Besonderes Verwaltungsrecht. Mathias Schubert
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– | die Sitzungsöffentlichkeit (vgl Art. 52 II-IV bay.GO; § 29 V 1 m.v.KVerf.; § 64 NKomVG; § 48 II GO NRW), Gerade auf der kommunalen Ebene fallen viele der den Bürger betreffenden Entscheidungen, an deren Zustandekommen er besonderes Interesse hat. Die Öffentlichkeit der Sitzungen wird daher als ein tragender Grundsatz des Kommunalrechts angesehen[56]. Hierzu gehört, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeit Kenntnis von Ort und Zeit der Sitzung zu verschaffen, und dass für jedermann im Rahmen der – angemessenen – tatsächlichen Gegebenheiten freier Zutritt zu der Sitzung als Zuhörer eröffnet ist. Durch den Beginn von Ratssitzungen an Werktagen um 16.15 Uhr wird dieser Grundsatz – auch mit Blick auf Berufstätige – nicht verletzt[57]. Die Voraussetzungen für eine nichtöffentliche Beratung im Rat liegen regelmäßig dann vor, wenn das prozesstaktische Vorgehen in einem von der Gemeinde geführten Rechtsstreit zum Gegenstand der Erörterung im Rat gemacht werden soll[58]. Vorberatende Ausschüsse des Rates brauchen freilich in Ermangelung ausdrücklicher landesgesetzlicher Vorgaben nicht öffentlich zu tagen[59]. Spezielle bundesgesetzliche Regelungen (wie in § 71 III 4 SGB VIII für den Jugendhilfeausschuss; zu ihm noch Rn 153) gehen vor[60]. Ratsmitgliedern und Ratsfraktionen steht ein eigenes wehrfähiges subjektives Organrecht auf Wahrung der Grundsätze der Sitzungsöffentlichkeit durch den Ratsvorsitzenden und den Rat zu[61]. Dieser gegen den Ratsvorsitzenden gerichtete klagbare Anspruch auf Beseitigung der Störungen ihrer Mandatsausübung steht den Ratsmitgliedern auch dann zu, wenn die Störungen im Rahmen einer Ratssitzung von Zuhörern ausgehen[62]. |
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– | die Geschäftsordnung des Rates (vgl Art. 45 bay.GO; § 29 II 2, III 1 m.v.KVerf.; §§ 66, 69 NKomVG; §§ 47 II, 48, 51 II GO NRW)[63], Der Gemeinderat als kommunale Vertretung ist, auch wenn aus Wahlen im Sinne von Art. 28 I 2 GG hervorgegangen, Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft und kein Parlament[64]. Bei der Geschäftsordnung des Rates handelt es sich daher auch nicht – wie bei den Parlamenten auf Bundes- oder Landesebene – um eine Satzung, sondern um eine auf der Organautonomie gründende interne Verfahrensvorschrift (daher auch keine Publikationspflicht), die freilich für die Ratsmitglieder unmittelbar Rechte und Pflichten begründet[65]. Ein Verstoß gegen diese GeschO führt daher auch nicht per se zur Unwirksamkeit des betreffenden Ratsbeschlusses, es sei denn, die in Rede stehende Vorschrift der GeschO gibt ihrerseits zwingende gesetzliche Vorgaben wieder[66]. |
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– | die Beschlussfähigkeit (vgl Art. 47 bay.GO; § 30 m.v.KVerf.; § 65 NKomVG; § 49 GO NRW) sowie |
– | die Abstimmungsformalitäten (namentlich, geheim oder – im Regelfall – offen)[67] und Abstimmungsmehrheiten (vgl Art. 51 bay.GO; § 31 m.v.KVerf.; § 66 NKomVG; § 50 GO NRW). Regelmäßig genügt die sog. einfache Mehrheit. Stimmengleichheit bedeutet Ablehnung des Antrages (§ 66 I 2 NKomVG; § 50 I 2 GO NRW). Stimmenthaltungen – nach bay. Kommunalrecht unzulässig[68] – und ungültige Stimmen zählen zwar zur Feststellung der Beschlussfähigkeit mit, nicht aber zur Berechnung der Mehrheit (§ 31 I 3 m.v.KVerf.; § 50 V GO NRW). |
4. Fraktionen
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Ratsmitglieder können sich zu einer Fraktion[69] zusammenschließen, wobei teilweise gesetzlich eine Mindeststärke festgelegt ist (§ 23 V 2 m.v.KVerf.; § 57 NKomVG; § 56 I 2 GO NRW)[70]. Nähere Einzelheiten über die Bildung der Fraktionen sowie ihre Rechte und Pflichten regelt die Geschäftsordnung (vgl § 23 V 6 m.v.KVerf.; § 57 V NKomVG; § 56 IV 2 GO NRW)[71].
Aus dem Grundgesetz lässt sich kein Anspruch einer Ratsfraktion ableiten, in jedem der Ausschüsse des Rates (dazu im Folgenden Rn 151) unabhängig von der Zahl ihrer Mitglieder mit Sitz und Stimme vertreten zu sein[72], doch sehen einige Gemeindeordnungen vor, dass uU Mitglieder mit beratender Stimme in den Ausschuss entsandt werden dürfen (vgl zB § 71 IV 1 NKomVG).
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Die Wahrnehmung eines kommunalen Mandats muss allerdings auch ungeachtet der Zugehörigkeit zu einer Fraktion möglich sein, sodass ein fraktionsloses Ratsmitglied zumindest einen vollwertigen, dh mit Rede-, Antrags- und Stimmrecht ausgestatteten Ausschusssitz beanspruchen kann[73].
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Lösungshinweis zu Fall 4 (Rn 116):
Zur Zulässigkeit einer Klage näher unten Rn 191. Für die Begründetheit gilt insoweit: Die Feststellungsklage ist begründet, wenn das behauptete Rechtsverhältnis besteht, wenn A und B also berechtigt sind, zu zweit eine Fraktion im Gemeinderat von Hinterwalde zu bilden. Die GeschO sieht vor, dass zur Fraktionsbildung mindestens drei Stadträte erforderlich sind. Fraglich ist, ob diese Rechtsvorschrift ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar ist.
Rechtsgrundlage für die GeschO ist § 69 NKomVG. Darin können Bestimmungen über Fraktionen aufgenommen werden, wie sich aus § 57 V NKomVG ergibt. Die Vorschrift ermächtigt zur Regelung von „Einzelheiten über die Bildung der Fraktionen“. Einem Gemeinderat als unmittelbar demokratisch legitimierter Repräsentanz der Bürger kommt bei der Regelung seiner inneren Angelegenheiten kraft seiner Autonomie eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Der Rat ist bei seiner Regelung jedoch nicht völlig frei. So darf die Frage, welches Quorum für die Bildung einer Fraktion in einem Gemeinderat vorausgesetzt werden darf, nicht frei entschieden werden, sondern muss bestimmten Sachgesetzlichkeiten folgen. Hierzu zählt etwa der Zweck einer Fraktionsbildung, der darin besteht, durch kollektive Vorbereitung der Willensbildung in Gruppen politisch Gleichgesinnter die Arbeit im Plenum zu straffen und zu konzentrieren[74].
Welches Quorum insoweit maßgeblich sein kann, ist von Fall zu Fall mit Blick auf die konkreten Verhältnisse, etwa hinsichtlich der Gesamtgröße des betr. Gemeinderates zu beurteilen. Hier handelt es sich um eine Gemeinde mit 16 000 Einwohnern. Der Gemeinderat umfasst also 32 Ratsfrauen und Ratsherren (vgl § 46 NKomVG) plus Bürgermeister, also 33 Ratsmitglieder. Eine Mindeststärke von 3 Mitgliedern entspräche also 1/11. Es ist nicht ersichtlich, dass durch diese Festlegung mit Blick auf den Zweck der Fraktionsbildung Ermessensgrenzen überschritten wären. Der von A und B angestellte Vergleich zur Praxis in anderen Gemeinden und in