SPACE 2022. Eugen Reichl

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SPACE 2022 - Eugen Reichl SPACE Raumfahrtjahrbücher

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eines Satelliten eine wichtige Fähigkeit. Mit einem eigenen Antriebssystem kann die Einheit am technischen Lebensende auf einen Abstiegsorbit zum Verglühen in der Erdatmosphäre gebracht werden. Sie trägt damit nicht zur weiteren „Vermüllung“ des niedrigen Erdorbits bei. Besonders spannend wurde es im Juli 2020, als ein defekter Iridium-Satellit die Bahn von UWE-4 kreuzte. Dank der frühzeitigen Kollisionswarnung durch das US Combined Space Operations Center (CSpOC) konnte mit UWE-4 erstmals ein Kleinsatellit ein Ausweichmanöver fliegen und einen möglichen Zusammenstoß vermeiden. Aufgrund dieser früheren Vorhaben waren alle wesentlichen Technologien und die notwendige Expertise für einen Formationsflug von Kleinsatelliten am Standort Würzburg verfügbar und die wesentlichen Technologien im Orbit getestet. Zeit somit, zum nächsten Schritt überzugehen, der NetSat-Konstellation, ein Projekt, das vom European Research Council (ERC) mit 2,5 Millionen Euro unterstützt wurde.

      Mission NetSat – Die Technik

      Das Ziel, die NetSat-Satelliten möglichst kompakt zu bauen, führte erstmals bei den Würzburger Satelliten zu einem 3Unit Cubesat-Design. Ein NetSat ist somit 30 Zentimeter lang, 10 Zentimeter breit und ebenso tief. In einem einzelnen 10-Zentimeter-Standardwürfel wäre die Gesamtheit der für einen autonomen Gruppenflug notwendigen Technologien nicht unterzubringen. Sehen wir uns einige davon an. Der für CubeSats verfügbare so genannte UNISEC-Standard (für: University Space Engineering Consortium) für elektrische Schnittstellen stellt alle Daten- und Energieverbindungen auf einer Basisplatine bereit. Die einzelnen Untersystem-Platinen müssen dann nur noch in die entsprechenden Steckverbindungen eingesetzt werden. Auf diese Weise kann der übliche Kabelbaum vermieden werden. Dies steigert die Flexibilität, sodass auch noch relativ spät in der Integrationsphase Platinen kurzfristig ausgetauscht werden können. Und es eröffnet die Möglichkeiten, in der Fertigung eine höhere Automatisierung durch Nutzung von Robotern zu erzielen. Beim INNOspace-Masters-Wettbewerb 2017 (einem jährlichen Wettbewerb des DLR für innovative Technologien) wurde dieser Ansatz mit dem ersten Preis der Airbus DS Space Challenge für die so erzielbare modulare, flexible Satellitenproduktion ausgezeichnet. Für kostengünstige Missionen mit Kleinsatelliten in der Erdbeobachtung und für optische Telekommunikationssysteme ist eine hochgenaue Ausrichtung nötig. Hierfür wurden energieeffiziente Miniatur-Reaktionsräder mit einem Leistungsbedarf von unter 300 Milliwatt entwickelt. Sie werden in in einem Zwei-Zentimeter-Würfel mit weniger als 30 Gramm Masse untergebracht und sind ein Wunderwerk der Mikro-Miniaturisierung. Ihre Entwicklung erfolgte zusammen mit der bei Bad Mergentheim ansässigen Firma Wittenstein Cyber Motor GmbH. In jedem NetSat-Satelliten sind sechs dieser Miniatur-Reaktionsräder für das Lageregelungssystem zusammengeschaltet. Die Reaktionsräder werden auch verwendet, um mit nur einem einzelnen Elektroantriebsmodul den Schubvektor in jede gewünschte Richtung orientieren zu können. Für Antrieb und Lageregelung wird ein Ionen-Triebwerk der in Wiener Neustadt angesiedelten Firma Enpulsion genutzt, das in einem der drei Zehn-Zentimeter-Würfel untergebracht ist. Für die Entsättigung der Reaktionsräder und für einen alternativen Ansatz zur Ausrichtung der Satelliten wurden so genannte „Magnettorquer“ an der Innenseite aller Seitenpaneele angebracht. Sie erzeugen mittels einer Magnetspule einen Dipol, der mit dem Magnetfeld der Erde interagiert. Eine Zusatzfunktion dieser Bauteile ist die Möglichkeit, sie für die Lageregelung einzusetzen. Damit bieten sie eine funktionelle Redundanz für dieses wichtige Untersystem. Die Sensorwerte für die Relativ-Navigation der Satelliten liefern vier ebenfalls auf den langen Seitenpaneelen untergebrachte GPS-Empfänger, sodass immer mindestens eine Seite geeignete Messwerte für das Orbitkontrollsystem erzeugt.

      Wozu NetSat?

      Die NetSat-Mission wurde realisiert, um in einem Formationsflug mit vier Kleinsatelliten erstmals die Selbstorganisation im dreidimensionalen Raum im Orbit zu demonstrieren. Die in dieser Mission erprobten Technologien eröffnen ganz neue Erdbeobachtungsansätze und werden in Zukunft unter anderem in der Klimaforschung eingesetzt. Die dreidimensionale NetSat-Konfiguration kann ein Ziel aus unterschiedlichen Richtungen erfassen und verspricht dadurch neue Beobachtungsmöglichkeiten. So können die Bildinformationen der einzelnen NetSat-Kameras aus verschiedenen Perspektiven kombiniert werden und 3D-Daten liefern. Redundante UHF-Transceiver und -Antennen (UHF für: Ultra High Frequency) werden sowohl für die Kommunikation zwischen den Satelliten als auch für die Verbindung mit der Bodenstation genutzt. Über diese Inter-Satelliten-Kommunikation werden insbesondere die aktuellen Messwerte zu Orbit und Ausrichtung der einzelnen Einheiten ausgetauscht. An Bord durchgeführte Extrapolationen im Regelungssystem stellen sicher, dass Kollisionen untereinander vermieden werden. Sie gewährleisten außerdem, dass kontinuierlich eine gemeinsame Ausrichtung auf Beobachtungsziele an der Erdoberfläche erfolgt, und das bei einer Bahngeschwindigkeit von nahezu 28.000 Kilometern pro Stunde. Für die Sicherstellung des Informationsflusses in diesem verteilten und vernetzten System wurde ein spezieller Satz von Regeln, Standards und Normen für die untereinander kommunizierenden Einheiten entwickelt, ein so genanntes Protokoll. Dieses spezielle Protokoll trägt die Bezeichnung COMPASS (für: COMmunication Protocol for Autonomous Systems and Services). Es regelt sowohl den Datenfluss zwischen den Satelliten im Orbit als auch dessen Integration in das Netzwerk der Bodenstationen.

      Der Flug der NetSats

      Am 28. September 2020 brachte eine Sojus-2.1b-Rakete mit einer Fregat-Oberstufe zunächst drei Satelliten des russischen Kommunikationssystems Gonets auf eine Kreisbahn in 1.500 Kilometer Höhe, kehrte dann auf 575 Kilometer Höhe zurück und setzte weitere 19 Kleinsatelliten in einem polaren Orbit ab. Unter ihnen die vier Würzburger NetSats. Nicht unerwähnt bleiben soll im Übrigen, dass es vom Bayerischen Wirtschaftsministerium einen Zuschuss zu den Startkosten gab. Vom Ausstoßmechanismus des Berliner Launch-Service-Anbieters Exolaunch wurden die vier NetSat-Satelliten wie in einer Perlenkette hintereinander aufgereiht in ihrer Umlaufbahn abgesetzt. Zu allen vier Satelliten konnte kurz nach der Freigabe Kontakt aufgenommen werden. Sie begannen danach, untereinander Datenpakete auszutauschen. Anschließend wurden die einzelnen Untersysteme sorgfältig der Reihe nach in Betrieb genommen, im Orbit kalibriert und erste Wolkenbilder übermittelt.

      Anschließend sollte mit den Triebwerksaktivitäten das Auseinanderdriften der vier Satelliten gestoppt und eine erste eindimensionale Formation in einer Reihe in einem Abstand von je 100 Kilometern initiiert werden. Es folgen Übergänge, um zuerst in der Bahnebene durch Rotation um einen virtuellen Mittelpunkt (in einer so genannten „Cartwheel“-Konfiguration) die zweite Dimension für diese Formation zu erschließen. Schließlich ist die Bahnebene zu verlassen, um die anderen Satelliten unter Nutzung der dritten Dimension zu umkreisen („Out of Plane“-Manöver). Hier ist geplant, verschiedene Konfigurationen und ihre Eigenschaften im Hinblick auf spätere Beobachtungsaufgaben zu untersuchen, ebenso wie die Übergänge zwischen den verschiedenen Konfigurationen im Orbit. Besonders interessant sind dabei Tetraeder-Konfigurationen, die im zeitlichen Ablauf wie eine DNA-Helix verdrillt sind, um damit die durchschnittlichen Störeinflüsse auf den Orbit während eines Umlaufs bei allen vier Satelliten gleich zu halten. Von solchen Manövern wird erwartet, mit minimalem Energieeinsatz für Bahn-Korrekturmanöver die Formation über lange Zeiträume aufrechterhalten zu können, weil die Satelliten dann mit der Ressource Treibstoff am sparsamsten umgehen.

      Was bringt die Zukunft?

      NetSat soll als Pionier für diese neuen Technologien die Grundlagen für Anschluss- Missionen schaffen, in denen dann durch mehrere kooperierende Kleinsatelliten Methoden der Computertomographie genutzt werden. So kann beispielsweise durch das Rückstreulicht der Sonne an den Wolken deren Inneres charakterisiert werden, um diesen wesentlichen Unsicherheitsfaktor in Klimavorhersagen weiter zu reduzieren. NetSat eröffnet durch die Formationsfähigkeiten

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