Die straflose Vorteilsnahme. Tobias Friedhoff
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Erst durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB)[10] von 1974 änderten sich die Korruptionstatbestände im amtlichen Bereich hinsichtlich ihrer Systematik und ihres Inhalts.[11] Es wurden vier Tatbestände geschaffen, die nahezu spiegelbildlich zueinander angeordnet wurden.[12] Die Strafbarkeit des Vorteilsempfängers wurde in den §§ 331, 332 StGB (1974) geregelt, die des Vorteilsgebers in den §§ 333, 334 StGB (1974). Dabei wurde in § 331 StGB (1974) die Vorteilsannahme und in § 333 StGB (1974) die Vorteilsgewährung kodifiziert, während in § 332 StGB (1974) die Bestechlichkeit und in § 334 StGB (1974) die Bestechung geregelt waren. Der selbstständige Tatbestand der Richterbestechung wurde aufgehoben, die Richterbestechung ist seitdem jeweils in den zweiten Absätzen der Tatbestände integriert.[13]
Inhaltlich gesehen wurden nicht mehr nur Beamte, sondern grundsätzlich alle Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten erfasst, was die Bestechungsverordnung überflüssig machte.[14]
Durchgängig war nun erforderlich, dass der Vorteil „als Gegenleistung für“ eine Diensthandlung erbracht werden musste, um so die Beziehung zwischen Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer im Sinne einer „Unrechtsvereinbarung“ zu kennzeichnen.[15] Dies bedeutete, dass der Vorteil für eine zumindest in groben Zügen konkret erkenn- und bestimmbare Diensthandlung angenommen bzw. gewährt werden musste.[16]
Darüber hinaus wurde in § 331 StGB (1974) und in § 333 StGB (1974) jeweils in Abs. 3 die Möglichkeit einer Genehmigung der Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung eingeführt.
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Der Tatbestand der Vorteilsannahme lautete im Zeitraum von 1974 bis 1997:
§ 331 StGB Vorteilsannahme
(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ein Richter oder Schiedsrichter, der einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.
Teil 2 Bestandsaufnahme – Der Tatbestand der Vorteilsannahme › A › III. Das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption von 1997
1. Die Änderungen durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption, insbesondere die Lockerung der Unrechtsvereinbarung
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Deutlich verändert wurden die Bestechungstatbestände durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13.8.1997 (KorrBekG)[17]. Beeinflusst wurde dieses Gesetz insbesondere durch das Gutachten von Dölling zum 61. Deutschen Juristentag.[18]
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Das KorrBekG enthielt vor allem zwei Neuerungen, die von besonderer Bedeutung für die strafrechtliche Praxis waren und es noch heute sind. So wird mittlerweile in den §§ 331 bis 334 StGB die Drittzuwendung mit einbezogen, sodass auch die Annahme eines Vorteils bzw. die Gewährung eines Vorteils für eine dritte Person erfasst wird.[19] Die Rechtsprechung hatte sich bis dahin geweigert, rein altruistische Handlungen des Vorteilsnehmers mit zu erfassen, z.B. wenn dieser den Vorteil annimmt, nur um ihn direkt an einen Dritten weiterzuleiten und selbst daraus keinerlei Vorteil für sich zieht.[20] Außerdem wurde die Unrechtsvereinbarung im Rahmen der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung deutlich gelockert, da nun nicht mehr der Vorteil als Gegenleistung für eine Diensthandlung angenommen oder gewährt werden musste, sondern es nun bereits ausreicht, wenn der Vorteil „für die Dienstausübung“ angenommen oder gewährt wird.[21] Diese Ausweitungen der Strafbarkeit hinsichtlich der Einbeziehung von Zuwendungen an Dritte wie auch die Lockerung der Unrechtsvereinbarung wurden auch von den Teilnehmern des 61. Deutschen Juristentages gefordert (74 Ja-Stimmen, 27 Nein-Stimmen, 14 Enthaltungen bzw. 71 Ja-Stimmen, 39 Nein-Stimmen, 6 Enthaltungen).[22]
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Des Weiteren wurden in § 335 StGB Regelbeispiele für den besonders schweren Fall der Bestechlichkeit und Bestechung und in § 338 StGB die Möglichkeit des erweiterten Verfalls (§ 73d StGB) bezüglich der §§ 332, 334 StGB eingeführt.
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Nicht ohne Erwähnung soll auch der neu eingefügte 26. Abschnitt des StGB – „Straftaten gegen den Wettbewerb“ (§§ 298 bis 302 StGB) – bleiben, durch den auch die Korruption im privatwirtschaftlichen Sektor zum ersten Mal strafrechtlich erfasst wird.[23]
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Der Tatbestand der Vorteilsannahme lautet seit dem KorrBekG:
§ 331 StGB Vorteilsannahme
(1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ein Richter oder Schiedsrichter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen läßt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt.
2. Die Gründe des Gesetzgebers für die Lockerung der Unrechtsvereinbarung, insbesondere die Erfassung der Zuwendungen zum „Anfüttern“ und zur „Klimapflege“
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Die Intention des Gesetzgebers zur Lockerung der Unrechtsvereinbarung war folgende: Vor dem KorrBekG war es erforderlich, dass der Amtsträger den Vorteil als Gegenleistung für eine Diensthandlung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Es musste also eine, wenn auch nicht in allen Einzelheiten,[24] bestimmte zukünftige oder vergangene Diensthandlung durch den Vorteil angestrebt bzw. belohnt werden, was oftmals nicht gegeben oder zumindest nicht beweisbar war.[25] So konnte das sogenannte „Anfüttern“[26] eines Amtsträgers nicht durch § 331 Abs. 1 StGB (1974) erfasst werden. Unter dem Anfüttern von Amtsträgern versteht man das stetige Gewähren von zunächst kleineren Vorteilen