känozoische Becken bilden die Begrenzung der Alpen. Im Norden der Alpen erstreckt sich das Molassebecken von Wien über München in das schweizerische Mittelland und läuft in westlicher Richtung aus. Das Molassebecken ist eine Vorlandsenke, die sich im Oligozän-Miozän im Gefolge der alpinen Deckenbildung bildete und mit dem Abtragungsschutt der werdenden Alpen aufgefüllt wurde. Das Molassebecken |Seite 29| wurde bei den jüngsten Deckenbewegungen hauptsächlich an seinem Südrand zusammengestaucht und im Bereich des Juras sogar nach Nordwesten geschoben.
Außerhalb des Juras erkennt man das Riftsystem mit Rhein-Graben und Rhone-Bresse-Graben. Die beiden Riftbecken sind durch ein Transform-Bruchsystem miteinander verknüpft. Aufbrüche von kristallinem Grundgebirge flankieren die Riftbecken auf beiden Seiten: Schwarzwald und Vogesen sowie Massif Central und Massif de la Serre.
Im Süden der Alpen schließlich erkennt man das Po-Becken, ein Vorlandbecken, das sich Alpen und Apennin teilen. Bis über zehn Kilometer mächtige klastische Sedimente haben sich in diesem Becken im Känozoikum abgelagert. Diese Beckenfüllung wurde teilweise von den Deckenbewegungen in den Alpen erfasst, gefaltet und überschoben.
In Abb. 1-11 sind drei schematische, vereinfachte Profilschnitte durch die Alpen wiedergegeben. Sie zeigen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen West- Zentral- und Ostalpen. Alle drei Profilschnitte bauen auf den Erkenntnissen von reflexionsseismischen Untersuchungen, die im Rahmen von drei größeren, nationalen und internationalen Forschungsprogrammen durchgeführt wurden. Der Profilschnitt durch die Westalpen basiert auf dem französisch-italienischen Projekt ECORS-CROP (Nicolas et al. 1990, Roure et al. 1996 und Schmid & Kissling 2000), jener durch die Zentralalpen auf dem schweizerischen Nationalen Forschungsprojekt NFP 20 (Pfiffner et al. 1997a) und schließlich das Ostalpenprofil auf dem deutsch-österreichisch-italienischen Projekt TRANSALP (TRANSALP working group 2002, Lüschen et al. 2004). Die Struktur der Unterkruste basiert auf Refraktionsseismologie und Erdbebentomografie (Waldhauser, et al. 2002, Diel et al. 2009 und Wagner et al. 2012).
Im Profilschnitt durch die Westalpen sieht man, wie die Kruste des europäischen Kontinentalrands nach ESE unter die Alpen eintaucht und dann sogar vom Erdmantel und der Kruste des adriatischen Kontinentalrands überlagert wird. Der steile Kontakt besitzt eine Seitenverschiebungskomponente (der Ostteil bewegte sich nach Norden). Überschiebungen in der europäischen Kruste deuten auf eine beträchtliche Zusammenstauchung in Ost-West-Richtung, was die Krustenmächtigkeit mindestens verdoppelte. Größere Kristallinaufbrüche (Belledonne, Gran Paradiso) lassen darauf schließen, dass einzelne Kristallinkörper über mehr als 100 Kilometer nach Westen auf das Vorland aufgeschoben wurden. Davon betroffen waren auch die mesozoischen Sedimente des Juras, die sogar auf die känozoischen Sedimente des Bresse-Grabens aufgeschoben wurden. Auf der adriatischen Seite wurden die Krustenblöcke in östlicher Richtung aufeinandergeschoben. Diese Strukturen sind von der Beckenfüllung des Po-Beckens zugedeckt und nur aus seismischen Untersuchungen bekannt. Im Falle von Ivrea gelangte der Erdmantel bis fast, die Unterkruste bis ganz an die Erdoberfläche. Diese Hochlage der Krusten-Mantel-Grenze ist etwas Einmaliges und beruht auf einer ererbten Geometrie aus der Zeit der Entstehung des Piemont-Ozeans. Reste dieses Ozeans sind im dünnen Band von Ophiolithen im Liegenden und Hangenden des Gran Paradiso-Kristallins zu finden.
Auch im Profilschnitt der Zentralalpen taucht die europäische Kruste nach SSE unter die Alpen ein. Die Oberkruste ist von der Unterkruste abgeschält und zu einem Deckenstapel aus Kristallindecken aufgetürmt. Die Unterkruste zieht unter den zusammengestauchten Rand der adriatischen Platte. Ähnlich dem Profil in den Westalpen befindet sich der adriatische Erdmantel in einer Hochlage. Auf der Südseite dieser Hochlage erfassen nordfallende Überschiebungen die Oberkruste, während die Unterkruste aufgefaltet wurde. Dieser Stil wird als „thick-skinned tectonics“ bezeichnet. Eine steile Bruchzone, die Insubrische Störung, trennt die Gesteine der adriatischen und europäischen Platte. Die Bruchzone zeigt zwei Bewegungskomponenten. Als steile Aufschiebung bewegten sich die abgeschälten Oberkrustenpakete des europäischen Rands südwärts, und teilweise gleichzeitig bewegte sich der adriatische Block als dextrale Seitenverschiebung westwärts. Nördlich des Aar-Massivs liegen Klippen von helvetischen und penninischen Sedimentdecken. Sie wurden von ihrer kristallinen Unterlage abgeschert und über mehr als 100 Kilometer in nördlicher Richtung geschoben. Dabei kamen sie auch auf die internen, südlichen Teile der känozoischen Füllung des Molassebeckens zu liegen.
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