Bauern, Land. Uta Ruge

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Bauern, Land - Uta Ruge

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Menge der zu fütternden Kälber. Das ist ja, was er gewollt hat: Wachstum. Die höhere Arbeitslast ist nur die logische Folge.

      Mein Bruder nimmt das Brot aus dem Toaster, legt sich eine Scheibe auf sein Brett, wirft die andere mit zu viel Schwung auf den Brotteller in der Mitte des Tischs. Sie fällt daneben. Meine Schwägerin und ich sehen uns schweigend an. Ich nehme die Scheibe, Anna schenkt ihm Kaffee in den hingehaltenen Becher.

      Wir kauen, trinken Kaffee, reichen uns dies und das.

      Ich lobe die Kürbismarmelade.

      Anna erzählt, dass eine ihrer Töchter ihr einen großen Topf mit schon geschnittenem Kürbis gebracht hat. Den musste sie sofort verarbeiten, und da hat sie eben Marmelade gekocht. Ich bewundere, wie sie sich immer wieder etwas Neues einfallen lässt. Auch das weiche, gelbliche Kürbisbrot war ein Erfolg.

      »Na«, sage ich nach einer Weile, »wo drückt der Schuh?«

      Waldemar schnaubt nur: »Frag lieber, wo er nicht drückt.« Dann liest er weiter die Zeitung. Schließlich schiebt er sie mir hin. »Lies selbst«, sagt er.

      Es sollen in Niedersachsen neue Feuchtgebiete geschaffen werden, Moore renaturiert. Das Wasser soll wieder die Weideflächen erobern dürfen – zum Nutzen der Artenvielfalt von Flora und Fauna.

      Die Zeitung berichtet von heftigen Diskussionen. Es werden die Argumente von Befürwortern und Gegnern wiedergegeben. Aber sie nimmt nicht Partei für die Bauern. In einer Gegend wie dieser, die derartig von der Landwirtschaft geprägt ist, wundert mich das.

      Aber als ich das sage, blickt mein Bruder mich nur verärgert an.

      »Was denkst du denn? Wo lebst du? Wir sind doch in den Dörfern längst eine Minderheit. Auch auf dem Land fühlen sich die meisten durch uns nur gestört – durch unsere schweren Maschinen auf den Dorfstraßen, die man nicht überholen kann, durch den Gestank der Tiere, die nun mal Mist machen, durch unsere Silagehaufen*, auf denen so hässliche alte Gummireifen liegen, durch den Mais, der hier steht statt des hübschen Roggens und der Rüben von früher …«

      Er winkt ab und steht auf. Im Weggehen sagt er: »Hauptsache, eure Kühlschränke sind voll.«

      Dann ist er draußen.

      Am nächsten Morgen, es war mein letzter, versuchte ich noch einmal, meinen Bruder Waldemar zum Helden für meine Geschichte zu machen. Ich fragte ihn, aber er hat nur gesagt: »Das interessiert doch sowieso keinen Menschen.« Dann hat er den Kopf geschüttelt, ist aufgestanden, hat seiner Frau gesagt, auf welchem Feld er jetzt arbeiten und wann er zum Mittagessen zurück sein wird, hat im Gehen sein Handy auf Nachrichten überprüft, im Flur seine Stiefel angezogen und weg war er. Mit ihm ist auch mein Neffe Hannes aufgestanden und hinausgegangen.

      Als ich noch ein Kind war, endeten Gespräche bei uns auch schon so. Dass unser Vater aufstand und zurück an die Arbeit ging, in den Stall oder aufs Feld.

      Reden nützt sowieso nichts, war Teil der Botschaft. Der andere Teil war, dass die Arbeit nicht von allein fertig wird, und dass man, je eher man anfing, desto eher mit ihr fertig sein würde. Obwohl die Arbeit eigentlich nie fertig wurde. Aber darüber konnte und wollte keiner nachdenken. Das hätte ja auch nichts genützt.

      Mit meiner Schwägerin räumte ich den Frühstückstisch ab. Sie fuhr mich zum Bahnhof und ich kehrte zurück in die Stadt.

      2. KAPITEL

      DAMALS

       Warum ein Bauer aus der Stadt einen Hofsuchte. Ankunft am Ende der Welt. Das Gesetz der Moorbauern.

      MEIN VATER HAT EINE ERKUNDUNGSFAHRT GEMACHT, fuhr mit dem Zug vom Niederrhein nach Norden, in den 1950er-Jahren. Es ist eine Fahrt, bei der man lange vor der Ankunft denkt, man müsste gleich schon die Küste erreicht haben. Denn die Flachheit des Landes scheint immer dringlicher in etwas anderes überzugehen, das Grün der Felder sich in die Bläue des Meeres verwandeln zu wollen, der weite Himmel sich schon über ein großes Wasser zu erstrecken.

      Ob er schon vorbeigefahren ist an der kleinen Bahnstation, hat er sich vielleicht gefragt. Und wenn er ein echter Reisender gewesen wäre, hätte er sich dann in dem Hafenstädtchen am Ende der Strecke einen Imbiss gesucht, frischen Fisch gegessen, aufs Meer geblickt, zu den Möwen hochgesehen und die Seeluft geatmet und dabei vielleicht ein Stück Zuhause empfunden? Denn er war einmal an der Ostsee zu Hause gewesen. Hier wäre es ohnehin nur die Nordsee gewesen und er war kein Reisender. Er war ein Bauer ohne Hof, der wieder ein Bauer mit Hof sein wollte und möglichst nahe am Meer. Er hatte die Bahnstation noch nicht verpasst. An den Zugfenstern zogen die Roggen-, Hafer- und Gerstenfelder vorüber, wurden immer mehr zu Wiesen und Weiden, auf denen Kühe, Pferde und Schafe grasten. Um die tief geduckten strohgedeckten Bauernhäuser mit ihren Ställen und Scheunen standen Erlen und Eichen, nebenan auf einer Wiese Apfel-, Birn- und Pflaumenbäume, vielleicht war auch einmal ein Kirschbaum dabei. Dazu passend große Scharen weißer Gänse, die mit ruckenden Bewegungen Gras rupften, Pferdeweiden in Sichtweite des Hauses, Schweine, die um die Ställe herum im Boden wühlten. Männer und Frauen und Kinder fuhren mit Treckern oder Pferden von den Höfen auf die Felder.

      Inmitten der Felder einsame Baumgruppen, deren Kronen zu einem Schopf zusammengewachsen schienen, durch stetigen Wind ostwärts gekämmt. Vielleicht konnte mein Vater sogar vom Zug aus sehen, dass die Baumstämme auf der Wetterseite von dem dort anhaftenden Schleier aus Moosen und Flechten grün waren. Die Kopfweiden entlang der Gräben stehen seltsam still – als wären sie Menschen, die sich plötzlich in Bewegung setzen könnten.

      Immer wieder tief liegende Gräben, viele schmal, einige sehr breit, grenzen sie die Höfe und Felder voneinander ab. Manchmal kann man die Höfe nur ahnen durch die an ihren Rändern wachsenden dichten Erlen oder Eichen. Die Felder liegen hier weit unterhalb des Straßenniveaus und erst recht unter dem der Bahntrasse. Sodass man als Betrachter über alles hinwegsehen, hinwegsegeln oder -schweben könnte.

      Aber genau das konnte mein Vater nicht. Er musste sich, im Gegenteil, alles sehr genau ansehen und zu Hause berichten. Und eine Entscheidung treffen.

      Dann war er endlich doch im Dorf angekommen, dem Dorf mit der schnurgeraden Straße, an der fast zwanzig gleich große Hofstellen lagen, in dem keine Kirche, aber eine Schule, ein Gasthaus und ein eigener Friedhof existierten. Der Makler hatte ihn vom Bahnhof abgeholt. Einer der Höfe steht zum Verkauf, der Hoferbe war im Krieg gefallen. Er ist heruntergekommen und billig zu haben, aber auch das Billige ging für meine Eltern nur mit einem staatlichen Kredit.

      Immerhin gibt es eine Straße. Der Schotterweg, den sie ersetzt und der bei Regenwetter für Mensch und Vieh kaum zu begehen war, ist seit einem halben Jahr Vergangenheit. In den Gräben und Kanälen liegt manchmal noch ein flacher, breiter Kahn. Mein Vater lässt sich erklären, dass damit die Milch zur Molkerei und, wenn es schlimm kam, selbst die Bullen zum Verkauf und die Särge zum Friedhof gebracht werden mussten.

      Die neue Straße ist auf eine hochgeschüttete Sandschneise gesetzt, große Betonplatten sind aneinandergelegt und mit schmalen Teerstreifen verbunden worden. Schnurgerade zieht sie sich zur Wettern hin, dem breiten Hauptgraben aus der Anfangszeit der Moorkolonisation. Dass ein Graben so heißt, bedeutet etwas. ›Wetter‹, das ist, wenn Regen die Felder und Weiden und Wege durchnässt und tagelang nicht aufhört, wenn starke Winde die Wolken von der Nordsee her in die Elbmündung und weiter ins flache Land treiben. Die

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