Schatzkiste der Simple Things. Jule Hildmann
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Erlebnispädagogische Veranstaltungen sinnvoll aufbauen
Ganz willkürlich sind die Entwicklungsprozesse von Gruppen natürlich nicht. Je nachdem, ob wir mit einer neu zusammengesetzten oder bereits miteinander vertrauten Gruppe arbeiten, sind typische Phasen und Rhythmen zu erwarten, nach denen die Teilnehmer sich zusammenfinden, ihre Unterschiede aushandeln und ihre Energie zur Erreichung gemeinsamer Ziele kanalisieren. Ein klassisches und oft zitiertes Modell solcher Gruppenphasen ist das von Bruce Tuckman (Tuckman, 1965; Tuckman & Jensen, 2010; 1977) mit den Phasen Forming/Annäherung, Storming/Positionssuche, Norming/Organisation, Performing/ Realisierung und Adjourning/Ablösung (dt. Bezeichnungen von König & König, 2002, 142f.). Die Bedürfnisse der Personen in den jeweiligen Phasen bestimmen verschiedene Faktoren prozessorientierten Arbeitens, wie etwa das Maß, in dem die Leitung eher durch die Trainer oder die Gruppe erfolgt. Unsicherheiten der Teilnehmer am Anfang einer Maßnahme erfordern z.B. eine deutlich höhere Präsenz und Steuerung der Trainer als in einer Phase der Höchstleistung eines eingespielten Teams. Auch der Schwierigkeitsgrad der gestellten Herausforderungen und andere Aspekte werden hierdurch entscheidend mitbestimmt.
Diese typischen strukturellen Merkmale können und sollten bei der Konzeption und Planung einer erlebnispädagogischen Maßnahme berücksichtigt werden, und die Auswahl der Übungen und Aktivitäten entsprechend erfolgen. Das Centrum für Erlebnispädagogik Volkersberg hat dafür das Wellenmodell entwickelt (Abb. 2): In einer Einführungsphase werden Ziele, der Auftrag und ähnliches innerhalb der Gruppe ausgehandelt. In den folgenden Aktionsphasen I und II werden diverse Lernsituationen mit steigendem Anforderungsgrad und Zielorientierung geschaffen. Die gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse werden dann gebündelt und münden in eine Phase des Ausblicks, die abschließende Schritte zur Transferunterstützung und – je nach Gruppenart – zur Gestaltung des Abschieds umfasst. Dieselben Schritte finden sich auf der Mikroebene auch innerhalb der einzelnen Lernszenarien (z.B. einer Kooperationsaufgabe).
Abb. 2: Das Wellenmodell (CEP 2016) zum Aufbau einer erlebnispädagogischen Maßnahme
Dieses Modell kann als grobe Richtlinie nicht für alle, aber doch viele Veranstaltungen dienen. Faktoren der Prozessbegleitung richten sich dabei grundsätzlich nach den typischen Bedürfnissen der Teilnehmer in den jeweiligen Gruppenphasen, müssen allerdings flexibel umgesetzt werden. Auf die Bedeutung der eigenständigen Vor- und Nachbereitung der Trainer für die Qualität der Veranstaltung wird hierin zudem hingewiesen. Weitere Details sind im Skript der Ausbildung nachzulesen (CEP 2016). Entscheidend bei der Anwendung dieses Modells und prozessorientierter Pädagogik allgemein ist, dass nicht einfach Kernaktivitäten (wie Kooperationsaufgaben oder Natursporteinheiten) aneinander gereiht werden. Um die Schätze im oben gezeichneten Bild an die Oberfläche zu holen und zu nutzen, sind Nachfragen, Metaphern, Auswertungs- und Transferunterstützende Maßnahmen von zentraler Bedeutung. Diese und andere Zwischen-den-Zeilen-Methoden zur Prozessbegleitung sind allerdings nicht Inhalt dieses Buches, sondern werden von den Autoren an anderen Stellen behandelt (Hildmann, vorr. 2017; Hildmann in review; Hildmann, 2015; Hildmann & Moseley, 2012; Busch, Hildmann, Steinicke & Trobisch, 2012; Hildmann & Seuffert, 2010).
Trainerkompetenzen
Dass der Trainer eine ganz zentrale Bedeutung im pädagogischen Prozess hat, ist einleuchtend. Wie vielseitig und vielschichtig dieser Einfluss – z.B. eben durch die diversen Anforderungen prozessorientierten Arbeitens – ist, wird allerdings oft zu wenig bedacht.
Stapelweise Fachbücher und -artikel stellen Anforderungsprofile für Erlebnispädagogen vor (König & König, 2002; Paffrath, 2013; Heckmair & Michl, 2004; BE, 2015a/b; Reiners, 1995; 2003; Martin, Cashel, Wagstaff, & Breunig, 2006; Shooter, Sibthorp, & Paisley, 2009; Priest & Gass, 2005). Worüber sich alle einig sind, ist, dass eine Kombination verschiedenartiger Kompetenzen erforderlich ist, um gute Erlebnispädagogik zu leisten. Dazu gehört, dass man neben den konkreten Aktivitäten, die durchgeführt werden sollen, auch allgemeine Methoden der Moderation und Gruppenleitung beherrscht. Weiterhin sind (Er-) Kenntnisse über oben genannte Gruppenprozesse und typische Themen in Gruppen erforderlich, und wie diese wachstumsorientiert begleitet werden können (siehe die Abschnitte Ziel- & Prozessorientierung und Sicherheits- und Notfallmanagement). Die Anwendung dieser Kompetenzen basiert auf einer ethischen Grundhaltung der Trainer, die von einem ressourcenorientierten Menschenbild und einem ganzheitlichen und systemischen Bildungsverständnis geprägt ist.
Obwohl es noch weitere Anforderungen an das Trainerprofil gibt, sei es jedem Leser ans Herz gelegt, sein Kompetenzspektrum kontinuierlich zu reflektieren und zu erweitern. Ein Bereich, der besonders von Anfängern oft hinten angestellt wird, ist der Ausbau solider Kompetenzen im Umgang mit Krisen- und Notfallsituationen.
Sicherheits- & Notfallmanagement
Es kann immer etwas schief gehen, egal wie gut wir ausgebildet und vorbereitet sind. Und sobald wir uns in die Natur bewegen, setzen wir uns von vorne herein einer Vielzahl an Risiken und Unsicherheiten aus. Das nehmen wir zwar in Kauf in der Erlebnispädagogik, in der es gezielt darum geht, Herausforderungen zu schaffen und bekannte, sichere Wege zu verlassen. Gleichzeitig haben wir jedoch auch eine Verantwortung für die psychische und körperliche Unversehrtheit unserer Teilnehmer. Diesen Spagat zu leisten, ist oft nicht einfach, wie die aktuelle Diskussion um Risiko und Wagnis demonstriert (z.B. Siebert, 2003; Gill, 2010; Leberman & Martin, 2003).
Ein ausgereiftes Sicherheits- und Notfallmanagement kann erstens viele Notfall- und Krisensituationen von vorne herein vermeiden, zweitens dafür sorgen, dass im Falle eines Notfalls schnell und kompetent gehandelt wird, und drittens für die Veranstalter und Trainer als wertvoller Schutz im Falle eines Rechtsstreits dienen.
Zu einem solchen Sicherheits- und Notfallmanagement gehören unter anderem:
Kenntnisse und Kompetenzen in Bezug auf psychische Grenzerfahrungen und einer kompetenten Betreuung von Teilnehmern in Krisensituationen.
Ein Konzept, wie in Notfällen standardmäßig zu verfahren ist (Interaktion mit dem Veranstalter, Telefonlisten, Koordination der Gruppenbetreuung, etc.).
Eine systematische Risikoanalyse der geplanten Aktivitäten in Bezug auf Gruppe, Örtlichkeiten, Wetter, etc.
Eine angemessene Abfrage gesundheitlicher Einschränkungen bei den Teilnehmern.
Neben einem formellen Erste-Hilfe-Schein auch praktische Handlungskompetenzen. Wer draußen unterwegs ist, sollte zusätzlich Kompetenzen in Erste-Hilfe-Outdoor haben.
Ein für das jeweilige Programm angemessen ausgestattetes Erste-Hilfe-Set.
Eine gewissenhafte Aufarbeitung aller Unfälle, Beinahe-Unfälle, und relevanter Vorkommnisse, mit dem Ziel eines stetig ausgereifteren Präventions- und Sicherheitsmanagements.
Wer sich in diesen Bereichen noch nicht sicher fühlt, der ist dringend angehalten, sich entsprechend fortzubilden. In Hinblick auf SimpleThings ist unbedingt zu beachten, dass eine Begrenzung auf die Verwendung von Alltagsmaterialien körperliche und psychische Gefahren keinesfalls ausschließt!
In diesem Zusammenhang sei ebenfalls betont, dass man Übungen nicht einfach aus einem Buch o. Ä. übernehmen und unkritisch anwenden sollte (auch aus diesem nicht)! Stattdessen gilt der dringende Rat, sie entweder vorzutesten oder wirklich so viel Erfahrung mit Gruppen und erlebnispädagogischen Prozessen zu haben, dass man sich sicher fühlt, Abwandlungen und Experimente