Besonderes Verwaltungsrecht. Mathias Schubert
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Teil I Kommunalrecht › § 4 Die innere Gemeindeverfassung › II. Der Rat als unmittelbar demokratisch legitimiertes Gemeindeorgan
II. Der Rat als unmittelbar demokratisch legitimiertes Gemeindeorgan
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Dem Rat kommt – wie auch immer die kommunale Organisationsstruktur im Einzelnen sein mag – schon von Verfassungs wegen nach Art. 28 I 2 GG (dazu oben Rn 75 ff) die Rolle der „zentralen Führungsinstanz der Gemeinde“ zu[23].
Dies wird in einigen Ländern in der Gemeindeordnung plakativ herausgestellt[24]. Gleichwohl kann der Rat nicht allein unter Berufung hierauf einem gleichfalls unmittelbar von den Gemeindebürgern gewählten Bürgermeister, der damit ebenfalls unmittelbar demokratisch legitimiert ist, mit der Aufgabe der Verwaltungsleitung verknüpfte zentrale Personalführungskompetenzen entziehen und auf sich verlagern[25].
Zwingende Regelungen der Gemeindeordnung über die Abgrenzung der Zuständigkeiten von Gemeinderat und Bürgermeister können durch kommunale Satzung oder Geschäftsordnung des Rates nicht ausgehebelt werden[26].
1. Die Stellung der Ratsmitglieder
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Die Ratsmitglieder werden jeweils für mehrere, in der Regel für fünf Jahre[27] (Bayern: sechs Jahre) nach Maßgabe spezieller Kommunalwahlgesetze gewählt.
a) Wahl
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Übliches Wahlsystem ist das der Verhältniswahl (vgl § 4 II NKWG; § 31 KWahlG NRW)[28]. In mittlerweile zehn[29] Bundesländern hat der Wähler die Möglichkeit des Kumulierens (Stimmenhäufung auf einen Bewerber) und des Panaschierens (Verteilung von Stimmen auf Bewerber verschiedener Listen). Hierdurch wird das Element der Personenwahl viel stärker akzentuiert, als es noch vor einigen Jahren der Fall war, als mit Ausnahme der süddeutschen Länder überwiegend das System der starren Listen galt.
Gegen die Gültigkeit einer Wahl kann nach Maßgabe der Vorschriften des jeweiligen Kommunalwahlgesetzes innerhalb von zwei Wochen[30] nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses Einspruch und gegen den daraufhin von der neugewählten Vertretung zu treffenden Beschluss bzw gegen die von der Rechtsaufsichtsbehörde getroffene Entscheidung Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden (vgl Art. 51 bay.GLKrWG; § 45 II m.v.KWG; § 49 II NKWG; § 41 KWahlG NRW).
Einer solchen materiellen Präklusion (dazu bereits oben Rn 38) von Vorbringen gegen die Gültigkeit einer Kommunalwahl nach Ablauf der Einspruchsfrist wird von der Rspr Vereinbarkeit auch mit Art. 19 IV GG attestiert, und zwar mit Rücksicht auf die Ausgestaltung des Wahlanfechtungsverfahrens, in dessen Rahmen es überwiegend nicht um die Geltendmachung subjektiver Rechte gehe und im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer schnellen Klärung der Gültigkeit der Wahl[31].
Die vom BVerfG[32] gezogenen Grenzen für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung in der Vorwahlzeit haben Geltung auch für die Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinden vor einer Kommunalwahl (s. auch Rn 78). Das Recht auf chancengleiche Teilnahme an der Wahl wird durch Maßnahmen gemeindlicher Öffentlichkeitsarbeit allerdings nur dann verletzt, wenn die Grenzen zu unzulässiger Wahlwerbung in einem ins Gewicht fallenden, spürbare Auswirkungen auf das Wahlergebnis nahelegenden Umfang überschritten worden sind[33].
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Soweit die Funktionsfähigkeit einer kommunalen Vertretung gefährdet ist, darf der Gesetzgeber sie, wie dies für Bundestags- und Landtagswahlen vorgesehen ist (vgl § 6 III BWahlG: 5% – dazu BVerfGE 82, 322), auch hier durch eine sog. Sperrklausel absichern, doch unterliegt eine Sperrklausel in Höhe von 5% im Kommunalwahlrecht weitaus stärkeren Verfassungsbedenken[34].
Die Annahme einer drohenden Funktionsunfähigkeit beinhaltet eine Prognose, für die der zuständige Gesetzgeber alle Gesichtspunkte heranziehen und in eine Abwägung einstellen muss, die in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht für die Einschätzung der Erforderlichkeit einer solchen Sperrklausel erheblich sind. Zwar kommt auch im Kommunalwahlrecht als Rechtfertigungskriterium für Differenzierungen hinsichtlich der Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit auch die Wahrung der Funktionsfähigkeit des zu wählenden Organs in Betracht. Welche Anforderungen insoweit zu stellen und ob diese tatsächlich erfüllt sind, muss für das Kommunalwahlrecht jedoch abweichend vom Parlamentsrecht gesondert beurteilt werden. Die Beurteilung hat anhand der konkreten Funktionen des zu wählenden Organs zu erfolgen, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, dass die kommunalen Vertretungskörperschaften keine Parlamente im staatsrechtlichen Sinne sind (siehe hierzu auch Rn 80), insbesondere keine Kreationsfunktion für eine Regierung haben[35].
Eine politische Partei kann im Wege des Organstreits geltend machen, die vom Wahlgesetzgeber vorausgesetzte tatsächliche oder normative Grundlage habe sich geändert oder die bei Erlass der Bestimmung getroffene Prognose habe sich als irrig erwiesen[36].
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Die Gesamtzahl der zu wählenden Vertreter richtet sich nach der Gemeindegröße und schwankt etwa in Niedersachsen (vgl § 46 NKomVG) zwischen sechs (für Gemeinden bis zu 500 Einwohnern) und 66 (für Gemeinden mit mehr als 600 000 Einwohnern).
b) Rechte und Pflichten
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aa) Die gewählten Ratsmitglieder haben umfassende Mitwirkungsrechte bei der Beratung und der Entscheidung in allen Gemeindeangelegenheiten[37]. Dabei besteht ein Recht auf gleichberechtigte Mitwirkung, das sich nicht nur auf das Abstimmungsverfahren – gleicher Zählwert der Stimmen –, sondern auch auf die der Abstimmung vorausgehende Beratung bezieht[38]. Dieses umfasst auch ein umfassendes Informationsrecht und einen Anspruch auf angemessene Unterrichtung, wobei der Umfang der Angemessenheit vom Einzelfall abhängt[39].
Beispiel:
Personalunterlagen vor der Wahl eines Beigeordneten[40] oder der Bestellung eines Amtsleiters[41].
Einschränkungen dieser Mitwirkungsrechte bestehen nur nach Maßgabe gesetzlicher Ausschließungsgründe, so bei konkreten Einwänden[42] in Gestalt von möglichen unmittelbaren Vor- und Nachteilen einer Entscheidung für den Betreffenden oder einen seiner Angehörigen (vgl Art. 49 bay.GO; § 24 m.v.KVerf.; § 41 NKomVG; §§ 43 II, 31 GO NRW).
Die Möglichkeiten der Geltendmachung resp. die Rechtsfolgen einer Verletzung des Mitwirkungsverbots sind unterschiedlich geregelt. Gemäß Art. 49 IV bay.GO, § 41 VI NKomVG und § 31 VI GO NRW hat die Mitwirkung eines wegen persönlicher Beteiligung ausgeschlossenen Ratsmitgliedes die Ungültigkeit eines Beschlusses