Frauenstimmrecht. Brigitte Studer

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Frauenstimmrecht - Brigitte Studer

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aufgeführt sind. Die ersten Gruppen entstanden auf lokaler Ebene, meist aus einer Fusion zwischen philanthropischen und sittlichmoralischen Kreisen und dem progressiven Teil der frühen Frauenbewegung, je nach örtlichen Verhältnissen mit unterschiedlich starker Beteiligung von sozialdemokratischen und einzelnen bürgerlichliberalen, fortschrittlich eingestellten Politikern.

      Männer als Feministen

      Vor allem in den Anfangsjahren war der SVF durch eine starke Beteiligung der Männer charakterisiert – Männer, die sich aus weltanschaulichen Gründen politisch für die Rechte der Frauen einsetzten. Vor dem Zweiten Weltkrieg sassen im Zentralvorstand des SVF insgesamt neun männliche Mitglieder, darunter zwei SP-Nationalräte und ein FDP-Nationalrat, ein Zürcher Regierungsrat, ein Pfarrer und ein Professor. Nach 1945 sind im Zentralvorstand des SVF allerdings keine Männer mehr zu finden, obschon in den Sektionen durchaus noch Männer aktiv waren.143

      Die Rolle der Männer in der ersten Zeit lässt sich beispielhaft an der 1907 gegründeten Genfer Sektion zeigen, einem Zusammenschluss zwischen religiös-sozialen, abolitionistischen Kreisen und der Union des femmes de Genève. Gründer der Association genevoise pour le suffrage féminin und im ersten lokalen Leitungskomitee Co-Vizepräsident (zusammen mit Camille Vidart) war der wie seine Mutter philanthropisch engagierte Genfer Ingenieur und Grossrat Auguste de Morsier (1864–1923). De Morsier war von 1909 bis 1912 auch erster Zentralpräsident des SVF. Männer bildeten im ersten Genfer Komitee mit vier Vertretern die Mehrheit. Neben de Morsier waren dies der sozialdemokratische Grossrat, Schriftsteller und Redaktor des Peuple genevois Valentin-Henri Grandjean (1872–1944), der aus Ungarn stammende Soziologe André de Maday (1877–1958), damals noch Privatdozent an der Universität Genf, später Professor an der Universität Neuenburg und ab 1924 Direktor der Bibliothek des Bureau International du Travail in Genf, der französische Sozialist und Professor für politische Ökonomie Edgard Milhaud (1873–1964) und ein näher nicht identifizierter Paul Robert als Kassier. 1910 kamen drei Frauen als neue Mitglieder hinzu: Emilie Gourd, die bald zur prägenden Figur des Stimmrechtskampfs mit transnationalem Netzwerk werden sollte, die Ehefrau von Grossrat Grandjean und die Ehefrau von André de Maday, Marthe de Maday-Henzelt, spätere Autorin von Studien über die Mutterliebe. Dazu kam Dr. Alexandre Claparède (1858–1913), früherer Grossrat, Naturwissenschaftler und Sekretär der Société des Arts de Genève. Die Funktion der Präsidentin fiel allerdings einer Frau zu: Aline Hoffmann-Rossier (1856–1920), Leiterin eines Mädchenpensionats und Schriftstellerin – auch sie dem Abolitionismus nahestehend. Als weitere Frau sass seit der Gründung Pauline Chaponnière-Chaix (1850–1934) in der Leitung.144

      Auch in anderen Lokalsektionen war die Leitung in der Gründungszeit gemischtgeschlechtlich. Im ersten Komitee des Kantons Waadt sassen elf Frauen und vier Männer, in der Stadt Neuenburg zwölf Frauen und vier Männer, in La Chauxde-Fonds elf Frauen und sechs Männer. Auch in Zürich, wo sich bis zu ihrer Fusion 1919 zwei Organisationen Konkurrenz machten, sassen einige prominente Männer in den Leitungsausschüssen, so Emil Zürcher (1850–1926), freisinniger Nationalrat, Rechtsanwalt und Professor an der Universität Zürich, der bereits 1902 im Kantonsrat mehr Rechte für Frauen gefordert hatte.

      Das Engagement der Männer für das Frauenstimmrecht zeigte sich auch in deren Vertretung an den nationalen Sitzungen. So kamen beispielsweise an die ausserordentliche Generalversammlung im Jahr 1918, nach dem Generalstreik, 34 Frauen und fünf Männer. Yvonne Voegeli hat die damaligen Wortmeldungen gezählt und kommt kritisch zum Schluss, dass sich die Männer unverhältnismässig oft äusserten: In der Debatte um das umstrittene Telegramm Gourds an den Bundesrat von 1918 und das weitere Vorgehen des Verbands meldeten sich zwölf Frauen insgesamt fünfzig Mal, die meisten unter ihnen führende Persönlichkeiten der schweizerischen Frauenbewegung, während die anderen 22 stumm blieben. Dagegen ergriffen alle fünf Männer zusammen 32 Mal das Wort.145

      Zur Zeit der Lancierung der grossen Petition von 1929 figurierten drei Männer im 15-köpfigen Arbeitsausschuss: der Waadtländer Professor für Gynäkologie Maurice Muret (1863–1954), Robert Briner (1885–1960), promovierter Jurist, Präsident der Demokratischen Partei und Vorsteher des Zürcher kantonalen Jugendamts, und der Neuenburger Charles Schürch, ursprünglich Uhrenarbeiter, seit 1918 Westschweizer Zentralsekretär des SGB und seit 1920 Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamts. Auch im grossen Aktionskomitee, dem neben den Organisationsvertreterinnen auch 28 Mitglieder als Einzelpersonen angehörten, figurierten 26 prominente Männer: Darunter befanden sich 13 National- und Ständeräte (respektive Alt-National- und -Ständeräte), drei Regierungsräte, eine Anzahl Grossräte, ein Professor, zwei Chefredaktoren, mehrere hohe Staatsbeamte und Rechtsanwälte aus den Kantonen Bern, Zürich, Basel, Genf, Neuenburg, Tessin, Aargau, Schaffhausen, Luzern, Solothurn, Zug und Thurgau. Am stärksten vertreten waren die Sozialdemokraten – soweit zu eruieren ist – mit zwölf Personen, gefolgt von den Freisinnigen mit vier, den Liberaldemokraten mit zwei sowie einem Christlich-Sozialen und sogar einem Vertreter der BGB.146

      Lokale Eliten

      Die soziale Zusammensetzung der ersten lokalen Frauenstimmrechtsvereine war bürgerlich-elitär, zumindest was deren Leitungsorgane betrifft, wenngleich mit Ausnahmen. Die erwähnten Genferinnen und Genfer waren allesamt Vertreter des aufgeklärten Bildungs- und Finanzbürgertums, in der internationalen Stadt mit einer kosmopolitischen Färbung. Sie repräsentierten politisch sowohl liberale als auch sozialdemokratische Orientierungen, in einer Zeit, als die Abgrenzungen zwischen den beiden noch nicht so scharf gezogen waren wie dann nach dem Ersten Weltkrieg. Unter den Männern fanden sich vier Grossräte, einer zudem auch der Sohn eines Staatsrats, und zwei Akademiker, unter den Frauen die Witwe eines Bankiers, die jeweiligen Ehefrauen eines Pfarrers, eines Privatdozenten und eines Chefredaktors. Schliesslich gesellte sich mit Gourd eine ledige Frau aus dem protestantischen Genfer Grossbürgertum dazu. Ihr Vater war Philosophieprofessor an der Universität Genf. Die ausgebildete Lehrerin übernahm schon mit 28 Jahren das Sekretariat des BSF, 1911 für 35 Jahre das Präsidium der Genfer Sektion des SVF und ab 1914 für 14 Jahre dasjenige der schweizerischen Vereinigung. 1912 gründete sie mithilfe von Vidart und de Morsier die Zeitschrift Le Mouvement féministe, deren Redaktion sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1946 leitete.147 Gourd war in der Zwischenkriegszeit nicht nur eine führende Figur der Stimmrechtsbewegung in der Schweiz, als Sekretärin des Weltbundes für Frauenstimmrecht sicherte sie ab 1923 auch deren internationale Vernetzung.

      Nicht zuletzt manifestierte sich die soziale Herkunft der Genfer Sektion in den gewählten politischen Aktionsformen: So organisierte die Sektion 1935, als der Besitz eines Automobils noch Vermögenden vorbehalten war, eine motorisierte Protestkundgebung. Näher bei den Geschlechternormen, doch habituell ebenfalls bürgerlich kodiert, lud sie bis 1943 regelmässig zu den «thés suffragistes» ein.148

      Prominent akademisch besetzt war auch die Leitung des Zürcher Frauenstimmrechtsvereins mit seinen 157 Mitgliedern im November 1909, der bei seiner Gründung 1908 noch Akademischer Verein für Frauenstimmrecht geheissen hatte und 1919 mit der Union für Frauenbestrebungen fusionierte. Präsidentin war die Juristin, Lehrerin und erste Anwältin der Schweiz, Anna Mackenroth (1861–1936), die 1911 von Gilonne Brüstlein (1880–1933), ebenfalls einer promovierten Juristin und Anwältin, abgelöst wurde. Neben dem erwähnten Professor Emil Zürcher zählte der Vorstand auch Frauen, die selbst einen akademischen Titel trugen, wie die aus der Ukraine stammende Ärztin Betty Farbstein-Ostersetzer (1873–1938), die zwischen 1895 und 1909 mit dem SP-Politiker und Juristen David Farbstein verheiratet war, oder Mathilde Schneider-von Orelli (1883–1983), promovierte Naturwissenschaftlerin, deren Mann später eine Professur für Entomologie innehatte. Andere wie Sophie Glättli-Graf (1876–1951) waren mit bekannten Politikern verheiratet. Sie selbst hatte ihre Lehrerinnenausbildung nicht abgeschlossen, um ihren kranken Vater zu pflegen, während ihr Mann freisinniger Zürcher Staatsanwalt war.149

      Auch die vier Männer im

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