Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Heinz Pürer

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Publizistik- und Kommunikationswissenschaft - Heinz Pürer

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der eine Beziehung zwischen anwesenden Personen beschreibt – mit wechselseitiger Kommunikation als einem Bestandteil dieser Beziehung. Darum geht es im Abschnitt 1. Der traditionelle Gegenstand der Kommunikationswissenschaft ist medienvermittelte öffentliche Kommunikation, die (zunächst ganz basal) linear von Sender (Kommunikator) zu Empfänger (Rezipient) verläuft. Auch hier finden Interaktionen zwischen den am Kommunikationsprozess Beteiligten statt, die allerdings z. T. einen anderen Charakter aufweisen, was in Punkt 2 besprochen wird. Das Internet als Kommunikationsplattform bietet das Potenzial, wechselseitige, also interaktive öffentliche Kommunikation zu ermöglichen, und damit die klassische Struktur einer Einwegkommunikation vom Sender zum Empfänger aufzubrechen. Das ist Gegenstand von Abschnitt 3. Dazu im Einzelnen:

       1) Interaktion in der zwischenmenschlichen Kommunikation

      Auf das Element der Interaktion im Kontext zwischenmenschlicher Kommunikation wurde bereits kurz hingewiesen (vgl. Kap. 3.1.2), es soll hier jedoch noch einmal darauf zurückgegriffen werden. Interaktion im hier verstandenen Sinn ist ein aus der Soziologie stammender Begriff. Das Grundmodell, an dem er sich orientiert, »ist die Beziehung zwischen zwei oder mehr Personen, die sich in ihrem Verhalten aneinander orientieren und sich gegenseitig wahrnehmen können« (Jäckel 1995, S. 463). Da eine Interaktion immer ein Gegenüber voraussetzt, klassifiziert Max Weber sie als eine bestimmte Form sozialen Handelns, das »mit subjektivem Sinn verbunden« sowie »auf das Handeln anderer Menschen bezogen und daran in seinem Ablauf orientiert ist« (Weber 1980, S. 1). Interaktion beschreibt folglich einen auf andere bezogenen »Handlungsablauf und die diesen Handlungsablauf konstituierenden Faktoren« (Jäckel 1995, S. 463). Zwischenmenschliche Kommunikation kann somit als eine spezifische Form der sozialen Interaktion verstanden werden: als Interaktion vermittels Zeichen und Symbolen, als Miteinander-in-Beziehung-Treten von Menschen (Interaktion) zum Austausch von Informationen (Kommunikation) mit dem Ziel der Verständigung (bzw. Anschlussfähigkeit). Aus soziologischer Perspektive ist die physische Präsenz, also die gegenseitig wahrnehmbare Anwesenheit der Interagierenden, ein wichtiges Definitionselement (ebd.). Der Informationsaustausch kann verbal und/oder nonverbal erfolgen und bedient sich in aller Regel aller jener Kommunikationskanäle [93](vgl. Kap. 3.1.6), über die Menschen in der Face-to-face-Kommunikation verfügen. Durch die Anwesenheit der Kommunikationspartner bestehen vielfältige Möglichkeiten der Rückkopplung und gegenseitigen Kontrolle. Ein Fehlen von Rückkopplungsmöglichkeiten und gegenseitiger Kontrolle hingegen steigert die Unverbindlichkeit von Interaktion. Weiterhin ist Reflexivität, also Rückbezüglichkeit, das elementare Kennzeichen der unmittelbaren zwischenmenschlichen Kommunikation (vgl. Merten 1977, S. 161f): Kommunikation bedarf »einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge sowie einer sachlichen und sozialen Bezugnahme« (Neuberger 2007, S. 46). Sie muss also chronologisch stattfinden (die Antwort vor einer Frage zu liefern macht schließlich keinen Sinn), einen Inhalt übermitteln bzw. an den Gegenstand der vorhergehenden Kommunikation anknüpfen (also eine ›vernünftige‹ Antwort auf die Frage geben) und an einen Empfänger (in dem Fall an den Fragesteller) gerichtet sein. Rückzugsmöglichkeiten bedürfen stets sozial akzeptierter Konventionen (z. B. eine angemessene Beendigung eines zwischenmenschlichen Gesprächs – eine Frage zu ignorieren bzw. nicht zu beantworten, empfinden wir als unhöflich).

       2) Interaktion in der klassischen Massenkommunikation

      In der klassischen medienvermittelten Kommunikation sind die Teilnehmer räumlich abwesend und die Mitteilungen bzw. Informationen werden im Wesentlichen einseitig gesendet, vom Kommunikator an den Rezipienten. Dennoch finden Interaktionen zwischen Sendern und Rezipienten statt, weil das Publikum (seien es einzelne Augenzeugen oder auch organisierte Gruppen) immer auch zur Quelle für mediale Inhalte wird (vgl. Wagner 1978, S. 42f). Wesentlich häufiger jedoch kommt es zu indirekten und imaginären Feedback-Prozessen, weil das Publikum auch auf Medieninhalte reagiert (vgl. Beck 2006, S. 43ff; Maletzke 1963, S. 41; Sutter 1990):

      Zum ersten bildet der Rezipient sich auf Basis des Medieninhalts ein Bild vom Kommunikator; Früh/Schönbach (1982; Schönbach/Früh 1984) verwenden dafür den Begriff Inter-Transaktion. Dieser Prozess ist wechselseitig, weil auch die Sender sich Bilder von den Rezipienten machen, und zwar auf Basis von Rückkoppelungen, die direkt und explizit (nämlich verbal oder textvermittelt) von den Rezipienten zurückkommuniziert werden (man denke z. B. an E-Mails oder Leserbriefe an Redaktionen, Call-Ins, die live in Radio- oder Fernsehsendungen geschaltet werden, oder an Nutzerkommentare auf Onlinenachrichtenseiten). Rückkoppelungen von Rezipienten an die Sender können aber auch indirekt über Konsumentscheidungen vermittelt werden (Kauf bzw. Nutzung) – diese geben allerdings vergleichsweise unspezifische Hinweise auf Präferenzen und Bewertungen der Rezipienten, weil sie sich nicht auf die konkrete Aussage, sondern generell auf den entsprechenden Zeitungs- oder Zeitschriftentitel, die TV- oder Hörfunksendung beziehen. Dasselbe gilt auch für die systematische Mediaforschung (vgl. Kap. 4.4.1), die (meist im Rahmen von Umfrageergebnissen) ebenfalls Publikumspräferenzen und -bewertungen an die Kommunikatoren vermittelt.

      Auch im Kontext klassischer Massenkommunikation findet also Interaktion und Feedback statt. Feedbackmöglichkeiten sind allerdings medial und zeitlich eingeschränkt (Feedbacks erreichen die Redaktionen häufig über andere Kanäle als Face-to-face: schriftlich, telefonisch oder als Nutzerkommentar; sie sind daher meist zeitversetzt und bleiben oft ohne direkte redaktionelle Reaktion) und teilweise durch Informationsverlust gekennzeichnet (Konsumentscheidungen und Mediaforschung).

       3) Interaktion in der computervermittelten Kommunikation

      Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive bedarf es also keines präsenten menschlichen Gegenübers, damit Interaktionen stattfinden. Das Gebiet computervermittelter Kommunikation ist nicht nur Domäne der Kommunikationswissenschaft, sondern insbesondere auch Gegenstand der Informatik (die sich naturgemäß auf die technischen Aspekte konzentriert) bzw. des Teilbereichs der ›Human Computer Interaction‹ (der auch wahrnehmungs- und kognitionspsychologische Phänomene [94]einbezieht). Interaktionen bezeichnen hier Kommunikationsprozesse zwischen Mensch und Maschine, bzw. solche zwischen Mensch und Computer. In der Kommunikationswissenschaft adaptierte man einerseits die Begriffsbedeutung aus der Informatik, ergänzte sie jedoch um das Interaktionsverständnis der Soziologie, um ebenso elektronisch vermittelte Interaktionen zwischen Menschen erfassen zu können. In unserem Fach bezeichnet man als Interaktivität folglich das Potenzial eines technischen Mediums oder einer Kommunikationssituation, interaktive (im Sinne von wechselseitige) zwischenmenschliche Kommunikation zu ermöglichen (vgl. Rafaeli 1988, S. 119; Neuberger 2007, S. 43f). Grundbedingung dafür ist, dass Sender und Empfänger die Rollen wechseln können (so gesehen ist bereits das Telefon ein interaktives Medium). Von Interaktivität ist daher zunächst ganz basal die Rede, wenn

1)ein Medium (eine Maschine, eine technische Anwendung etc.) über die Fähigkeit verfügt, »mit dem Nutzer in einen Dialog zu treten« (Goertz 1995, S. 478; vgl. Rogers 1986, S. 34) – sog. Menschzu-Maschine/Medium-Interaktivität; und wenn
2)ein Medium über das Potenzial verfügt, wechselseitige »synchrone [z. B. Chat] und asynchrone [z. B. E-Mail-, Foren-] Kommunikation zwischen geografisch getrennten Kommunikationspartnern« zu ermöglichen (Höflich 1994, S. 391; vgl. Neuberger 2007, S. 43f) – sog. Mensch-zu-Mensch-Interaktivität.

      Medien (nicht nur Onlinemedien) unterscheiden sich generell im Hinblick auf ihr kommunikatives Potenzial, also darauf

      • inwieweit »eine Medienanwendung in der Lage ist, sich auf die individuellen Bedürfnisse der Beteiligten ›einzustellen‹« (Goertz 1995, S. 485) (z. B. durch eine automatisierte Vor-Selektion von Inhalten/Personalisierung),

      • inwieweit man als Mediennutzer den Rezeptions- und Kommunikationsprozess beeinflussen kann (z. B. durch Modifikation, Steuerung/Kontrolle – man denke an verschiedene Kameraperspektiven auf ein Fußballtor) und

      •

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