Besonderes Verwaltungsrecht. Mathias Schubert
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Hätte eine Klage von A und B beim Verwaltungsgericht Aussicht auf Erfolg? Rn 148, 191
Teil I Kommunalrecht › § 4 Die innere Gemeindeverfassung › I. Überblick über typische gemeindliche Organisationsstrukturen in den Ländern
I. Überblick über typische gemeindliche Organisationsstrukturen in den Ländern
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Besonders mannigfaltig ist das Bild, das die innere Gemeindeverfassung in den einzelnen Ländern bietet. Abgesehen von der einheitlichen Differenzierung zwischen der Rechtsstellung des Bürgers und der des Einwohners (dazu vorstehend § 3) lässt sich als übereinstimmende Strukturierung lediglich die Existenz eines den Erfordernissen des Art. 28 I 2 GG entsprechenden Repräsentativorgans – allerdings mit divergierenden Bezeichnungen (Rat, Gemeinderat, Gemeindevertretung, Stadtverordnetenversammlung, Stadtrat oder -vertretung) – nachweisen, dem vor allem die Befugnis zukommt, Ortsrecht in Gestalt gemeindlicher Satzungen zu erlassen. Neben diesem repräsentativen Beschlussorgan ist der Gemeinde noch eine Verwaltung zu Eigen, deren Spitze als gleich- oder nachgeordnetes Organ fungiert, wobei die Zuständigkeitsverteilung im Einzelnen jeweils in der betreffenden Gemeindeordnung geregelt ist.
Die oberste Entscheidungsgewalt kann dabei entweder allein bei der Gemeindevertretung liegen (sog. monistische Verfassung), wobei freilich mehr oder minder umfassende Delegationsmöglichkeiten eingeräumt sind, oder sie kann auf zwei Organe aufgeteilt sein, nämlich auf die Gemeindevertretung (Rat) einerseits und auf den Gemeindevorstand (Bürgermeister, Magistrat) andererseits (sog. dualistische Verfassung).
1. Die traditionelle Unterscheidung nach Verfassungstypen
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Ausgehend von regionalen Besonderheiten und unterschiedlichen historischen Entwicklungslinien des jeweiligen Landesrechts, hatten sich in Deutschland Modelle von Kommunalverfassungen herausgebildet, die durch deutliche Unterschiede in den Grundstrukturen der Organisation der Kommunalverwaltung gekennzeichnet gewesen waren. Im Übergang zum demokratischen Verfassungsstaat nach 1949 haben sich diese Varianten unter Einfluss der Besatzungsmächte zu vier klassischen Grundtypen von Kommunalverfassungen verdichtet, denen alle deutschen Flächenländer über Jahrzehnte hinweg zugeordnet werden konnten, während die Besonderheiten in den Stadtstaaten eine solche Zuordnung unmöglich machten[1]. Durch die Wiedervereinigung hat sich an diesem Zustand zunächst nichts geändert, weil die Kommunalverfassung der DDR[2] in den fünf neuen Ländern durch Kommunalgesetze abgelöst wurde, die seinerzeit weitgehend die Kommunalverfassungstypen der jeweiligen Partnerländer abbildeten. Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hat sich jedoch eine deutliche Angleichung der Kommunalverfassungssysteme vollzogen (dazu Rn 123 ff), sodass die überkommene Unterteilung nach den Kommunalverfassungstypen heute nur noch kommunalhistorischen Erkenntniswert besitzt[3].
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Die norddeutsche Ratsverfassung, die von der britischen Besatzungsmacht beeinflusst war und lange den Gemeindeordnungen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zu Grunde lag, war im Ansatz ein monistischer Verfassungstypus, weil die Zuständigkeit für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung hier grundsätzlich bei der Gemeindevertretung (Gemeinderat) lag. Der Gemeinderat war Dienstvorgesetzter des Hauptverwaltungsbeamten (Gemeinde-, Stadtdirektor), der als nachgeordnetes Verwaltungsorgan unter Verantwortung und Kontrolle des Rates tätig wurde. Den Vorsitz im Rat führte der ehrenamtlich tätige Bürgermeister, dem im Übrigen noch Repräsentationsfunktionen zufielen[4].
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Kennzeichen der in ihrer organschaftlichen Kompetenzzuordnung dualistisch geprägten süddeutschen Ratsverfassung, die seit dem 19. Jh. in Bayern und dem heutigen Baden-Württemberg anzutreffen ist und später auch in Sachsen, Thüringen und (mit Modifikationen) in Sachsen-Anhalt übernommen wurde, sind zwei unmittelbar von den Bürgern gewählte Gemeindeorgane: der Gemeinderat und der (erste) Bürgermeister. Anders als die Bezeichnung dieses Verfassungstyps nahelegt, ist die Stellung des unmittelbar demokratisch legitimierten Bürgermeisters, der die Verwaltungsgeschäfte erledigt, die Gemeinde nach außen vertritt und zugleich als Ratsvorsitzender fungiert, bei der süddeutschen Ratsverfassung besonders stark ausgeprägt[5].
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In der Magistratsverfassung, deren Wurzeln in der Steinʼschen Städteordnung von 1808 liegen[6] und die in den Städten Schleswig-Holsteins und in Hessen anzutreffen war, existierten zwei Kollegialorgane mit selbstständigen Entscheidungsbereichen: Neben der aus unmittelbarer Wahl hervorgegangenen Gemeindevertretung (Stadtverordnetenversammlung), dem Beschlussorgan, trat als Vollzugsorgan der von der Gemeindevertretung gewählte Gemeindevorstand (Magistrat), der sich aus dem Bürgermeister und einer bestimmten Zahl von hauptamtlichen oder ehrenamtlichen Beigeordneten zusammensetzte. Zum Kompetenzbereich des Gemeindevorstands gehörten die Erledigung der laufenden Verwaltungsgeschäfte nach Maßgabe der Beschlüsse der Gemeindevertretung und die Vertretung der Gemeinde. Nach der „echten“ Magistratsverfassung bedurften die Beschlüsse der Gemeindevertretung sogar der Zustimmung des Magistrats[7]. In Hessen findet sich auch heute noch eine „unechte“ Magistratsverfassung, bei welcher der vorerwähnte Zustimmungsvorbehalt entfallen ist und der Bürgermeister vom Volk gewählt wird (vgl §§ 39, 65 ff hess.GO)[8].
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Die dem französischem Vorbild folgende Bürgermeisterverfassung kennzeichnete traditionell die innere Gemeindeverfassung in Rheinland-Pfalz und (mit Abweichungen) dem Saarland sowie in den schleswig-holsteinischen Landgemeinden. Sie war ebenfalls dualistisch geprägt, weil sie den Bürgermeister als zweites Organ konzipierte, der gleichzeitig Ratsvorsitzender und Leiter der Verwaltung war und dabei über eine Reihe von eigenen, vom Rat unabhängigen Kompetenzen verfügte. Im Unterschied zur süddeutschen Ratsverfassung wurde der Bürgermeister jedoch nicht unmittelbar von den Bürgern, sondern vom Gemeinderat gewählt[9].
2. Zunehmende Konvergenz der Kommunalverfassungen
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Wie bereits vermerkt (Rn 118) haben sich diese vier Grundtypen von Kommunalverfassungen spätestens seit den 90er-Jahren durch vielfältige Modifikationen und Überlagerungen einander angenähert. Auch wenn insoweit noch nicht von einer Einheitlichkeit der Kommunalverfassungen ausgegangen werden kann, ist doch unverkennbar, dass vor allem die Elemente der süddeutschen Ratsverfassung mit einem infolge unmittelbarer Wahl durch die Bürger in seiner Position gestärkten Bürgermeister, der in sich die zentralen Funktionen des stimmberechtigten Vorsitzes im Rat, der Leitung der (monokratisch strukturierten) Verwaltung und der Repräsentation der Gemeinde nach außen hin vereinigt, beispielgebend für die kommunale Binnenorganisation in beinahe allen Ländern geworden ist[10].