Staatsrecht III. Hans-Georg Dederer
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Die Pflicht aller Staatsorgane, Völkerrecht zu respektieren, gilt auch zB für die Bundeswehr bei Auslandseinsätzen (Rn 1270 ff). Der BGH hat es allerdings abgelehnt, die Völkerrechtsfreundlichkeit des GG für eine Haftung des deutschen Staates wegen Völkerrechtsverstößen der Bundeswehr heranzuziehen. Vielmehr stehe das Prinzip der Völkerrechtsfreundlichkeit einer Ausdehnung des Amtshaftungsanspruchs (§ 839 BGB iVm Art. 34 GG) auf Schäden, die ausländischen Bürgern von Soldaten der Bundeswehr im Rahmen von Auslandseinsätzen im Zuge eines bewaffneten Konflikts zugefügt werden, entgegen. Denn eine solche Staatshaftung könne die gemäß Art. 24 Abs. 2 GG gewollte Integration Deutschlands in Systeme kollektiver Sicherheit (Rn 1167 ff) erheblich beeinträchtigen. Nach Auffassung des BGH dürfe (BGHZ 212, S. 173 ff, … Rz 38):
„nicht übersehen werden, dass das Risiko einer kaum abschätzbaren Haftung dazu führen könnte, dass humanitär motivierte bewaffnete Auslandseinsätze der Bundeswehr reduziert oder gar gänzlich eingestellt würden …. Aus Sicht zum Beispiel der NATO-Partner, deren nationale Rechtsordnungen individuelle Schadensersatzansprüche wegen Verstößen ihrer Streitkräfte gegen das humanitäre Völkerrecht nicht vorsehen …, wären die deutschen Streitkräfte auf Grund des Damokles-Schwertes der – auch gesamtschuldnerischen – Amtshaftung nur noch bedingt bündnis- und kampfeinsatzfähig … .“ (aA Sauer, DÖV 2019, S. 713 ff, 721 f).
§ 2 Völkerrecht, Europarecht und nationales Recht › C. „Offene Staatlichkeit“ › III. Europarechtsfreundlichkeit des GG
III. Europarechtsfreundlichkeit des GG
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Der Grundsatz der „Europarechtsfreundlichkeit“ des GG ist noch vergleichsweise wenig konturiert. Ihn hat das BVerfG erst spät, nämlich im Lissabon-Urteil folgendermaßen postuliert (BVerfGE 123, S. 267 ff, 347):
„Das Grundgesetz will eine europäische Integration und eine internationale Friedensordnung: Es gilt deshalb nicht nur der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit, sondern auch der Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit.“
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Auch dieser Grundsatz lässt sich dem GG nicht explizit entnehmen, sondern nur etwa aus Satz 1 der Präambel und Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG entwickeln (vgl BVerfGE 123, S. 267 ff, 401).
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Die Funktion des Grundsatzes der Europarechtsfreundlichkeit des GG besteht zunächst darin, den Kontrollbefugnissen des BVerfG in Bezug auf das Unionsrecht Grenzen zu setzen (vgl BVerfGE 123, S. 267 ff, 354; 140, S. 317 ff, 339; 142, S. 123 ff, 204 f). Der Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit bildet so gesehen eine Kompetenzausübungsschranke. Konkretere Folgerungen hat das BVerfG insoweit für die Ultra-vires-Kontrolle gezogen (BVerfGE 126, S. 286 ff, 303 ff; s. Rn 201 ff).
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Darüber hinaus soll der Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit das Verwerfungsmonopol des BVerfG hinsichtlich des Unionsrechts rechtfertigen. Über den Geltungsanspruch des Unionsrechts soll sich nicht jede Behörde und jedes Gericht hinwegsetzen können. Vielmehr sei die Unanwendbarerklärung von Unionsrecht „zum Schutz der Funktionsfähigkeit der unionalen Rechtsordnung“ allein dem BVerfG vorbehalten. Das hat das BVerfG sowohl für die Ultra-vires-Kontrolle als auch für die Identitätskontrolle festgehalten (BVerfGE 123, S. 267 ff, 254; 140, S. 317 ff, 337; 142, S. 123 ff, 203 f).
§ 2 Völkerrecht, Europarecht und nationales Recht › C. „Offene Staatlichkeit“ › IV. Souveränitätsvorbehalt
IV. Souveränitätsvorbehalt
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Das BVerfG hat die „offene Staatlichkeit“ des GG unter den Vorbehalt nationaler Souveränität gestellt (BVerfGE 111, S. 307 ff, 319):
„Das Grundgesetz erstrebt die Einfügung Deutschlands in die Rechtsgemeinschaft friedlicher und freiheitlicher Staaten, verzichtet aber nicht auf die in dem letzten Wort der deutschen Verfassung liegende Souveränität. Insofern widerspricht es nicht dem Ziel der Völkerrechtsfreundlichkeit, wenn der Gesetzgeber ausnahmsweise Völkervertragsrecht nicht beachtet, sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden ist.“
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Mit Blick auf das in Art. 23 bis Art. 26 GG sowie in Art. 1 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG niedergelegte „Konzept“ des GG hat das BVerfG ferner festgehalten (BVerfGE 112, S. 1 ff, 25 f):
„Das Grundgesetz will die Öffnung der innerstaatlichen Rechtsordnung für das Völkerrecht und die internationale Zusammenarbeit in den Formen einer kontrollierten Bindung; es ordnet nicht die Unterwerfung der deutschen Rechtsordnung unter die Völkerrechtsordnung und den unbedingten Geltungsvorrang von Völkerrecht vor dem Verfassungsrecht an, sondern will den Respekt vor friedens- und freiheitswahrenden internationalen Organisationen und dem Völkerrecht erhöhen, ohne die letzte Verantwortung für die Achtung der Würde des Menschen und die Beachtung der Grundrechte durch die deutsche öffentliche Gewalt aus der Hand zu geben.“
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Dass das GG und mit ihm das BVerfG „die letzte Verantwortung für die Achtung der Würde des Menschen und die Beachtung der Grundrechte“ (BVerfGE 112, S. 1 ff, 25 f) nicht aus der Hand hat geben wollen, ist durchaus praktisch bedeutsam. Denn von der Sphäre des Völkerrechts können auch Freiheitsgefährdungen ausgehen. Ein Beispiel bildet die jüngere Praxis der Sanktionsresolutionen des Sicherheitsrates der VN. Über sogenannte „smart sanctions“ bzw „targeted sanctions“ sollen gezielt einzelne, namentlich benannte Personen getroffen werden. Wirksamen Freiheitsschutz vermag hier uU nur der nationale Grundrechtsstandard zu bieten (s. Rn 66 ff).
Beispiel:
Der Sicherheitsrat der VN hat ein Sanktionsregime eingerichtet,