BGB-Schuldrecht Besonderer Teil. Volker Emmerich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу BGB-Schuldrecht Besonderer Teil - Volker Emmerich страница 42
49b
Erste Voraussetzung eines Regresses in der Lieferkette ist, dass es sich um den Verkauf einer neu hergestellten Sache handelt. Ist dies der Fall, so reicht die Lieferkette so weit zurück, wie es jeweils noch um eine Lieferung derselben neuen Sache geht. Nicht erfasst werden dagegen bloße Zulieferer einzelner Teile oder von Rohstoffen. Zweite Voraussetzung ist, dass der Verkäufer wegen Mängeln der Sache einen Nacherfüllungsaufwand hatte, weil er aufgrund des § 439 Abs. 2 und Abs. 3 oder des § 475 Abs. 4 oder Abs. 6 dem Käufer im Rahmen der Nacherfüllung zum Ersatz von Kosten oder Aufwendungen oder zur Leistung eines Vorschusses verpflichtet war. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann der Verkäufer bei seinem Lieferanten unter erleichterten Voraussetzungen Regress nehmen. Hierdurch wird erreicht, dass der Nacherfüllungsaufwand letztlich denjenigen Verkäufer und Lieferanten trifft, der durch die Herstellung einer mangelhaften Sache den Aufwand und die Kosten überhaupt erst verursacht hat. Zu beachten ist, dass die §§ 445a und 478 keine eigene Anspruchsgrundlage für Rückgriffsansprüche des Verkäufers gegen seinen Lieferanten nach seiner Inanspruchnahme durch den Käufer darstellen. Derartige Ansprüche ergeben sich vielmehr allein aus den §§ 437 ff, wobei der Verkäufer freilich nicht auf die von seinem Käufer gewählten Mängelrechte beschränkt ist. Dem Verkäufer wird die Verfolgung seiner eigenen Mängelrechte gegen seinen Lieferanten aus den §§ 437 ff zudem durch den Verzicht auf eine an sich nach den §§ 281 Abs. 1 und 323 Abs. 1 erforderliche Fristsetzung erleichtert, wenn der Verkäufer die Sache infolge ihrer Mangelhaftigkeit zurücknehmen musste oder wenn der Käufer den Kaufpreis deshalb gemindert hatte (§ 445a Abs. 2). Dasselbe gilt für den weiteren Regress in der Lieferkette, sofern es sich bei den weiteren Lieferanten um Unternehmer im Sinne des § 14 handelt (§ 445a Abs. 3). Zusätzliche Vergünstigungen bestehen nach § 478, wenn der letzte Vertrag in der Lieferkette ein Verbrauchsgüterkauf ist. In diesem Fall findet auch die Beweislastumkehr des § 477 Anwendung, wobei die Frist von sechs Monaten, binnen derer sich der Mangel gezeigt haben muss, mit dem Übergang der Gefahr auf den Verbraucher beginnt (§ 478 Abs. 1). Außerdem ist die gesetzliche Regelung des Regresses in der Lieferkette (Rn 49a ff) zum Schutze des letzten Verkäufers im Wesentlichen zwingend (§ 478 Abs. 2).
49c
Besonderheiten gelten nach § 445b für die Verjährung, um zu verhindern, dass die Rückgriffsansprüche des Verkäufers bei einer längere Zeit zurückliegenden Lieferung bereits verjährt sind, wenn der Verkäufer vom Verbraucher in Anspruch genommen wird. Die Regelung ist auf weitere Vorlieferanten entsprechend anwendbar (§ 445b Abs. 3). Unberührt bleibt jedoch nach § 445a Abs. 4 die (wichtige) Vorschrift des § 377 HGB, so dass der Verkäufer bei einem Handelskauf alle genannten Rechte wieder einbüßt, wenn er den etwaigen Mangel nicht rechtzeitig gerügt hat.
Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › X. Konkurrenzen
a) Anfechtung des Käufers
50
Das BGB unterscheidet in den §§ 119 und 123 verschiedene Anfechtungstatbestände, die im Einzelfall mit den §§ 434 ff zusammentreffen können. Keine Probleme bestehen insoweit hinsichtlich des Anfechtungsrechts des Käufers aus den §§ 119 Abs. 1 und 123, die nach allgemeiner Meinung durch die Sonderregelung der §§ 434 ff nicht verdrängt werden. Der Käufer, der vom Verkäufer über die Beschaffenheit der Kaufsache arglistig getäuscht wurde, hat deshalb die Wahl zwischen Ansprüchen aus cic (u. Rn 53) und aus Delikt (u. Rn 54) sowie der Anfechtung (§ 123 Abs. 1) und den verschiedenen Gewährleistungsrechten (437), und zwar so lange, wie noch kein endgültiger Zustand geschaffen ist. Selbst wenn der Käufer zunächst Schadensersatz gefordert hatte, kann er daher immer noch nachträglich zur Anfechtung des Kaufvertrags nach § 123 Abs. 1 übergehen[132].
51
Anders wird die Rechtslage dagegen überwiegend hinsichtlich der Anfechtung des Käufers (zum Verkäufer s. u. Rn 52) wegen eines Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften der Kaufsache aufgrund des § 119 Abs. 2 beurteilt, indem den §§ 434 ff jedenfalls für die Zeit nach Gefahrübergang (s. § 434 Abs. 1 S. 1; s. o. Rn 3) meistens der Vorrang vor anderen Rechtsbehelfen des Käufers zugebilligt wird, letztlich, um eine „Aushöhlung“ dieser auf einen „gerechten Interessenausgleich“ zwischen den Kaufvertragsparteien angelegten Regelung auf dem Umweg über andere Rechtsbehelfe des Käufers zu verhindern[133]. Es geht dabei vor allem um die Anforderungen an eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1, um die Verjährungsfristen des § 438, um das regelmäßige Erfordernis einer Fristsetzung vor dem Übergang zu den Totalrechten aufgrund des § 437 Nrn 2 und 3 in Verbindung mit den §§ 323 Abs. 1 und 281 Abs. 1 sowie um den Ausschlusstatbestand des § 442. In der Zeit vor Gefahrübergang (in der die §§ 434 ff noch gar nicht anwendbar sind) lässt die Rechtsprechung dagegen – unter Widerspruch eines Teils des Schrifttums – die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 zu[134]. Entsprechendes soll sogar für das Verhältnis der §§ 437 ff zu dem Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313) gelten.[135]
51a
Tatsächlich gibt es indessen weder in der Zeit vor Gefahrübergang noch danach eine „Sperrwirkung“ der §§ 434 ff gegenüber anderen Käuferrechten. Durch diese grundlose Annahme werden vielmehr nur ohne Not die Käuferrechte verkürzt. Eine „Umgehung“ der §§ 434 ff ist von der Zulassung der Anfechtung (entgegen der h.M.) schon deshalb nicht zu befürchten, weil den Käufer im Falle der Anfechtung nach § 122 eine Schadensersatzpflicht trifft. Im Interesse eines umfassenden Käuferschutzes sollte daher die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 gleichfalls neben den §§ 434 ff zugelassen werden[136].
b) Anfechtung des Verkäufers
52
Wenn die Kaufsache entgegen den Vorstellungen des Verkäufers mangelhaft ist, könnte dieser ebenfalls auf die Idee kommen, den Kaufvertrag nach § 119 Abs. 2 anzufechten, um sich so seiner Haftung aufgrund der §§ 434 ff zu entziehen. Eine Anfechtung mit solchem Zweck wäre indessen rechtsmissbräuchlich (§ 242). Der Verkäufer kann nur dann anfechten, wenn er sich über wertbildende Faktoren der Kaufsache geirrt und diese deshalb als weniger wertvoll angesehen hatte, als sie tatsächlich ist, wenn er z. B. ein wertvolles Original als billige Kopie verkauft hat[137].
2. Culpa in contrahendo
53
Nach überwiegender Meinung erstreckt sich die behauptete „Sperrwirkung“ der §§ 434 ff gegenüber anderen Rechtsbehelfen des Käufers (s. o. Rn 51)