Frauenstimmrecht. Brigitte Studer
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Die Argumente wurden jeweils taktisch angepasst, je nachdem, ob das integrale oder ein partielles Stimm- und Wahlrecht in sogenannt weiblichen Bereichen wie Kirche, Schule, Fürsorge oder Schiedsgerichte oder eine stufenweise Einführung von der Gemeinde über den Kanton zum Bund zur Diskussion stand. Eine beliebte Metapher, sei es als Bremsmanöver und im Gegenteil wie hier als Legitimationsinstrument, war diejenige der Gemeinde als Familienhaushalt, wie sie etwa der Berner konservative Grossrat und Fürsprecher Hugo Dürrenmatt (1876–1957) am 9. März 1917 verwendete: «Will man mit der politischen Bestätigung der Frau überhaupt einmal einen Anfang machen, so ist dann gewiss die Verleihung des Gemeindestimmrechtes der beste Weg dazu. […] Die Gemeinde ist die vergrösserte Familie, ihre Bedürfnisse sind den Frauen wohl meistens so gut bekannt wie den Männern.»172
Mit der Gründung des SVF erhielt die Forderung nach dem integralen Frauenstimmrecht ein organisationales Gefäss auf nationaler Ebene. Die Mitglieder fanden sich jedoch nicht alle auf derselben Argumentationsbasis wieder, sondern verteilten sich zwischen den beiden Polen Dualismus–Egalitarismus. In einer dualistischen Konzeption überwog nicht das Recht, sondern die Pflicht als Begründung einer Reform der Geschlechterordnung, während eine egalitaristische auf die Gleichbehandlung pochte und an die Menschenrechte appellierte. Letztere vertraten Emilie Gourd und, wie im Folgenden ersichtlich, Auguste de Morsier: «Le droit à l’électorat entraîne celui de l’éligibilité. Nous ne voyons aucune raison valable pour scinder ces droits, alors qu’on le donne à tous avec toutes ses conséquences. […] Le sexe n’a rien à y voir.»173 In der politischen Praxis vermischten sich jedoch diese beiden Ansätze in der Betonung der Gleichwertigkeit der spezifischen weiblichen Pflichten oder Tugenden als Basis gleicher Rechte.174
Die folgende diachrone Synthese der Argumentationen basiert auf der Auswertung der parlamentarischen Debatten in den Kantonen Neuenburg, Tessin, Waadt, Zürich und Solothurn sowie auf der Debatte über die Motionen Greulich und Göttisheim im Nationalrat 1919, den drei Bundesratsberichten von 1951, 1957 und 1969 mitsamt den entsprechenden parlamentarischen Beratungen und schliesslich auf ausgewählten Diskussionen im Rahmen nationaler Kongresse und Publikationen des SVF und anderer Schweizer Frauenorganisationen. Dabei richtet sich der Fokus auf Schlüsselmomente, die im chronologischen Teil dargestellt wurden.
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