BGB-Schuldrecht Besonderer Teil. Volker Emmerich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу BGB-Schuldrecht Besonderer Teil - Volker Emmerich страница 35
14
Die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung ist zunächst ausgeschlossen, wenn ihre Erfüllung dem Verkäufer unmöglich ist (§ 275 Abs. 1). Ein Beispiel ist die Lieferung einer gebrauchten Sache, deren Mangel nicht durch eine Reparatur beseitigt werden kann (Paradigma: Unfallwagen) und bei der auch eine Ersatzlieferung ausscheidet.[41]. Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung ferner unter den Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 und 3 sowie gemäß § 439 Abs. 4 S. 1 verweigern, insbesondere also, wenn die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, wobei nach § 439 Abs. 4 S. 2 ua der (objektive) Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen sind, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer ausgewichen werden kann. Bei § 439 Abs. 4 handelt es sich um ein Einrederecht des Verkäufers, dessen Ausübung an keine besondere Frist gebunden ist (str), so dass sich der Verkäufer auf § 439 Abs. 4 auch noch im Rechtsstreit berufen kann, wenn der Käufer Klage auf Nacherfüllung erhoben hat.[42]
15
Im Einzelnen hat man zwischen der relativen und der absoluten Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Nacherfüllung zu unterscheiden. Von relativer Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Nacherfüllung spricht man, wenn gerade und nur die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung unverhältnismäßige und deshalb für den Verkäufer unzumutbare Kosten verursacht, z. B. die Nachlieferung im Vergleich mit der Nachbesserung als der anderen Form der Nacherfüllung.– Dies hat zur der Folge, dass der Käufer dann auf die andere Form der Nacherfüllung, in dem Beispiel also auf die Nachbesserung beschränkt ist (§ 439 Abs. 4 S. 3 HS 1).[43] Um einen Fall absoluter Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Nacherfüllung handelt es sich dagegen, wenn mit beiden Formen der Nacherfüllung unverhältnismäßige Kosten verbunden wären, so dass dem Käufer dann nur die anderen in § 437 Nrn 2 und 3 genannten Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, die von § 439 Abs. 4 unberührt bleiben.[44]
15a
In Literatur und Rechtsprechung finden sich vielfältige Versuche zur Entwicklung von Faustformeln für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllungskosten,[45] deren Berechtigung jedoch – mangels eines Anhalts im Gesetz – durchaus zweifelhaft ist[46]. Generell lässt sich wohl nur feststellen, dass bei neuen hochwertigen Sachen mit geringen Mängeln in der Regel lediglich eine Nachbesserung in Betracht kommen dürfte, während umgekehrt bei geringwertigen Massenprodukten eine aufwendige Reparatur regelmäßig gegenüber einer Ersatzlieferung unverhältnismäßig sein wird. Für den Verbrauchsgüterkauf des § 474 gelten wiederum durch die Rechtsprechung[47] erzwungene Sonderregeln, die sich seit 2017 in § 475 Abs. 4 finden. Nach der komplizierten Regelung kann der Verkäufer, wenn die eine Art der Nacherfüllung entfällt, z. B. die Nachlieferung nach § 275 Abs. 1 wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ist oder wenn er sie nach § 275 Abs. 2 oder Abs. 3 oder nach § 439 Abs. 4 S. 1 verweigern kann (s. Rn 14 f), grundsätzlich nicht auch noch die andere Art der Nacherfüllung, in dem Beispiel die Nachbesserung, wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern. Dieser andere Anspruch muss dem Käufer maW bei dem Verbrauchsgüterkauf grundsätzlich verbleiben. Jedoch behält der Verkäufer in den Fällen des § 439 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 Fall 2, d. h. hinsichtlich der Kosten der Nacherfüllung sowie in den Einbaufällen, das Recht, den Aufwendungsersatz zumindest auf einen angemessenen Betrag zu beschränken, wobei gemäß S. 3 der Vorschrift insbesondere der Wert der mangelfreien Sache und die Bedeutung der Mängel bei der stets erforderlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. Die Gerichte sind bei der Anwendung dieser komplizierten Vorschriften nicht zu beneiden.
Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › III. Rücktritt
1. Überblick
16
Bei Lieferung einer mangelhaften Sache hat der Käufer außer dem Anspruch auf Nacherfüllung (Rn 5 ff) ferner gemäß § 437 Nr 2 das Recht, von dem Kaufvertrag nach den §§ 323 und 326 Abs. 5 iVm § 440 zurückzutreten. Wegen der Voraussetzungen verweist das Gesetz zugleich in § 437 Nr 2 auf die §§ 440, 323 und 326 Abs. 5, aus denen sich insbesondere ergibt, dass der Rücktritt (ebenso wie die Minderung und der Schadensersatz, s. Rn 21, 23 ff) voraussetzt, dass der Käufer dem Verkäufer vergeblich eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Dazu ist zweierlei erforderlich, einmal die ernsthafte Aufforderung des Käufers an den Verkäufer, die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung – also entweder die Nachbesserung oder die Nachlieferung – durchzuführen (wozu auch die Bereitschaft des Käufers gehört, dem Verkäufer die Sache gegebenenfalls zur Untersuchung und Nachbesserung zur Verfügung zu stellen[48]), zum anderen die Bestimmung einer Frist für die Ausführung der vom Käufer gewählten Form der Nacherfüllung durch den Verkäufer, und zwar grundsätzlich erst nach Fälligkeit der Leistung des Verkäufers.[49] Da die Vereinbarkeit dieses zusätzlichen Erfordernisses einer Fristsetzung (als Voraussetzung für den Rücktritt) mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zweifelhaft ist,[50] sind die Anforderungen der Rechtsprechung an die Fristsetzung denkbar gering.[51] Es genügt, dass der Käufer dem Verkäufer zu erkennen gibt, dass ihm für die Nacherfüllung nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht. Ein bestimmter Endtermin muss nicht genannt werden. Auch das Verlangen sofortiger oder unverzüglicher Nacherfüllung kann genügen.[52] Ist die vom Käufer dem Verkäufer bestimmte Frist nicht angemessen, weil zu kurz, so tritt automatisch an die Stelle der zu kurzen Frist eine angemessene, die meistens auf ungefähr zwei Wochen bemessen wird. Vorrang haben aber stets die Abreden der Parteien (§ 311 Abs. 1). Wenn sie sich auf eine bestimmte Frist für die Durchführung der Nacherfüllung geeinigt haben, hat es dabei sein Bewenden.[53]
17
Von dem Gesagten (Rn 16) gibt es in jeder Richtung Ausnahmen. Zunächst ist in einer ganzen Reihe von Fällen eine Fristsetzung doch entbehrlich – mit der Folge, dass der Käufer dann nach Feststellung eines Mangels sofort die Wahl zwischen Nacherfüllung, Rücktritt und Minderung sowie gegebenenfalls Schadensersatz oder Aufwendungsersatz hat. Die einzelnen Fälle ergeben sich aus § 323 Abs. 2, § 326 Abs. 5 und § 440 (s. im Einzelnen u. Rn 18–19b). Der wichtigste Fall ist die so genannte Erfüllungsverweigerung des Verkäufers gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 (s. Rn 18).
Auf