BGB-Schuldrecht Besonderer Teil. Volker Emmerich
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2. Arglist des Verkäufers (§ 444)
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Nach § 444 kann sich der Verkäufer auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache im Sinne des § 443 übernommen hat (dazu u. Rn 39 ff). Dasselbe gilt, wenn die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 getroffen haben, da einer solchen nach Treu und Glauben der Vorrang vor einem gleichzeitig vereinbarten allgemeinen Haftungsausschluss zukommen muss (§ 242), so dass sich dieser in aller Regel allein auf etwaige weitere Mängel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr 1 oder 2 und S. 3 erstreckt.[90] Arglist des Verkäufers iS des § 444 ist gleichbedeutend mit Kenntnis des Mangels und Schweigen trotz Bestehens einer Aufklärungspflicht, vorausgesetzt, dass sich der Verkäufer dabei bewusst ist, dass der Käufer bei pflichtgemäßer Offenbarung des Mangels möglicherweise von dem Vertragsabschluss Abstand nähme[91]. Bei einer Mehrzahl von Verkäufern genügt bereits die Arglist eines einzigen der Verkäufer für die Anwendung des § 444 auf das Verhältnis zu allen Verkäufern.[92] Gleich steht der Fall, dass der Verkäufer das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften vorspiegelt (§ 242).
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Die entscheidende Frage bei der Anwendung des § 444 ist in aller Regel, ob den Verkäufer eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der nur ihm bekannten und von ihm verschwiegenen Mängel der Kaufsache bei Abschluss des Vertrages traf, so dass sein Schweigen arglistig war – mit der Folge der Anwendung des § 444. Eine Aufklärungspflicht besteht zunächst immer, wenn der Käufer ausdrücklich nach bestimmten Umständen fragt. Auf solche Fragen muss der Verkäufer wahrheitsgemäß antworten oder die Antwort verweigern; tertium non datur (kein Recht zur Lüge im Privatrechtsverkehr)[93]. Der Verkäufer handelt daher schon dann arglistig, wenn er auf Fragen des Käufers „ins Blaue hinein“ beruhigende Erklärungen abgibt, z. B. ohne Anhaltspunkte dafür harmlose Ursachen bestimmter Schäden behauptet[94] oder, wenn er beim Verkauf eines Gebrauchtwagens – ohne sichere Kenntnis – Unfallschäden verneint.[95]
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Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers bei ihm bekannten oder doch vermuteten Mängeln ist ferner anzunehmen, wenn der Käufer besonders schutzbedürftig ist, wie es etwa typischerweise für Hauskäufer zutrifft. Der Verkäufer eines Hauses muss daher den Käufer grundsätzlich über den Befall des Hauses mit dem Hausbockkäfer sowie über das Vorhandensein von Hausschwamm oder Trockenfäule aufklären. Arglist des Verkäufers ist in derartigen Fällen bereits anzunehmen, wenn er ohne sichere Anhaltspunkte behauptet, die genannten Mängel seien endgültig beseitigt.[96] Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers besteht weiter bei sonstigen schwerwiegenden verborgenen Mängeln wie etwa der Verwendung gesundheitsgefährdender Baustoffe[97], bei Fehlen der Bauerlaubnis für das Haus oder für einzelne Räume[98], allgemein bei baurechtlichen Hindernissen, die der geplanten Nutzung entgegenstehen,[99] sowie schließlich etwa bei der die Belastung des Grundstücks mit Altlasten.[100]
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Für die Annahme von Arglist des Verkäufers genügt bedingter Vorsatz[101], so dass der Verkäufer bereits arglistig handelt, wenn er einen bestimmten Mangel lediglich für möglich hält und er für diesen Fall eine Täuschung des anderen Teils bewusst in Kauf nimmt[102]. Arglist des Verkäufers ist dagegen zu verneinen, wenn er die Ware, wenn auch irrtümlich, für vertragsgemäß hält[103]. Grobe Fahrlässigkeit steht nicht gleich, auch dann nicht, wenn sich dem Verkäufer nach den Umständen die Kenntnis eines Mangels geradezu aufdrängen musste,[104] wobei man bedenken muss, dass den Verkäufer grundsätzlich keine Untersuchungs- oder Nachforschungspflicht trifft (Rn 25a). Selbst Gebrauchtwagenhändler müssen ein Fahrzeug nur dann auf mögliche Unfallschäden untersuchen, wenn sich dafür bei einer äußeren Besichtigung ernstzunehmende Anhaltspunkte ergeben.[105] Maßgebender Zeitpunkt ist der des Vertragsabschlusses,[106] und zwar auch dann, wenn der Vertrag zunächst formnichtig ist und der Formmangel erst später (und nach Kenntniserlangung des Käufers) geheilt wird, so dass dann die nachträgliche Kenntnis des Käufers von dem Mangel nicht schadet (s. §§ 125 und 311b Abs. 1 S. 2 in Verb mit § 442)[107]. Wird für den Verkäufer ein Vertreter oder Verhandlungsgehilfe tätig, so muss der Verkäufer auch für eine arglistige Täuschung des Käufers durch diese Personen einstehen (§§ 166, 278)[108].
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Nicht erforderlich ist der Nachweis, dass das arglistige Verschweigen des Mangels für den Kaufentschluss des Käufers kausal war; Arglist des Verkäufers führt vielmehr in jedem Fall zur Unanwendbarkeit des Haftungsausschlusses[109]. Davon unberührt bleibt die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen (s. § 444: „… soweit …“)[110]. Die Beweislast für die Arglist des Verkäufers trägt an sich der Käufer, der sich auf die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses beruft.[111] Gleichwohl ist es bei einem entsprechenden Einwand des Käufers zunächst einmal Sache des Verkäufers darzulegen, ob und wie er gegebenenfalls seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist[112]. Bei Arglist des Verkäufers kann der Käufer außerdem anfechten (§ 123 Abs. 1) sowie Schadensersatz aus cic und aus Delikt verlangen (§§ 311 Abs. 2, 823 Abs. 2 und 826; s. u. Rn 50 ff). Zwischen den genannten Rechtsbehelfen hat der Käufer die Wahl; keiner schließt den anderen aus (s. u. Rn 50, 54).
3. Kenntnis des Käufers (§ 442)
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Nach § 442 Abs. 1 S. 1 hat der Verkäufer einen Sach- oder Rechtsmangel (ausnahmsweise) nicht zu vertreten, wenn der Käufer den Mangel schon bei Abschluss des Vertrages kennt. Dies deshalb, weil der Käufer widersprüchlich handelte, wenn er trotz des Vertragsabschlusses in Kenntnis des Mangels (mit dem er den Mangel im Grunde in Kauf nimmt) gleichwohl anschließend Gewährleistungsrechte geltend machte. Gleich steht nach § 442 Abs. 1 S. 2 der Fall, dass dem Käufer der Mangel nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, außer wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat (s. dazu schon o. Rn 32 ff) oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache, d. h. für ihre Freiheit von Sach- oder Rechtsmängeln übernommen hat (s. Rn 39). Weist die Sache mehrere Mängel auf, so ist die Haftung des Verkäufers nur hinsichtlich derjenigen Mängel ausgeschlossen, auf die sich tatsächlich die Kenntnis des Käufers erstreckt; wegen weiterer Mängel bleibt es bei der gesetzlichen Mängelhaftung des Verkäufers.[113] Außerdem beschränkt sich auch hinsichtlich der dem Käufer bekannten Mängel der Haftungsausschluss zum Schutze des Käufers auf dessen Rechte aus den §§ 437 ff, sodass sein Erfüllungsanspruch sowie die Rechte aus den §§ 320 bis 322 trotz seiner Kenntnis grundsätzlich unberührt bleiben[114].
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Hintergrund der gesetzlichen Regelung des § 442 ist der Umstand, dass den Käufer nach dem BGB anders als beim Handelskauf (s. § 377 HGB) weder eine Untersuchungs- noch eine Rügepflicht bei Mängeln trifft. Deshalb wird Kenntnis des Käufers iS des § 442 Abs. 1 S. 1 nur angenommen, wenn er den Mangel positiv kennt, während eine leicht fahrlässige Unkenntnis ebenso wenig wie – im Falle von Rechtsmängeln