Wirtschaftsgeographie. Harald Bathelt

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Wirtschaftsgeographie - Harald Bathelt

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wird auf nicht näher bestimmte Standortvorteile (-nachteile) zurückgeführt.

      (3) Struktureffekt einer Region (NPSi). Bei der Berechnung des Struktureffekts einer Region wird zunächst ermittelt, welche Sektoren im Gesamtraum überdurchschnittlich und welche unterdurchschnittlich gewachsen sind. Hierzu werden die sektoralen Wachstumsfaktoren des Bezugsraums mit dem Gesamtwachstumsfaktor des Bezugsraums verglichen.

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      Anschließend werden die positiven und negativen Wachstumsabweichungen mit der Beschäftigtenanzahl der entsprechenden Sektoren in der Region zum Zeitpunkt 0 multipliziert und zu einem Regionswert über alle Sektoren aufaddiert.

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      Falls eine Region dieselbe Sektorstruktur wie der Gesamtraum besitzt, würden sich positive und negative Abweichungen genau zu Null aufaddieren. Wenn hingegen in einer Region wachsende Sektoren überrepräsentiert sind, werden positive Wachstumsdifferenzen höher gewichtet und es resultiert ein Struktureffekt größer Null. Umgekehrtes gilt, wenn schrumpfende Sektoren überrepräsentiert sind.

      In dem dargestellten Differenzenverfahren der shift-Analyse errechnet sich der regionale Gesamteffekt additiv aus den beiden Einzeleffekten. In einer konkreten Untersuchung genügt es deshalb, den Gesamteffekt und den Standorteffekt direkt zu berechnen und den Struktureffekt als Differenz der beiden zu bestimmen.

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      Ein zu diesem Differenzenverfahren alternatives multiplikatives Verfahren basiert auf einer ähnlichen Aufspaltung und Argumentation (Gerfin 1964).

      Kritik an der shift-Analyse. Wie schon bei den Parametern der Strukturanalyse sind auch die Ergebnisse der shift-Analyse extrem abhängig von der gewählten regionalen und sektoralen Untergliederung. Je nach Aggregationsniveau kann die shift-Analyse ihr Ziel leicht verfehlen (Lauschmann 1976, III. Teil; Schätzl 1994, Kap. 3.1.2). Bei der shift-Analyse ist zudem das Zeitintervall der Untersuchung von großer Bedeutung und muss sorgfältig ausgewählt werden. Ein Vergleich von shift-Analysen aus unterschiedlichen Untersuchungen und verschiedenen Zeitintervallen ist äußerst problematisch und kann zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führen. Ferner ist die Prognosequalität der shift-Analyse grundsätzlich infrage zu stellen. Letztlich ist die shift-Analyse nur eine Methode, um Strukturen und Strukturveränderungen zu beschreiben. Eine wirkliche Erklärung der dahinterstehenden Ursachen muss jedoch durch eine weiterführende Analyse erfolgen.

      Klassische wirtschaftsgeographische Analysen sind vielfach auf lokale, regionale oder nationale Wirtschaftsabläufe und Beziehungen fokussiert. Dies ist auf der einen Seite verständlich, da ökonomische Probleme oft lokalisiert sind und ihren Folgen durch territorial begrenzte Politikansätze (z. B. Regionalpolitik) entgegengewirkt wird. Auf der anderen Seite zeigen sich immer deutlicher auch die Grenzen einer solchen Sichtweise, da ökonomische Prozesse international und global organisiert sind und deshalb Bedingungen und Trends in anderen Ländern nicht unbeachtet bleiben können (Haas und Neumair 2006; Giese et al. 2011). Durch die zunehmende Integration weltweiter ökonomischer Bedingungen und Strukturen sind die Produktionskonstellationen in ausgewählten Untersuchungsregionen und -ländern systematisch abhängig von Nachfragetrends, Technologieentwicklungen sowie politischen und institutionellen Bedingungen in anderen Ländern rund um den Globus. Wirtschaftliche Krisen, wie die globale Finanzkrise in den Jahren nach 2007, politische Spannungen, wie etwa in Nordafrika und im Nahen Osten, oder das britische Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (Brexit) haben oft auch über große Entfernungen hinweg unmittelbare Auswirkungen auf eine Untersuchungsregion. Im Folgenden werden vor diesem Hintergrund Konzepte der Globalisierung sowie grundlegende Dimensionen globaler Verflechtungen und Beziehungen aufgezeigt.

      Globalisierung ist weder Zustand noch Ursache, sondern ein Prozess der Transformation des Zusammenhangs zwischen Territorium und der Organisation sozio-ökonomischer Beziehungen (Waters 1995, Kap. 1). Dieser Zusammenhang ist das zentrale Element der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Ansätze, die im Kontext der Globalisierung seit den 1980er-Jahren entstanden sind (McGrew 1992; Waters 1995; Giddens 1997; Held et al. 1999; Sklair 1999). Die zunehmende Entankerung ökonomischen Handelns aus dem physischen Raum (Werlen 1997, Kap. 5) ermöglicht dabei sowohl die globale Verbreitung von Gütern, Leistungen, Wissen, Konsumpräferenzen und kulturellen Einstellungen als auch deren Pluralisierung an einem einzigen Ort. Das Herauslösen von Handlungszusammenhängen aus territorialen Bezügen führt im Sinne von Giddens (1997, S. 85) dazu, dass sich soziale Beziehungen weltweit intensivieren und „entfernte Orte in solcher Weise miteinander verbunden werden, dass Ereignisse am einen Ort durch Vorgänge geprägt werden, die sich an einem viele Kilometer entfernten Ort abspielen, und umgekehrt.“ Dieser Prozess wird von Giddens (1995; 1997) als räumliche Entbettung bzw. Entankerung im Zusammenhang von traditioneller (vor-moderner) und moderner Gesellschaft thematisiert.

      Neue Informations-, Kommunikations- und logistische Technologien ermöglichen seit dem 20. Jahrhundert die verstärkte Loslösung sozialer und ökonomischer Interaktionen aus Zeit und Raum – ein Phänomen, das als time-space compression (Harvey 1990) oder zeitkompakter Globus (Beck 1997) bezeichnet wird. Im Bereich der Logistik hat die Mobilität von Personen und Gütern durch Innovationen in der modernen Luftfahrt und durch Hochgeschwindigkeitszüge auf modernen Schienennetzen sowie durch die Massenmotorisierung der Gesellschaft erheblich zugenommen. Distanzen werden in viel kürzerer Zeit überwunden, sodass Entfernungen technologiebedingt zu schrumpfen (McHale 1969) (→ Abb. 4.10) bzw. Raum und Zeit zu konvergieren scheinen (Blotevogel 2000).

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      Abb. 4.10 McHale’sche Darstellung des schrumpfenden Planeten Erde (nach Dicken 1998, S. 152)

      Innovationen im Bereich der Kommunikationstechnologien wie z. B. Intranet, Internet, social media oder Videokonferenzen erlauben den Austausch von Informationen in Echtzeit und schaffen virtuelle Nähe (→ Kap. 4.2). Wertpapiergeschäfte sind nicht mehr auf die Öffnungszeiten der lokalen Börse beschränkt, sondern können von einem beliebigen Standort aus zu fast jeder Tages- und Nachtzeit an anderen Börsen der Welt getätigt werden. Der räumlich und zeitlich immer weniger limitierte Handel von Kapital in einem weltweit integrierten Finanzsystem wird daher zumeist als ideales Beispiel einer verwirklichten Globalisierung angesehen (Castells 1999, Kap. 2). Dabei stellen technologische Innovationen im Bereich der Kommunikation und der Logistik die vielleicht grundlegendsten Rahmenbedingungen für Internationalisierungs- und Globalisierungsprozesse dar (Rosenau 1990; Sklair 1999; Giese et al. 2011). Zudem gibt es eine Vielzahl institutioneller Veränderungen auf internationaler Ebene (z. B. die Beseitigung von Handelsbarrieren und Deregulierung der Finanzmärkte), die das Fortschreiten von Globalisierungsprozessen erst ermöglicht haben (Schamp 1996; 2000 b, Kap. 3.1; Giese et al. 2011). Jedoch kann der Prozess der Globalisierung nicht einfach als Folge von Rahmenbedingungen konzipiert werden, sondern ist vielmehr das Ergebnis strategischen Handelns von Akteuren.

      Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, die insbesondere seit den 1980er-Jahren eine neue Dimension (Qualität) des internationalen Austauschs ermöglicht haben, bedeuten aber keineswegs, dass der Prozess der Globalisierung ein gänzlich neues Phänomen ist, wie dies manche Vertreter der Globalisierungshypothese behaupten. Vielmehr setzte der Prozess bereits mit der Industrialisierung ein und wurde schon frühzeitig thematisiert, wie das folgende Zitat von Marx und Engels (1848, S. 23) aus ihrer Analyse der historischen Rolle der kapitalistischen Gesellschaft und ihres Wandels belegt: „Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet

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