Bauern, Land. Uta Ruge

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Bauern, Land - Uta Ruge страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Bauern, Land - Uta Ruge

Скачать книгу

anfühlt auf dem Hof, auf dem ich aufgewachsen bin. Ich ziehe die Stallklamotten an und gehe nach draußen. Erst nach ein paar Tagen fällt mir auf, dass ich hier den Blick nicht heben muss, um den Himmel zu sehen. Kein Haus ist im Weg. Und ob es regnet oder bald regnen wird, wie der Wind geht, ist sofort gewusst, in Auge und Ohr und Nase eingeströmt.

      Ich gehe mit ihnen in den Stall, aber ich laufe nur so mit – mal mit meiner Schwägerin Anna, die für die Kälber verantwortlich ist, mal mit meinem Bruder, der im alten Melkstand steht, mal mit ihrem Sohn Hannes, der für die Fütterung sorgt und den Roboter kontrolliert. Helfen kann ich nicht, denn kein Handgriff ist noch so, wie ich ihn kannte. Die Gebäude, die Maschinen, alles ist anders. Aber der Sonnenaufgang über den Bäumen und Weiden vor dem Hof ist derselbe. Immer schon lag das stärkste Licht am Morgen auf der Hofeinfahrt vor dem Stall. Immer schon wuselten ein paar Katzen, junge und alte, vor der Milchkammer umher, und immer schon lag in ihrer Nähe der Hund, der aufpasste, dass ihm nichts entging, vor allem kein Futter im nebenbei gefüllten Napf. Und der Stall ist immer noch ein einziger großer Organismus, Ort der Tiere, ihres Atmens, Fressens und Verdauens, ihres Wiederkäuens, ihrer Ausscheidungen und ihres Schlafs, ihrer Ruhe und manchmal ihrer Unruhe. Und der Ort von ineinandergreifenden Arbeitsabläufen.

      Ich gehe da hindurch, über die Futtergänge und an den Barrieren entlang, die Tiere, fast hundert Kühe und vielleicht vierzig Jungrinder, sehen mich mit gesenkten Köpfen neugierig an.

      Alles ist unter einem Dach angeordnet. Es gibt den Bereich, in dem lahmende Kühe oder diejenigen, die aus anderen Gründen nicht ganz fit sind, auf Stroh laufen und liegen dürfen, sozusagen die Krankenstube; sie können durch das den ganzen Stall durchziehende System sich öffnender und schließender Gatter zum Melkstand geführt werden und aus ihm zurück in ihren Bereich gehen. Neben ihnen stehen ebenfalls auf Stroh die Kühe, die demnächst kalben und – im Unterschied zu den ›melkenden Kühlen‹ – ›trocken stehen‹. Eine oder zwei haben vielleicht schon gekalbt, und dann liegt zwischen ihnen ein frisch geborenes Kalb, das sich auf zittrige Beine erhebt und nach dem Euter der Mutter sucht. Heute sind es sogar zwei, die sich manchmal zur falschen Kuh verirren, aber immer wieder von der Mutter gefunden werden. Mit Rührung sehe ich, dass die anderen Kühe die Kleinen freundlich beriechen und neugierig zusehen, wie das eine schon ein paar Probesprünge macht und das andere kläglich blökt. Aus dem Weg gehen sie ihnen nur, wenn sie bei ihnen zu saugen versuchen.

      Der größte Bereich im Stall ist der, in dem die ›melkenden Kühe‹ sind, wiederum aufgeteilt in den Bereich, in dem die ›Roboterherde‹ ist, und in den größeren, in dem noch konventionell gemolken wird. Denn ein Roboter schafft, wie gesagt, nur sechzig bis siebzig Kühe – einen zweiten Melkroboter wird man sich erst in ein paar Jahren leisten können. Die konventionell gemolkenen Kühe werden morgens und abends in einen abtrennbaren Bereich direkt vor dem Melkstand getrieben. Hinter ihnen schließt sich wiederum ein Gatter, sodass die noch ungemolkenen getrennt bleiben von denen, die nach dem Melken zurückkehren in den Stall.

      Ich gehe an Hund und Katzen vorbei zum Melkstand, klettere in die Melkergrube zu Waldemar und Anna. Rechts und links von ihnen stehen je vier Kühe auf Schulterhöhe, von Gestängen an ihrem Platz gehalten. Sie legen ihnen die Melkgeschirre an, tragen dabei Handschuhe, schützen sich und die Tiere vor Keimen. Mich nehmen sie sozusagen nur aus den Augenwinkeln wahr und ich muss sehen, dass ich ihnen nicht im Weg stehe.

      Aus der Gruppe der noch ungemolkenen Kühe kommen durch Schiebetüren die nächsten herein, wenn eine Kuh fertig ist. Türen und Gestänggatter werden vom Melkstand aus von Seilen bedient, teils gehen sie automatisch. Die nächste Kuh wird durch das hier herrschende System sich öffnender und schließender Gatter auf ihren Platz geleitet, kommt an, und gleich wird ihr Euter, wie gesagt, auf Schulterhöhe der Melkenden, besprüht, gewischt, mit ein paar Handgriffen angemolken und die Zitzenbecher angelegt.

      Wenn einmal nicht gleich die nächste Kuh nach dem Öffnen der Melkstandtür den Melkstand betritt, steigt mein Bruder oder seine Frau eine Metalltreppe hoch, gehen durch eine schmale Tür zu den ungemolkenen Kühen und treiben nach. Da sind die Neuen oder die Scheuen oder diejenigen, die zu oft von hierarchiehöheren Kühen abgedrängt worden sind. Schnell und dabei doch ruhig gehen sie dann zurück in die Grube und prüfen, welche der acht gleichzeitig gemolkenen Kühe jetzt so weit ist, dass ihr das Geschirr abgenommen werden kann – sehen währenddessen darauf, ob die vier zwischen Becher und Schlauch gesetzten Gläschen anzeigen, dass auch wirklich jedes Euterviertel ausgemolken ist, und prüfen aus dem Augenwinkel die digitale Anzeige der Milchmenge. Es gibt Kühe, die ihre Milch ›verhalten‹, vielleicht weil sie krank sind oder brünstig oder aus irgendeinem anderen Grund. Kühe sind empfindliche Tiere und man muss so einiges im Auge behalten, besonders bei einer großen Herde, in der es dann beim Melken ein paar Minuten Zeit gibt, um jede einzeln in Augenschein zu nehmen.

      Ich registriere das Sich-nicht-mehr-bücken-Müssen, die-Milch-nicht-mehr-tragen-Müssen. Früher haben wir auf einem Melkschemel dicht an der Kuh gesessen, den Kopf in ihre Flanke gestützt, Hände am Euter oder am Milchgeschirr der Kuh, die angekettet im Stall stand – im Winter standen sie fünf oder sechs Monate am selben Fleck. Wenn die Kuh ausgemolken war und wir den Deckel mit dem Pulsator, der den rhythmisch pulsierenden Sog für das Melken produzierte, auf einen zweiten Eimer gesetzt, die nächste Kuh per Hand angemolken und ihr das Sauggeschirr angelegt hatten, griffen wir den vollen Eimer und eilten mit der Milch durch den Mistgang zur Milchkammer, hoben den Eimer hoch, schütteten die Milch durch ein Sieb in die Kanne, eilten zurück, passten auf, im Gang nicht in der Jauche auszurutschen. Und immer so weiter, bis die zehn, später zwanzig und dreißig Kühe ausgemolken waren.

      Jetzt wird die Milch direkt vom Euter durch ein Rohrsystem zum Tank geführt. Es herrscht große Sorgfalt im Schutz gegen Bakterien. Am Ende des Melkvorgangs wird das Euter wieder mit einer desinfizierenden Lösung besprüht. Dann öffnet Waldemar per Seilzug das vordere Gatter des Stands, während sich schon das hintere Gatter öffnet, um die nächste einzulassen. Wie mein Bruder und seine Frau hin- und hergehen in der Grube – und ich sie möglichst nicht störe –, ihr Alles-im-Blick-Haben, ihre Handbewegungen, das ist schnell, effizient, tänzerisch elegant trotz der Störungen. Eine Kuh schlägt das Geschirr mehrmals ab, bei einer anderen Kuh hängt das Geschirr zu tief und muss abgestützt werden, genau in diesem Moment aber rutscht das stützende Holz- oder Plastikstück heraus und das Geschirr fällt zu Boden, die nervöse Kuh tritt darauf. Da bewährt sich, was alle, die mit Tieren arbeiten, gelernt haben: Abstand halten, langsame Bewegungen, eine ruhige Stimme, klare Gesten des Beruhigens oder Leitens. Es ist, als ob sich das gemächliche Tempo dieser großen Tiere auf die Menschen, die mit ihnen arbeiten, übertragen hat. Ich erkenne wieder, was ich als Kind selbst gelernt habe. Das ist geblieben.

      Nach einer Weile sehe ich dann vom Futtergang aus zu, was die Tiere tun, wenn sie vom Melken kommen. Viele gehen erst einmal zur Tränke und trinken in großen Schlucken. Manch eine geht auch gleich zum Futtertisch und guckt, ob da inzwischen frisches Futter liegt, oder sie spaziert mit ihrem Transponder um den Hals zur Ausgabestelle für das Kraftfutter und probiert, ob ihr der Apparat nach sekundenschnellem Einlesen ihrer Kennziffer vielleicht Nahrung zuteilt; in diesem, dem sogenannten konventionellen Melkstand wird kein Futter beim Melken ausgegeben. Eine andere tritt vielleicht unter eine der großen Bürsten, die von der Stalldecke herabhängen, und lässt sich durch ihr Darunterhergehen den Rücken und die Flanken bürsten; die Nächste zieht es zum Mineralsalz eines Lecksteins, den sie mit kräftiger Zunge bearbeitet. Und manche sucht sich eine Freundin – alle ranggleichen Kühe sind Freundinnen –, deren Hals oder Kopf sie beleckt oder sich von ihr belecken lässt.

      Ich finde es schwierig, dabei zuzusehen, ohne selbst die Hände zu rühren, während Waldemar, Anna und Sohn Hannes auf ihren Arbeitsgängen vorbeieilen – Kälber tränken, Kühe melken, Jungrinder füttern.

      Waldemar hat schlechte Laune. Nach dem Melken sitzen wir am Frühstückstisch, er liest in der Zeitung. Wütend macht ihn nicht, dass sie vor dem Kaffee schon zwei Stunden gearbeitet und das Vieh besorgt haben und dass dies trotz Melkroboter schon wieder gut zwei Stunden

Скачать книгу