Tatort Bodensee. Eva-Maria Bast

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Tatort Bodensee - Eva-Maria Bast

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hineingeklettert waren – ausgerechnet auch das noch! Horst fingerte hektisch den Schlüssel aus der Hosentasche, zitterte ihn ins Schloss, riss die Türe auf und stürmte in den Wagen. Dort freilich war von einem Einbruch nicht das Geringste zu merken: Alle Gegenstände lagen noch am selben Ort, an dem sie Horst zurückgelassen hatte, bevor er nach Überlingen fuhr. Kein durch­wühl­ter Koffer, kein auf den Kopf gestellter Schrank – nichts! Allmählich hatte es dann begonnen, bei ihm zu dämmern. Da waren keine Einbrecher am Werk gewe­-

      sen, das hatte er selbst fabriziert! Ganz eindeutig: eigene Schuld! Er hatte schlichtweg beim Wegfahren das Fenster ausgeklappt gelassen, um das schwül-hitzige Klima im Wohnwagen wenigstens etwas auf einigermaßen erträgliche Schlaftemperatur herunterzuschrauben. Als nun am Abend der Sturm aufgekommen war, da hatte eine Bö ganz offensichtlich einen derartigen Druck entwickelt, dass sie das sowieso schon recht wacklige Plastikfenster regelrecht weggeblasen hatte. Und Horst, der ahnungslos mit Thomas im »Faulen Pelz« sitzend den Überlinger Weinvorräten den Kampf angesagt hatte, war natürlich nicht im Entferntesten auf den Gedanken gekommen, eventuell einmal am Wohnwagen nach dem Rechten zu sehen und das Fenster zu schließen!

      Mist verfluchter! Denn das mit dem Fenster war noch nicht alles gewesen! Der heftige Wind hatte den Regen durch die Fensteröffnung ins Innere des Wohnwagens geweht. Dass sich die Schlafcouch aber auch direkt unter dem Fenster befinden musste! Und so war Horst bei seiner mitternächtlichen Rückkehr schließlich nichts anderes übrig geblieben, als den Rest der Nacht fluchend auf dem nackten harten Boden des Gefährts zu verbringen – notdürftig bedeckt mit seiner Regenjacke. Alles andere, also Bett, Decke und Schlafsack, war nämlich derart von Feuchtigkeit durchtränkt worden, dass an eine normale Nachtruhe auf keinen Fall mehr zu denken war!

      Klar, dass die Nacht auf dem Wohnwagenboden alles andere als gemütlich verlaufen war – schon beim bloßen Gedanken daran schmerzten Horst sämtliche Knochen im Leib. Dazu kam noch dieser pochende Kopfschmerz! Ihm war speiübel! Nie mehr wieder würde er etwas anderes zu sich nehmen als seinen bewährten Heilbronner Lem­berger, doch auch beim bloßen Gedanken daran breitete sich ein unerträgliches Drücken im Magen aus.

      In diesem Moment dröhnte ein unangenehm-schrilles Geräusch durch Horsts gemartertes Großhirn: das Handy! Um diese Uhrzeit! Das konnte doch nur ein Verrückter sein!

      Mit einer ärgerlichen Handbewegung schnappte er sich das Telefon und bellte wütend hinein: »Es ist 6.30 Uhr am Morgen und ich habe Urlaub!« Bevor er weitersprechen konnte, durchzuckte von Neuem ein stechender Schmerz seinen Schädel – Gelegenheit für den Ruhestörer am anderen Ende der Leitung, sich nun selbst zu Wort zu melden.

      »Na, das kommt davon, wenn man seine Freunde ver­gisst!«

      Protnik! Wer auch sonst?! »Sputnik!«, stöhnte Horst in das Mikrofon. »Was in drei Teufels Namen reitet dich denn für ein Gespenst …«

      »Gespenst?«, unterbrach ihn sein Gegenüber am Telefon. »Den ganzen Abend hab ich das Handy eingeschaltet gelassen und auf deinen Anruf gewartet, wegen unserer Verabredung heute! Das ist vielleicht ein doofes Gefühl, wenn du da in einer Wirtschaft sitzt und das blöde Ding da klingelt! Die Blicke, die sie einem da zuwerfen …«

      »Völlig zu Recht – man geht auch nicht mit eingeschaltetem Handy zum Essen – nicht mal in Russland!« Ein gezielter Schuss auf Protniks Herkunft aus den Tiefen des längst zerbröselten sowjetischen Riesenreichs!

      »Ja ja – hau du nur wieder drauf auf die Aussiedler! Einmal Russe, immer Russe! Und jetzt fehlt bloß noch der Spruch mit dem deutschen Schäferhund …« Die Stimme am andere Ende klang deutlich gekränkt.

      Aber Horst konnte seinen Treffer nicht richtig auskosten, denn immer mehr stieg nun die kurzzeitig verdrängte Übelkeit in ihm auf. Ungeduldig unterbrach er seinen Kollegen: »Also, Protnik, jetzt sag schon, was los ist – wieso du zu nachtschlafender Zeit Telefonterror betreibst. Auf geht’s – komm zur Sache!«

      »Telefonterror! Hat man da noch Töne! Du hast mir doch gestern versprochen, mich am Abend anzurufen, weil wir uns morgen treffen wollten, oder etwa nicht? Und wer hat nicht angerufen – du oder ich?« Jetzt war der andere aber ganz eindeutig eingeschnappt! Und zu allem Über­fluss hatte er auch noch recht: Horst hatte den Anruf bei Protnik total verschwitzt!

      »Okay, stimmt. Tut mir leid! Habe ich wirklich vergessen gestern Abend! Aber ich bin auch wirklich nicht dazu gekommen!«

      Die Mimose kostete ihren Triumph augenblicklich bis zur Neige aus. »Aus den Augen, aus dem Sinn! So schnell haben einen die lieben Kollegen vergessen!«

      »Blödsinn – lass den Quatsch! Und tu mir einen Gefallen und gib mir noch zwei Stunden Zeit. Mir geht’s nämlich grade nicht so besonders gut! Ich versprech dir, ich ruf dich dann ganz sicher an. Aber jetzt – du ich muss auflegen! Also bis später!« Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte Horst auf den roten Knopf des Handys und warf es anschließend mit mürrischem Brummen auf die Liege. Gleichzeitig entriegelte er hastig die Tür des Wohn­wagens und rannte so schnell er konnte in Richtung Hecke …

      Eine halbe Stunde später saß Horst trübsinnig vor sich hinstierend vor einer Tasse Pfefferminztee am Wohn­wagentisch. Ihn fröstelte, ihm war kalt – durch die fehlende Scheibe des Wagens wehte ein unangenehm kühler, feuchter Wind. Aber das passte im Grunde genommen genau zu seinen Gedanken, die so gar nicht zu der Urlaubsstimmung dazugehören wollten, auf die er sich doch so sehr gefreut hatte.

      Immer wieder grübelte er darüber nach, was ihm an dem gestrigen Abend nicht gefallen hatte. War es die ungewohnt aggressive Verhaltensweise, die Thomas Grund­ler der Bedienung gegenüber an den Tag gelegt hatte, waren es die trübsinnig-pessimistischen Gedanken, die Thomas gegen Ende des Abends geäußert hatte? Oder machte ihm Kummer zu erfahren, dass es mit der Ehe seines Kollegen nicht zum Besten stand, dass man offensichtlich im Hause Grundler mittlerweile getrennte Wege ging. So manche unschöne Szene war da in den letzten Wochen anscheinend zwischen Thomas und seiner Frau Susanne passiert und so, wie es Thomas geschildert hatte, standen die beiden nun vor den Trümmern ihrer Beziehung. Dazu kam – ausgerechnet – auch noch ein heftiger Streit mit dem Nachbarn der Grundlers, einem ewig nörgelnden Privatier und Besserwisser namens Helmut Speiser, der anscheinend den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun hatte, als die Straße vor seinem Haus zu kontrollieren und jeden Fahrzeuglenker, der seinen Wagen vor dem Speiser’schen Haus geparkt hatte, mit aggressiven Gesten zu vertreiben. Der Platz vor dem Haus (auf der öffentlichen Straße!) gehöre ganz allein zu seinem Anwesen und niemand sonst hätte hier etwas zu suchen. Thomas hatte es anscheinend schon mehrfach im Guten versucht, aber vergeblich: Der Nachbar hatte sich nicht von seinem Herr-auf-der-Straße-Standpunkt abbringen lassen, ganz im Ge­gen­teil sogar. Der Kerl hatte ihn sogar vor zwei Wochen angezeigt, wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und versuchter Körperverletzung. Thomas sei neulich beim Einparken mit seinem Wagen absichtlich schnell, mit aufheulendem Motor und schleifender Kupplung auf den Nachbarn zugerast, sodass dieser sich nur noch durch einen Sprung über den Gartenzaun habe in Sicherheit bringen können. »Völliger Blödsinn natürlich, der Kerl lügt wie gedruckt, da ist kein Fünkchen Wahrheit dran an dieser Story – aber ich habe jetzt den Salat!«, hatte Thomas gemeint und dabei sorgenvoll die Stirn in Falten gelegt. »Das hat der mit vollster Berechnung angezettelt, der Spinner! Kannst du dir vorstellen, wie das am nächsten Tag auf der Direktion war, als mich der Striebel«, dabei handelte es sich um den Chef der Polizeidirektion, »plötzlich zu sich zitiert und mir eröffnet hat, es läge eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen mich vor? Und als ich gelacht habe, wo er mir erzählt hat, um was es sich handelt, da hat er gemeint, ich solle die Sache ja nicht auf die leichte Schulter nehmen! Im Gegensatz zu diesem Psychopathen nämlich habe ich keine Zeugen, die meine Unschuld beweisen könnten, während der seine ganze Familie gegen mich hat aussagen lassen! Du – das kann ein Disziplinarverfahren von

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