SPACE 2022. Eugen Reichl
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Ende 2023 sollen dann diese Nanosatelliten im Rahmen der CloudCT-Mission Algorithmen der Computertomographie umsetzen, um scheibchenweise (und somit auf ähnliche Weise, wie es die Medizin mit einem CT im menschlichen Körper macht) auch das Innere von Wolken zu erfassen und so deren Einfluss auf das Klima besser zu verstehen. Das Vorhaben LoLaSat (für: Low Latency communication Satellite) soll in einer sehr niedrigen Erdumlaufbahn, mit einer Orbithöhe von unter 300 Kilometern, Kommunikation mit sehr geringen Verzögerungsdauern erproben, wichtig für 5G- und 6G-Kommunikationsnetze. Auch im Bereich der Telekommunikation stehen Kleinsatelliten-Formationen spannende Aufgaben bevor, beispielsweise im Rahmen des Internet der Dinge, der großflächigen Versorgung weniger dicht besiedelter Gebiete mit Telekommunikationsdiensten oder beim Aufspüren von Funkstörquellen. Schon jetzt ist abzusehen, dass die im NetSat-Projekt demonstrierten Technologien ein breites Anwendungsspektrum für innovative Ansätze in den Bereichen Telekommunikation und Erdbeobachtung im NewSpace-Sektor erschließen werden.
Branson gegen Bezos – Suborbitaler Wettflug und einige Nachträge
Lange Zeit herrschte „Tote Hose“ auf dem Gebiet des suborbitalen Weltraumtourismus. Sir Richard Bransons Weltraumflugzeug SpaceShipTwo (SS2) stolperte 16 Jahre lang von einem technischen Missgeschick ins Nächste, und auch das Entwicklungstempo des New Shepard (NS) von Jeff Bezos glich eher der Bewegung eines Gletschers – und zwar noch vor dem Beginn der Klimakrise – als den dynamischen Prozessen, die man heute von einem modernen Technologieunternehmen erwarten sollte.
Doch plötzlich ist alles anders. Diese beiden Marathonläufer, die sich lange Zeit irgendwo in der Landschaft verirrt zu haben schienen, sind plötzlich unvermutet gleichzeitig im Stadiontor erschienen und rannten jetzt Kopf an Kopf der Ziellinie entgegen. Und es wurde ein Foto-Finish.
Erste Anzeichen für eine Belebung der lange Zeit recht statischen Szene gab es bereits Ende April, als Jeff Bezos verkündete, dass am 20. Juli der erste bemannte Einsatz seines New Shepard erfolgen werde. Nach vorausgegangenen 15 unbemannten Testeinsätzen in einem Zeitraum von neun Jahren. Das war allerdings schon keine besondere Neuigkeit mehr, denn einen bemannten Einsatz in diesem Sommer hatte Blue Origin schon zu Beginn des Jahres angekündigt. Nicht bekannt war nur das genaue Datum und wer da mit an Bord sein sollte. Für die Experten war aber klar: Es wird eine firmeninterne Blue Origin-Testcrew sein. Das stellte sich allerdings bald als Irrtum heraus.
Anfang Mai begann dann das, was einige Medien ziemlich despektierlich als das „Wettpissen der Weltraumbarone“ bezeichneten. Den Beginn machte Jeff Bezos, der verkündete, einen der Sitze an Bord seiner New Shepard-Kapsel versteigern zu wollen. Dazu veranstaltete er eine Art „Vorauswahl der Anbieter“ auf einer eigens dafür geschaffenen Seite im Internet. Nach einer Weile lag dort das höchste Gebot bei 4,8 Millionen Dollar. Die finale Auktion erfolgte am 12. Juni und die wusste Jeff Bezos gehörig zu befeuern, denn am 7. Juni, also noch vor der Schlussversteigerung, verkündete er, beim bemannten Erstflug seines New Shepard höchstpersönlich mit an Bord zu sein. Nicht nur das, sein jüngerer Bruder Mark werde ihn beim Kurztrip ins All begleiten.
Dann kam die Schlussauktion. Die dauerte ganze sieben Minuten. Vier Minuten weniger, als der Flug am Ende selbst dauerte. Die Versteigerung erzielte ein Gebot von sage und schreibe 28 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Ein Sitz in einem Raumschiff von Elon Musk für einen drei- bis fünftägigen Orbitalflug (ohne Anlegen an der ISS) kostet derzeit etwa 50 Millionen Dollar. Diese Summe schiebt Jeff Bezos übrigens nicht in die eigene Tasche, wie giftige Kommentare auf Twitter vermuten ließen. Vielmehr spendet er sie für einen wohltätigen Zweck. Das Geld geht an die „Club for the Future“-Stiftung. Die allerdings Jeff Bezos betreibt. Nun gut.
Bis auf den heutigen Tag ist übrigens immer noch nicht bekannt, wer dieser generöse Mensch war, denn geflogen ist dieser Bieter (bislang) nicht, sondern überließ seinen Platz am Ende jemand anderem. Vielleicht ist an dieser Stelle etwas Statistik angebracht, um das Ereignis richtig einordnen zu können. Zum Stand Ende Juni 2021 waren insgesamt 583 Menschen in den Weltraum geflogen. 567 davon flogen in eine Erdumlaufbahn oder darüber hinaus. 24 flogen auf eine suborbitale Bahn, wobei wir für diesen Zweck alles als Weltraum definieren, was es jemals über 80 Kilometer Höhe geschafft hat, denn tatsächlich flogen von den 24 nur sieben über 100 Kilometer hoch. Acht von diesen 24 haben zusätzlich auch noch orbitale Flüge unternommen, entweder vor ihrem suborbitalen Flug oder danach. Die Mischung ist dabei sehr bunt. Da ist zum Beispiel Alan Shepard mit dabei, der erste Amerikaner im Weltraum. Er flog im Jahre 1961 mit Mercury-Redstone 3 (Friendship 7) suborbital, und 1971 mit Apollo 14 zum Mond. Dann gibt es da insgesamt acht X-15 Piloten, die in den 60er Jahren schon beinahe regelmäßig Flüge auf über 80 Kilometer Höhe unternahmen. Einer von ihnen, Joe Engle, flog später zweimal mit dem Shuttle in den Orbit. Da gibt es vier Männer, die bei Startabbrüchen mit Orbitalraketen einen suborbitalen Flug durchgeführt haben (die Russen Lazarew, Makarow und Owtschinin, sowie der Amerikaner Nick Hague). Alle vier flogen zuvor (Lazarew) oder danach auch noch orbital. Darunter sind auch Leute wie Mike Melville und Brian Binnie, die im Rahmen des X-Price-Wettbewerbs zweimal, respektive einmal mit dem SpaceShip1, dem Vorgänger von SpaceShipTwo, suborbitale Flüge durchgeführt hatten.
Genug der Statistik, zurück zum Ereignis. Die Medienaufmerksamkeit für den Konkurrenten wurmte Sir Richard mächtig. Sein SpaceShip2 war nach einer gelungenen Demo-Mission mit zwei Piloten an Bord am 22. Mai eigentlich noch mindestens einen weiteren Flug von einem ersten Testeinsatz mit „Versuchspassagieren“ entfernt. Erst dann – nach eben diesem weiteren Versuchsflug und geschätzt irgendwann im Frühherbst 2021 – sollte auch Sir Richard seinen seit vielen Jahren angekündigten „Einweihungsflug“ des kommerziellen Systems durchführen.
Das allerdings hätte bedeutet, dass der Erzrivale Bezos noch vor ihm im Weltraum sein würde. Eine Schmach, die er unmöglich auf sich sitzen lassen konnte. Und so verkündete Richard Branson, dass er bereits beim nächsten Flug des SS2 mit an Bord sein werde. Damit war klar: Der „Endkampf“ zwischen Virgin Galactic und Blue Origin war entbrannt. Allerdings war da noch ein kleines Problem zu lösen. Virgin Galactic hatte das Vorhaben als „Testflug“ angemeldet, und die Freigabe der FAA (Federal Aviation Administration) für diesen mit sechs Personen besetzten „Testflug“ war unter der Voraussetzung erfolgt, dass alle Besatzungsmitglieder erstens Angestellte des Unternehmens sein mussten, und zweitens mit missionstechnisch notwendigen Funktionen betraut sein mussten. Bei einem „Testflug“ musste schließlich – die Bezeichnung drückt es aus – ja irgendwas „getestet“ werden. Bei fünf der sechs Personen war das kein Problem: Die Piloten Dave Mackay und Mike Masucci mussten an Bord sein, ohne die ging es nicht. Platz drei war für Beth Moses bestimmt, die „Astronautentrainerin“ von Virgin Galactic. Sie war schon einmal bei einem Testflug im Februar 2019 mit an Bord, somit ist auch sie eine logische Wahl. Platz vier nahm Colin Bennett ein, der Chefingenieur