Die Vereinigung der Kraft. Hans-Peter Vogt

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Die Vereinigung der Kraft - Hans-Peter Vogt

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Vera nickte ihm zu. „Es geht ihm gut. Besser als dir.“ „Dann lasst uns baden“, bat Para und das ganze Dorf ging an die Badestelle am Fluss. Para und der Alte waren noch etwas schlapp, doch das kühle Wasser tat ihnen gut.

      „In den nächsten drei Tagen gibt es für den Takilada nur den Saft der Beeren und Wasser“, befahl Para. „Nachts wickelt ihr ihn in die Blätter ein. Er sollte am Morgen und am Abend baden. Das reinigt ihn vom Schweiß und den Ausscheidungen der Haut. Das Gift der Ameisen muss den Körper wieder verlassen. Das dauert noch ein paar Tage. Erst dann darf der Takilada wieder essen. Gebt ihm zuerst Obst. Später darf er etwas Trockenfleisch essen. Aber gebt ihm jeden Morgen etwas rohen Fisch und viel Wasser. Er braucht das.“

      „Ich bleibe noch zwei Tage. Ich bin sehr müde. Wenn ich wach bin, werde ich weiter nach dem Takilada sehen."

      Es war wie ein Wunder. Dem Takilada ging es von Tag zu Tag besser. Auch Para erholte sich und hatte nach zwei Tagen seine alte Kraft wieder. Er war erst acht und er hatte sich die Dankbarkeit und die Hochachtung des ganzen Dorfes verdient.

      Dieses Ereignis sprach sich im Dschungel herum. Es wurde sogar bis in die heilige Stadt getragen.

      Die Sonnenkönigin sprach mit ihrer Tochter darüber. Sie waren sich einig, dass Para die Kraft seines Vaters geerbt hatte, wenn alles das so stimmte, wie man ihnen das zugetragen hatte. Die Königin zweifelte nicht daran. Sie wusste längst, dass sich dort im Urwald am Amazonas etwas bedeutendes entwickelte. Sie hatte das Dorf von Abgaben verschont, aber sie hörte die Berichte der Handelskarawanen, die das Dorf in unregelmäßigen Abständen besuchten. Sie war recht gut darüber informiert, was dort geschah.

       6.

      Auch die älteste Tochter von Dennis und der Sonnengöttin hatte solche außerordentlichen Fähigkeiten wie Para. Auch sie war weißhaarig und blauäugig.

      Fala hatte schon früh einen guten Kontakt zu allen Menschen am Hof. Sie konnte gut plappern und sie konnte gut zuhören. Sie konnte vermitteln und Frieden stiften. Sie hatte sehr früh einen Teil der Kraft von Dennis bekommen, damals auf dem großen Fest.

      Schon in jungen Jahren kümmerte sie sich um die früheren Diener des Thénnis. Sie ermunterte sie mit der Schule fortzufahren und Vera nahm selbst an diesem Unterricht teil.

      Bereits mit vier konnte sie alle diese Zeichen lesen, deuten und schreiben. Sie führte neue Zeichen ein. Manches vereinfachte sie, manches ergänzte sie. Sie hatte eine unglaubliche Auffassungsgabe und ein perfektes Gedächtnis. Sie konnte mit Zahlen umgehen und selbst schwierige Rechenaufgaben lösen. Es war ein Wunder.

      Fala war stets offen. Sie lobte und sie kritisierte. Sie kannte keine Scheu und kritisierte auch ihre Mutter.

      „Der Krieg damals, gegen die Karancula“, sagte sie, „da hast du Fehler gemacht.“ Die Dörfer des Busches haben unter den Karancula gelitten. Du hättest sie zu deinen Freunden machen sollen.“ Sie war vier, als sie das sagte. Woher sie das wusste, konnte sich niemand erklären. Nur Basuna hatte dabei gestanden und den Kopf gesenkt. Er hatte leise in sich hineingelächelt. Er wusste: Fala war die Tochter eines Gottes. „Götter wissen viele Dinge, die Menschen nicht wissen“, hatte Dennis einmal gesagt. Basuna erkannte Dennis in Fala wieder. Sie hatte dieselbe Art, auf Menschen zuzugehen, sie war großherzig, hellwach und mit einer Ausstrahlung, die auf die Menschen um sie herum wirkte, wie die wärmende Sonne am Morgen.

      Auch er hatte schon sehr früh alle Berichte über Para gehört. Während Para und Fala ganz offenbar die göttlichen Fähigkeiten von Dennis geerbt hatten, waren die beiden andern Kinder zwar hellwach und begabt, aber sie hatten nicht diese unvergleichlichen Kräfte.

      Palasque, der Bruder von Fala hatte sich schon früh dem Interesse an Waffen und Krieg verschrieben. Er spielte gern mit Dolchen, und übte mit der Palastwache. Basuna beobachtete das, und er beauftragte den Heerführer, sich um den Jungen zu kümmern.

      Fala war ganz anders als ihr Bruder. Sie nahm an Besprechungen der Minister und der Hohepriester teil. Man konnte mit ihr reden und diskutieren. Sie gab sehr schlaue und gerechte Anweisungen. Sie begann die Beratungsstelle ihres Vaters einzunehmen. Außerdem hatte sie sich schon sehr früh um die Fortsetzung des Hochzeitsrituals gekümmert. Es war verblüffend. Sie hatte wirklich die Stelle ihres Vaters eingenommen. Sie konnte den Menschen in die Herzen sehen. Sie überließ die Trauung stets den Priestern, aber Fala übernahm alle Arbeiten, die vorher anstanden.

      Dabei verlangte sie kein Geld. Sie wies es ausdrücklich zurück. „Ich bin die Tochter der Königin“, pflegte sie zu sagen. „Ich habe euch so zu dienen, wie ihr mir gehorchen müsst.“ Auch das war neu. Jeder andere wäre dafür verachtet, vielleicht sogar hingerichtet worden. Es war eine Ungeheuerlichkeit. Aus dem Mund von Fala klang das ganz selbstverständlich. Das Volk liebte Vera, und es begann die Beziehungen untereinander zu verändern. Es war wirklich, als wenn Dennis in Fala weiterlebte.

      Die Sonnenkönigin bat Fala manchmal, sich etwas zurückzuhalten um die Hochachtung vor dem Hof nicht zu verwässern, aber Fala wehrte ab. „Ich werde nichts unternehmen, was deine Stellung untergräbt. Du bist die Herrscherin des Sonnenstaates. Ich bin nur deine Tochter.“ Es war wirklich so. Fala hielt sich daran. Sie ließ ihrer Mutter bei den Festen stets den Vortritt. Bei den Besprechungen mit Ministern und den Hohepriestern überließ sie ihrer Mutter stets das letzte Wort. Sie unternahm nichts, was ihrer Mutter schadete.

      Nur manchmal, nach einer Sitzung kritisierte sie ihre Mutter unter vier Augen, und bat sie etwas zu überdenken, was sie für falsch hielt. Aber das blieb ein Geheimnis zwischen Fala und der Sonnenkönigin. Nicht einmal Basuna wusste davon.

      Außerdem besprachen sich Fala und ihre Mutter oft vor wichtigen Entscheidungen. Manchmal wusste Fala keinen Rat, dann holten sie die Minister und die Hohepriester zu ihren Besprechungen. Fala wuchs in die Rolle der zukünftigen Herrscherin des Landes.

      Als sie sechs Jahre alt war, unternahm sie ihre erste Reise. Sie begleitete eine Karawane weit nach Süden und kam mit neuen Eindrücken und Erkenntnissen zurück.

      Sie nahm bald regelmäßig an solchen Reisen teil. Sie lernte andere Städte und Fürsten kennen. Sie hörte stets aufmerksam zu und sie ließ nichts zu, was die Stellung der Königin hätte schmälern können. Auf einer dieser Reisen wurde Fala von Basuna begleitet. Er erstattete der Königin Bericht. Er war voller Hochachtung für die diplomatischen Fähigkeiten von Fala.

       7.

      Als sich das Gerücht um die wundersame Heilung im Lande verbreitete, beschloss Fala ihren Stiefbruder aufzusuchen.

      Sie erklärte das ihrer Mutter so. „Du hast mir einmal erzählt, dass du mit Polia eine Vereinbarung getroffen hast. Sie soll in ihr Dorf zurückkehren und den Erben deines Thrones nicht gefährlich werden. Ich sehe da keine Gefahr. Aber ich sehe da ein außerordentliches Talent, was wir uns zunutze machen sollten. Aus diesem Grund will ich meinen Stiefbruder kennenlernen. Ich werde eine Karawane begleiten, die mich in sein Dorf führt. Ich will keine Elitekrieger dabei haben. Ich kann mich selbst verteidigen, wenn es dazu kommen sollte.“

      Die Königin besprach das mit ihren Beratern und sorgte für eine ausgesuchte Mannschaft der nächsten Karawane an den Amazonas. Alle Thé waren Krieger. Fala würde mehr Schutz haben als sie vermutlich brauchte.

       8.

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