Staatsrecht III. Hans-Georg Dederer

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Staatsrecht III - Hans-Georg Dederer Schwerpunkte Pflichtfach

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Nordatlantikvertrag enthält keine Vorschriften, die der NATO der Zustimmungserklärung entsprechende Befugnisse ausdrücklich zuerkennen. Hieraus folgt indessen nicht, daß im vorliegenden Fall den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 GG nicht genügt wäre. Wie der Senat in seinem Beschluß vom 23. Juni 1981 (BVerfGE 58, 1, 36 f) entschieden hat, ist die sachliche Reichweite des Gesetzesvorbehalts in Art. 24 Abs. 1 GG auch mit Blick auf die Art und Weise zu bestimmen, in der Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift auf der zwischenstaatlichen Ebene errichtet werden und funktionieren. Dies geschieht typischerweise im Rahmen eines Integrationsprozesses. In seinem zeitlichen Verlauf sind zahlreiche einzelne Vollzugsakte erforderlich, um den im Gründungsvertrag angestrebten Zustand herbeizuführen. Die Rechtsformen, in denen sich das vollzieht, können vielfältig sein. Auch dort, wo nicht schon der Gründungsvertrag selbst den Ablauf eines Integrationsprozesses nach Inhalt, Form und Zeitpunkt festgelegt hat, bedarf es für die einzelnen Vollzugsschritte nicht von vornherein jeweils eines gesonderten Gesetzes im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG. Es ist dort entbehrlich, wo bereits der Gründungsvertrag, dem durch Gesetz zugestimmt worden ist, diesen künftigen Vollzugsverlauf hinreichend bestimmbar normiert hat. Wesentliche Änderungen des dort angelegten Integrationsprogramms und seiner Vollzüge sind allerdings nicht mehr von dem ursprünglichen Zustimmungsgesetz nach Art. 24 Abs. 1 GG gedeckt. Die Maßstäbe solcher hinreichenden Bestimmbarkeit müssen dabei aus der jeweiligen Eigenart des vom Gründungsvertrag geregelten Lebenssachverhalts im Lichte der durch Art. 24 Abs. 1 GG geschützten Rechtsgüter wie auch der durch die Vorschrift ermöglichten Gestaltungsfreiheiten und ihrer Praktikabilität im internationalen Bereich entnommen werden.

      … Gemessen hieran bedurfte die Übertragung von Einsatzbefugnissen über die in Rede stehenden, in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Waffensysteme durch die angegriffene Zustimmung der Bundesregierung nicht eines gesonderten Gesetzes nach Art. 24 Abs. 1 GG.“

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      Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. 1992 I, S. 2086), das seinerzeit den Beitritt der Bundesrepublik zur EU auf der Grundlage des Vertrags von Maastricht ermöglichte, ist Art. 23 GG alleinige Grundlage für alle Integrationsschritte im Rahmen der Europäischen Union geworden. Art. 24 Abs. 1 GG ist seither nur mehr für andere zwischenstaatliche Einrichtungen, denen Hoheitsrechte übertragen werden, maßgeblich.

      Beispiele:

      (1) Europäische Patentorganisation (BVerfG, NJW 2001, S. 2705 f, 2705).

      (2) Europäische Schulen (BVerfGE 149, S. 346 ff).

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      Die Integrationskompetenz liegt dabei allein beim Bund. Insbesondere steht gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG nur dem Bund die Kompetenz zu, durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte auf die EU zu übertragen.

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      Diese Bundeskompetenz zur europäischen Integration ist aber nicht auf die gesetzliche Übertragung von Hoheitsrechten iSv Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG beschränkt. Vielmehr ermächtigt Art. 23 Abs. 1 GG zu prinzipiell allen Arten von Integrationsakten. Diese können auch rein völkervertraglicher Natur sein.

      Beispiele:

      Im Gefolge der weltweiten Finanzkrise ab 2007 kam es auch im Euroraum zu einer Staatsschuldenkrise, welche 2010 zunächst Griechenland erfasste und sich zur sog. „Eurokrise“ auswuchs. Um einen dauerhaften Krisenbewältigungsmechanismus zu schaffen, errichteten die Euro-Staaten der EU 2012 durch völkerrechtlichen Gründungsvertrag den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Der ESM bildet eine eigenständige internationale Organisation. Als zusätzliches Stabilisierungsinstrument wurde 2012 ein weiterer völkerrechtlicher Vertrag, der sog. Fiskalpakt (Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion), abgeschlossen. Das BVerfG hat die Tätigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus als eine Angelegenheit der Europäischen Union im Sinne des Art. 23 Abs. 2 GG bezeichnet (BVerfGE 135, S. 317 ff, 428). Für den Fiskalpakt kann nichts anderes gelten.

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      Die von Art. 23 Abs. 1 GG vermittelte Ermächtigung zur europäischen Integration gilt nicht nur für die Errichtung der EU, sondern auch für alle zukünftigen Integrationsschritte. Sie können durch ordentliche oder vereinfachte Vertragsänderungen (Art. 48 Abs. 2 bis Abs. 6 EUV), besondere Vertragsänderungen (zB Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 EUV) sowie durch die Inanspruchnahme von sog. Brückenklauseln (Passerelles, Art. 48 Abs. 7 EUV, Art. 81 Abs. 3 AEUV, s. Rn 133), die Kompetenzerweiterungsklausel (Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV) oder die Flexibilitätsklausel (Art. 352 AEUV) zustande kommen. Ob und inwieweit entsprechende Integrationsakte unter dem staatsrechtlichen Vorbehalt eines formellen Gesetzes stehen oder nur unter Beachtung der sich aus Art. 79 Abs. 2 oder 3 GG ergebenden Anforderungen ergehen dürfen, ergibt sich aus Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG.

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      Hoheitsrechte im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG sind – ebenso wie bei Art. 24 Abs. 1 GG (Rn 111) – Hoheitsrechte des Bundes und der Länder. Dies ergibt sich schon positivrechtlich aus Art. 23 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 GG. Dazu kommen die zu Art. 24 Abs. 1 GG vertretenen allgemeinen Überlegungen (Rn 111). Handelt es sich um die Übertragung von Hoheitsrechten der Länder, so kommen bei deren Wahrnehmung das Bundesratsverfahren gemäß Art. 23 Abs. 2 und Abs. 4 bis Abs. 7 GG und das Ausführungsgesetz Bundesrat (Sartorius I, Nr 97) zur Anwendung (s. dazu Rn 743 ff).

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      Für den Begriff der Übertragung gilt das oben Ausgeführte (s. Rn 113). Die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU lässt sich als „staatsverfassungsrechtliche … Grundlegung der Unionsgewalt“ beschreiben (BVerfGE 123, S. 267 ff, 350). Auch damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Mitgliedstaaten „Herren der Verträge“ (EUV, AEUV) und der in diesen Verträgen eingeräumten Unionskompetenzen sind. Die Unionsgewalt ist also aus der staatsrechtlichen Perspektive des GG lediglich eine von den Mitgliedstaaten abgeleitete Hoheitsgewalt und deshalb der beliebigen Disposition der Union entzogen.

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      Die Hoheitsrechtsübertragung kann nur „auf der Grundlage eines Integrationsprogramms nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung“ (BVerfGE 123, S. 267 ff, 347) (s. Rn 617 ff) erfolgen. Die Übertragungskompetenz des Bundes bezieht sich daher immer nur auf einzelne, der EU begrenzt eingeräumte Hoheitsrechte. Vor allem darf der EU keine sogenannte Kompetenz-Kompetenz gewährt werden, dh die Kompetenz, sich selbst allein mit Hilfe ihrer eigenen Organe weitere Kompetenzen, also neue Hoheitsrechte, zu Lasten der Mitgliedstaaten zu verschaffen (BVerfGE 126, S. 267 ff, 349, 352).

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