Öffentliches Wirtschaftsrecht. Stefan Storr
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ee) Grundrechtliche Verfahrensgarantien und effektiver Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG
107
Eng mit diesen grundrechtlichen Teilhabeansprüchen hängen die Anforderungen an die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens, aber auch den vorläufigen Rechtschutz zusammen, die das BVerfG gerade auch zum Schutz der Berufsfreiheit entwickelt hat[295]. Genauso wie vorläufige Berufsverbote nur ausnahmsweise zulässig sind[296], ist auch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts der intensiv in die Berufsfreiheit eingreift, nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung der Verhältnismäßigkeit statthaft[297] (ausführlicher Rn 120 ff). Auch die Ausgestaltung des Rechtsschutzes um die Löschung aus der Handwerksrolle ist der Effektuierung des Grundrechtsschutzes geschuldet (dazu Rn 80). Ebenfalls aus den materiellen Grundrechten folgt die grundsätzliche Unzulässigkeit von „Planung in Gesetzesform“[298]. Der Sicherung des effektiven (gerichtlichen) Rechtsschutzes vor der Verwaltung dient demgegenüber Art. 19 Abs. 4 GG, der die speziellere verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie darstellt[299]. Er verlangt insbes auch effektiven vorläufigen Rechtsschutz und nach Auffassung des BVerfG die volle Überprüfung des Verhaltens der öffentlichen Gewalt auch in tatsächlicher Hinsicht, was in der Sache den Untersuchungsgrundsatz garantiert[300]. Dennoch führt der funktionale Zusammenhang zwischen verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz- und Verwaltungsverfahren nicht zu einer Determination staatlicher Handlungsformen durch die Rechtsschutzeffektivität[301].
b) Grundrechtsberechtigung
108
Die meisten Grundrechte, darunter das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und Art. 3 GG gelten für jedermann, dh alle natürlichen Personen. Demgegenüber handelt es sich bei der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) um ein Deutschengrundrecht. Die Wirtschaftsgrundrechte und das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 3 GG sind gem. Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen des Privatrechts anwendbar; dabei ist der verfassungsrechtliche Begriff weiter als der gesellschaftsrechtliche, so dass jedenfalls auch Personengesellschaften erfasst sind (zur gewerberechtlichen Diskussion s. Rn 207 ff). Nicht auf Grundrechte berufen können sich daher nach dem Wortlaut der Vorschrift ausländische juristische Personen, selbst wenn sie im Inland anerkannt sind, sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts[302]. Allerdings bedarf dies in mehrfacher Hinsicht der Präzisierung, vor allem mit Blick auf Unionsbürger, aber auch hinsichtlich juristischer Personen des öffentlichen Rechts, öffentlicher und insbes auch „gemischtwirtschaftlicher Unternehmen“ (dazu ausf Rn 670 ff).
aa) Grundrechtsschutz von juristischen Personen aus dem EU-Ausland
109
Das BVerfG hat die Grundrechtsfähigkeit von EU-ausländischen juristischen Personen unter Hinweis auf das allgemeine Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV bejaht (▸ Klausurenkurs Fälle Nr 2, 3 und 5). Dabei lehnte das BVerfG unter Verweis auf den klaren Wortlaut eine erweiterte Auslegung des Begriffes „inländisch“ ab und begründete seine Entscheidung mit dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts[303]. Allerdings betrifft dies lediglich Unternehmen mit Sitz im Ausland. Inländisch sind Unternehmen mit Sitz bzw tatsächlichem Aktionsraum im Inland[304], also auch solche die unter einer fremden Rechtsform (dazu bereits Rn 76) firmieren. Zu den von Art. 19 Abs. 3 GG erfassten juristischen Personen gehören auch die nach deutschem Recht gegründeten Töchter ausländischer Unternehmen[305].
bb) Deutschengrundrechte und EU-Ausländer
110
Offen blieb allerdings die Frage des Grundrechtsschutzes natürlicher Personen aus dem EU-Ausland[306]. Die Lösung über Art. 2 Abs. 1 GG wäre europarechtlich zulässig. Verbietet das Europarecht eine Diskriminierung, überlässt es nämlich regelmäßig dem nationalen Recht die Wahl der Mittel und „kontrolliert“ nur das Ergebnis[307]. Gleichwohl erscheint es vor dem Hintergrund der Entscheidung zu Art. 19 Abs. 3 GG überzeugender, von dieser Behelfskonstruktion abzusehen und auch die Deutschengrundrechte unmittelbar auf EU-Ausländer anzuwenden[308].
cc) Juristische Personen des öffentlichen Rechts, öffentliche und gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform
111
Ohne dass dies nach dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG zwingend wäre, wird juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen) der Grundrechtsschutz nicht zuerkannt, soweit sie gesetzlich zugewiesene und geregelte öffentliche Aufgaben wahrnehmen[309]. Die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch öffentlichrechtliche Organisationseinheiten lasse sich nicht als vermittelter Ausdruck der freien Entfaltung natürlicher Personen und damit als Wahrnehmung ursprünglicher Freiheitsrechte begreifen (Wesensargument/Lehre vom personalen Substrat). Zusätzlich wird das Konfusionsargument herangezogen, wonach eine Parallelität von Grundrechtsbindung und -berechtigung ausgeschlossen ist. Dies wird auf die Einheiten der mittelbaren Staatsverwaltung erstreckt, so dass sich auch die öffentlichrechtlichen berufsständigen Kammern nicht auf Grundrechte berufen können, da sie gegenüber