Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?. Charlotte Schmitt-Leonardy
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„Jeder, der behauptet, die Wahrheit zu kennen, teilt nur mit, dass er sein Denkschema nicht reflektiert hat.“ Luhmann Short Cuts, S. 134.
Die offizielle Zuschreibung von Kriminalität erfolgt generell-abstrakt durch das Strafrecht. Vgl. Kunz Kriminologie, S. 3 f., der ausführt „Was macht kriminelles Verhalten aus, wenn nicht seine Ausweisung als Rechtsbruch?“ (S. 4) Vgl. auch Hess KrimJ 1976, 1 (12). Das Abstellen auf den Bruch allgemeiner oder international anerkannter Rechtsgrundsätze entspricht ebenfalls einer Orientierung am positiven Recht, da es sich hierbei auch um verbindliche Normen handelt. Vgl. insofern die Differenzierung von Reese Großverbrechen und kriminologische Konzepte, S. 92 m. w. N.
Neuhäuser Unternehmen als moralische Akteure, S. 23.
Zu diesen Begriffen und dem Ringen um einen natürlichen bzw. materiellen Verbrechensbegriff vgl. Garofalo Criminologia, 1885/1968, S. 4 ff. Die Frage danach, was Kriminalität im Kern – und jenseits der normativen Zuschreibung – bedeutet kann hier nicht beantwortet werden. Einen kritischen Überblick hierzu gibt Hassemer Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, S. 19 ff. und im Kontext der Kriminalität der Mächtigen Reese Großverbrechen und kriminologische Konzepte, S. 92 ff. – beide mit umfangreichen Nachweisen. Teilweise wird davon ausgegangen, dass diese Unterscheidung wissenschaftstheoretisch der Vergangenheit angehört; vgl. Lüderssen in: Die Handlungsfreiheit des Unternehmers, S. 21 (21).
Vgl. die Ausführungen ab Rn. 106.
Kunz Kriminologie, S. 3.
Vgl. hierzu auch Parsons in: Kriminalsoziologie, S. 9 (10 f.).
Aubert in: Kriminalsoziologie, S. 201 (203 ff.).
Vgl. hierzu Rn. 104 ff.
Angesichts des Personalaustauschprogramms Seitenwechsel der Bundesregierung aus dem Jahre 2004 mag man zugestehen, dass der Gedanke nicht völlig abwegig erscheint. Vgl. hierzu http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/emags/economy/2006/038/t-2-seitenwechsel-schreibtisch-tauschen.html; sowie kritisch aus journalistischer Sicht: Adamek/Otto Der gekaufte Staat.
Zum Gegenstandsbereich kriminalsoziologischer Forschung, und von Sutherland als „social injurious“ bezeichnet, gehören neben strafrechtlichen und ordnungswidrigkeitensrechtlichen Tatbeständen zudem solche Verhaltensweisen, die von anderen Normen als den in Strafgesetzen fixierten abweichen. Vgl. hierzu Opp Abweichendes Verhalten und Gesellschaftsstruktur, S. 9 ff., 52 ff.; Jung Kriminalsoziologie, S. 13; Kaiser Kriminologie, S. 317 ff., sowie die Ausführungen zu Sutherland ab Rn. 104.
Reese Großverbrechen und kriminologische Konzepte, S. 99.
Vgl. Wells Corporations and Criminal Responsibility, S. 67 mit dem Hinweis, dass es manchmal keine bloße Nichtbeachtung von Vorschriften, sondern ein handfester Totschlag sein kann.
Teil 1 Interdisziplinäre Grundlagen der Unternehmenskriminalität › C › I. Empirische Grundlagen
I. Empirische Grundlagen
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Als „Studie zur Unternehmenskriminalität“ werden – abgesehen von einer jüngsten Ausnahme[1] – Berichte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften[2] bezeichnet,[3] die empirische Erkenntnisse in Bezug auf eine Opferstellung des Unternehmens gewinnen und die Unternehmensbefragungen auf das Feld der Wirtschaftskriminalität im Allgemeinen ausdehnen; im Übrigen bleibt dieses „eigentliche Objekt des Strafrechts“[4] empirisch bemerkenswert unterbelichtet.[5]
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Die allgemeineren Studien sind gleichwohl von Interesse, weil das Auftreten von Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang bzw. innerhalb des Unternehmens thematisiert wird, jedoch soll der Fokus keinesfalls auf die Begehung von Straftaten zum Nachteil von Unternehmen[6] begrenzt werden, sondern – im Gegenteil – die kriminogene Wirkung der Eingliederung[7] in ein Unternehmen oder die sogenannte „kriminelle Verbandsattitüde“ ebenso in den Blick genommen werden.[8] Mithin soll eine mögliche „Täterstellung“ des Unternehmens auch Bestandteil der Fragestellung sein. Dies ist jedoch in Studien, die von Unternehmen ausschließlich als „Geschädigten“ sprechen, welche Wirtschaftskriminalität als „Risiko“ ernster nehmen sollten, nicht der Fall.[9] Auch wenn in jüngeren Studien[10] die Notwendigkeit einer wirkungsvollen Compliance – einer Übereinstimmung der Unternehmenstätigkeit mit den normativen Anforderungen – betont wird, werden Tatbestände, die zum Nachteil Dritter gereichen, nicht gesondert abgebildet und innerhalb der betrachteten Delikte auch nicht danach differenziert, ob sie sich einzig gegen das Unternehmen richten – wie im Fall der Produktpiraterie – oder dem Unternehmen (un-)mittelbar ökonomische Vorteile bringen können, wie im Fall der Korruption.
Anmerkungen
Vgl. zum Forschungsprojekt Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-BetriebeRn. 79 ff.
Vgl.