Zur Fremdrechtsanwendung im Wirtschaftsstrafrecht. Christina Konzelmann
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Blankettstrafgesetze enthalten nur die Strafandrohung, verweisen aber hinsichtlich der Voraussetzungen, an die die Strafandrohung geknüpft wird, auf andere Vorschriften.[1] Das Strafgesetz ist zunächst ein unvollständiges Blankett, dessen Beschreibung der Merkmale des Tatbestandes sich nur in der Zusammenschau des Blanketts und der Ausfüllungsnorm ergibt.[2] Geprägt wurde der Begriff des Blankettstrafgesetzes von Binding. Er definierte Blankettstrafgesetze als jene Gesetze, die lediglich die Sanktionsandrohung enthalten, während die Ausfüllungsnorm der Strafvorschrift aus einer anderen Rechtssetzungsinstanz stammt.[3] Dies ist zumeist bei Verweisungen von Bundesrecht auf Landesrecht oder auf Verordnungen und Verwaltungsakte der Fall.[4] Nach modernem Verständnis wurde der Begriff des Blankettstrafgesetzes sowohl in formeller als auch materieller Sicht erweitert,[5] so dass als Blankettstrafgesetze auch solche Normen gelten, bei denen das Blankettgesetz und die ausfüllende Norm von derselben Rechtsetzungsinstanz erlassen werden,[6] sowie Strafgesetze, die nicht lediglich die Strafandrohung, sondern auch teilweise die Tatbestandsbeschreibung enthalten.[7]
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Das wesentliche Motiv für die Verwendung blankettartiger Verweisungen besteht in der gesetzestechnischen Vereinfachung. Es erfolgt eine Inkorporation, indem die in Bezug genommenen Vorschriften durch die Verweisung zum Bestandteil der jeweiligen Verweisungsnorm werden.[8] Es ergibt sich somit kein Unterschied, ob der Tatbestand einer Norm von vornherein vollständig ausformuliert oder durch eine Verweisung auf die Ausfüllungsnorm zum Vollstrafgesetz wird. Der Vorteil der Verweisung liegt also darin, dass sie zum einen der Entlastung des Gesetzestextes der Verweisungsnorm und zum anderen des Gesetzgebers dient, soweit auf Normen eines anderen Gesetzgebers verwiesen wird.[9] Neben der Funktion der Vereinfachung steht zudem das Bedürfnis nach erhöhter Anpassungsfähigkeit des Strafrechtsschutzes an zunehmend komplexe gesellschaftliche Entwicklungen im Vordergrund.[10] Dies zeigt sich insbesondere im Nebenstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, wo die Blankettgesetzgebungstechnik immer mehr an Bedeutung gewinnt, da auf das stetige Wachstum der Regelungsdichte im besonderen Verwaltungsrecht und der damit einhergehenden Wandelung der entsprechenden Rechtsgebiete mit Blankettnormen besser reagiert werden kann.[11] Mittels unionsrechtsakzessorischer Blankettgesetze wird zudem der aus Art. 4 III UA 2, 3 EUV abzuleitenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer gleichartigen und gleichwertigen Straf- und Bußgeldbewehrung von unmittelbar geltenden Rechtsakten der EU entsprochen.[12]
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Zusammenfassend definiert sich das Blankettstrafgesetz mithin über zwei wesentliche Elemente: zum einen der Unvollständigkeit des Tatbestandes und zum anderen der Bezugnahme auf andere Rechtsnormen.[13] Nur durch ein Zusammenlesen des Strafgesetzes mit dem außerstrafrechtlichen Blankettausfüllungsakt ergibt sich ein vollständiges Strafgesetz.[14]
Anmerkungen
Warda S. 5; Karpen S. 86 f.
Satzger Europäisierung, S. 217.
Binding S. 179 f.
S/S-Eser/Hecker Vor § 1 Rn. 3; LK-Vogel § 16 Rn. 36.
Vgl. Moll S. 24; eingehend zum ursprünglichen Begriff Warda S. 5 ff.
Da es in Abgrenzung zu den echten Blankettstrafgesetzen am charakteristischen „Kompetenzsprung“ fehlt, werden diese unechte Blankettstrafgesetze genannt, Karpen S. 95, Moll S. 26; Tiedemann S. 259 f; LK-Vogel § 16 Rn. 36. Gleichbedeutend, aber von Teilblankettgesetzen sprechend, S/S-Sternberg-Lieben/Schuster § 15 Rn. 99; auch NK-Puppe § 16 Rn. 19. Zum Teil wird auch zwischen einem weiten und einem engen Blankettbegriff unterschieden. Diese Differenzierung entspricht terminologisch der Unterscheidung zwischen echten und unechten Blankettstrafgesetzen, vgl. Warda S. 11. Unechte Blankettstrafgesetze sind in der Regel als Binnenverweisungen ausgestaltet.
Lohberger S. 28 ff.; Moll S. 40 ff. sprechen von teilweise ergänzungsbedürftigen Blankettvorschriften. Enderle S. 81 kommt zu dem Ergebnis, dass die von ihr als teilweise unvollständige Blankettverweisungen bezeichneten gegenüber gänzlich unvollständigen Tatbeständen mittlerweile dominieren.
Sog. Inkorporationstheorie, vgl. BVerfGE 47, 285, 310, 312; Karpen S. 67; Moll S. 27; Bülte JuS 2015, 769, 770.
Moll S. 27.
Grundlegend BVerfGE 75, 329, 342 f.; Dietmeier S. 10; Warda S. 8 f.; Hohmann ZIS 2007, 38, 42.
BGHSt 20, 177, 180; Niehaus wistra 2006, 206, 206 f; Karpen S. 89.
Vgl. Hecker EuStR, 7.4.2 Rn. 76; Ambos § 11 Rn. 19 f.; Enderle S. 54 ff.
Vgl. Enderle S. 110.
BGHSt 20, 177, 181; S/S- Eser/Hecker Vor § 1 Rn. 3; Hecker EuStR, 7.4.2 Rn. 76.
Teil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › I. Zur Fremdrechtsanwendung im Strafrecht › 4. Normative Tatbestandsmerkmale
4. Normative Tatbestandsmerkmale
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Normative Tatbestandsmerkmale werden als Bestandteile des gesetzlichen Tatbestands erkannt, die auf eine „außerhalb ihrer Stammnorm liegende Norm“ verweisen.[1] Im Gegensatz zu den Blankettstrafgesetzen muss der Tatbestand der normativen Tatbestandsmerkmale