Der Wolfsmann. Hans-Peter Vogt

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Der Wolfsmann - Hans-Peter Vogt

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sich unter der Wohnung ausbreitet, in der er lebt.

      Dieses Zentrum bestimmt auch das Denken und Handeln von Alf. Es gibt dort eine Krabbelgruppe, und es gibt einen Kindergarten. Sie haben in einem der Innenhöfe einen großen Spielplatz, und es gibt dort Kaninchenställe und richtige Hühner. Die werden von den größeren Kindern versorgt, aber natürlich haben die ganz Kleinen Kontakt zu diesen Tieren. Mama hat das vor ein paar Jahren angestoßen, damit die Kinder dieses besondere Verantwortungsgefühl im Umgang mit Tieren schon von Kleinauf lernen.

       1.4.

      An diesem Vormittag gehen Alf und Lilly hinüber zu Mama und Papa. Lilly hat angeklopft. Das ist in ihrer Familie so üblich. Manchmal wollen Mama und Papa auch alleine sein, aber an diesem Morgen hat Mama gerufen „kommt rein“, und sie legen sich zu Mama und Papa ins Bett, schmusen ein bisschen, erzählen, lachen und balgen, wie sie das oft zusammen tun.

      Schließlich steht Mama auf und sie meint, jetzt sei Frühstückszeit.

      Juan und Sarah sind schon auf. Sie haben sich schon gewaschen und schon angezogen, und sie stehen jetzt in der Küche und decken gerade den Tisch. Sie wissen schon, wie man das macht.

      Mama hat gar nicht mehr so viel Arbeit mit dem Frühstück. Es wird noch Kaffee gekocht und Toastbrot geröstet. Mama kontrolliert alles noch mal, und Papa kommt frisch rasiert aus dem Bad.

      Er duftet nach Rasierschaum, wie immer, und er ist schon angezogen. Er wird bald das Haus verlassen, denn es gibt heute frühe Termine. Was das ist, davon Alf keine Ahnung.

      Mit knapp drei Jahren hast du eine Wahrnehmung die fern von solchen Dingen liegt. Also krabbelt Alf zu Papa auf die Eckbank, legt seine Ärmchen um seinen Hals und schnuppert an der frisch rasierten Wange. Alf liebt diesen Geruch.

       1.5.

      Heute bringt Mama Alf und Lilly in die Kindereinrichtung. Juan und Sahra machten sich auf den Weg zur Schule. Sie fahren mit dem Bus und mit der U-Bahn.

      Auch Mama verabschiedet sich heute schnell. Sie liebt diese Ruhe am Morgen, wenn die Hektik des Betriebs noch nicht ausgebrochen ist. Dann kann sie in Ruhe Akten studieren, Gespräche mit Lieferanten führen, und frühe Sitzungstermine wahrnehmen. Solche Dinge gibt es oft. Mama ist in vielen wichtigen Ausschüssen und Gremien vertreten. Handelskammer, Gesundheitskammer, Ausländerkammer, lauter solche Dinge. Für Alf sind das Themen, mit denen er sich noch nicht beschäftigen muss.

      Für ihn zählen andere Dinge. Die anderen Kinder in der Krabbelgruppe, die Erzieher, die Kaninchen, die große Halle im Zentrum, in der „Aysas Imbiss“ liegt, der seit einigen Jahren von ihrer Enkelin Senay geführt wird. Dort gibt es alle möglichen leckeren Dinge. Seit vielen Jahren bekommt man dort auch regelmäßig frisch gepresste Säfte aus Obst und Gemüse. Es gibt Bananen- und Schokomilch, Erdbeermilch und viele Obstspeisen, mit Quark und Joghurt. Es gibt verschiedene Käsesorten, Hammelfleisch, Meeresfrüchte und natürlich Teigwaren in jeder Form. Türkische Pizza, Fladenbrot, süßes Gebäck, Nudeln, Tagliatelle, Spaghetti. Senay hatte längst auch italienische, spanische und griechische Spezialitäten im Programm. Es gibt frische Feigen und Oliven, gefüllte Paprika und allerlei Soßen, süß und salzig, scharf und mild, und sogar süße Pfannekuchen mit Apfelmus, Reibekuchen, geschmorte Äpfel in Schokoladenguss, und Waffeln mit Puderzucker. Alf liebt das.

      Senay hat mit der Krabbelgruppe und mit dem Kindergarten einen Liefervertrag. Sie sorgt für das Frühstück und das Mittagessen. Es gibt aber auch einen Vertrag mit dem Metzger und dem Bäcker im Zentrum. Das Essen in der Kindereinrichtung ist vielseitig.

      Jedenfalls ist Alf oft bei Tante Senay im Imbiss.

      Er liebt Senay, und er wird stets bevorzugt behandelt. Nun, vielleicht nicht übertrieben bevorzugt, aber als Sohn der Leiterin des Zentrums, und als Sohn des Leiters der Sicherheitsabteilung, hat er natürlich eine bevorzugte Stellung.

      Manchmal ist er mit den Geschwistern oder mit Mama oder Tante Lara bei Tanz- oder bei Musikproben. Manchmal kommt Lore mit, manchmal Rob. Es gibt im Zentrum auch Verkleidungskünstler, Stelzenmänner, Zauberer und Pantomimen, und eine Einradfahrergruppe.

      Sie besuchen die Kindergruppe oft, und es gibt Vorführungen. An manchen Tagen werden die Kinder angemalt wie Clowns oder Tiger, Katzen oder Bären. Es gibt Verkleidungen und kleine Theaterstücke. Sie singen. Es gibt kleine Trommeln und Klangstäbe, Triangeln, Glöckchen und Rasseln, und es wird vorgelesen und gebastelt, manchmal mit Knete, manchmal mit Phimo, manchmal mit Papier. Natürlich gibt es Holzbausteine, Duplo und Lego.

      Alf hat schon früh gelernt, dass er ein Teil der Gruppe ist. Nicht nur ein Teil seiner Familie, sondern auch der Kindergruppe und der großen Gruppe im Musikzentrum.

      Manchmal nutzt er die Stellung aus, die er als Sohn der großen Chefin hat, aber er hat schnell gelernt, dass die vielen Menschen im Servicebereich des Zentrums angewiesen worden waren, dass Regeln eingehalten werden müssen.

      So etwas wie Starallüren oder vordrängeln wird nicht geduldet. Mama sagt stets. „Wir leben hier. Die Menschen hier im Zentrum, das ist unsere Familie. All die vielen Kids sind so etwas wie eure Schwestern und Brüder, aber weil ich das Zentrum leite, habe ich eine große Verantwortung. Ich bin der Diener all dieser Kids. Wir haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich hier alle wohl fühlen. Nicht nur ich und nicht nur Papa. Auch ihr habt diese Verantwortung. Vergesst das nie.“

      So war Alf schon früh in diesem Bewusstsein aufgewachsen, der Diener all dieser Menschen zu sein, auch wenn er stets spürt, dass er etwas Besonderes ist, und dass immer jemand da ist, wenn er Hilfe braucht.

      Auch wenn er Teil der Kindergruppe ist, so gibt es manchmal Meinungsverschiedenheiten und Streit. Das ist so, wenn Kinder zusammen aufwachsen. Die Erzieher sind aber immer zur Stelle. Sie mischen sich nicht immer ein, Kinder müssen schließlich lernen, Konflikte untereinander zu lösen, aber die Gemeinsamkeiten sind um vieles größer als die Konflikte. Es gibt einfach auch so viel Interessantes zu tun. Manchmal holen sie vorsichtig die Eier ins Haus, die von den Hühnern gelegt werden. Sie werden dann gekocht oder gebraten, oder auch in die Suppe gerührt. Es gibt eine große Küche. Manchmal werden kleine Kuchen gebacken, manchmal Fischstäbchen oder Kartoffeln gebraten. Senay bringt manchmal nur die Rohzutaten, und die Erzieher und die Kinder matschen sich ihr eigenes Essen. Es wird aber auch gebastelt und gemalt, vorgelesen und getanzt.

      Manchmal werden die beiden Kindergruppen zusammengeführt, die Großen und die Kleinen.

      Schließlich gibt es einen Ruheraum, wo man mittags schlafen kann. Manchmal liegt einer der Erzieher mit ihnen in diesem abgedunkelten Raum auf den großen Polstern, und summt oder singt leise.

      Alf hat gelernt, dass das Leben behütet ist. Wenn er dann abends von Mama oder Papa abgeholt wird, oder mit den Geschwistern nach Hause geht, dort ins oberste Stockwerk des Musikzentrums, dann ist immer die engste Familie für ihn da. Er kann auch immer zu Tante Lara hinüber in die andere Wohnung gehen, und die Küche ist der gemeinsame Mittelpunkt aller.

       1.6.

      An diesem Vormittag sieht Alf zuerst nach den Hühnern und nach den Kaninchen. Die Hühner haben Küken bekommen. Über Nacht hatten sich einige schon durch die Schale gepickt, andere tun das gerade eben und das ist für die Kinder richtig spannend. Die Küken sind noch richtig nackt, nur bedeckt von einem kaum sichtbaren Flaum.

      Die Henne ist wie eine Glucke und passt auf ihre Küken auf. Die Kinder sehen und staunen.

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