SPACE 2022. Eugen Reichl
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Nachtrag I
Die Show an sich, die sowohl Bezos als auch Branson um ihre jeweiligen Flüge durch ihre PR-Abteilungen veranstalten ließen, wurde weltweit als erheblich „overdone“ betrachtet. Viel Pathos, Pomp, Prahlerei und Protz und zu wenig der Boden der Tatsachen. Branson, ohnehin schon berüchtigt für seine Extravaganz und peinliche Selbstdarstellungssucht übertrieb es mal wieder, und das wurde gerade von der Gemeinde der Raumfahrtfans gar nicht goutiert. Im Livestream vom Morgen des Fluges erschien Branson, ein selbst ernannter Umweltschützer, mit dem Fahrrad am Spaceport und begrüßte dort seine Mitflieger. Das stellte sich aber bald als Fake heraus. Branson war an diesem Tag keineswegs mit dem Fahrrad vom 50 Kilometer entfernten Truth and Consequences hergeradelt, wie er glauben machen wollte. Die Szene war schon eine Woche vor dem Start gedreht worden, Branson hatte dabei gerade mal 200 Meter mit dem Fahrrad zurückgelegt, und dann wurde das in die aktuelle Berichterstattung hineingeschnitten, um den Eindruck zu erwecken, dass es am Morgen des Starts geschehen sei. Die Nachrichtenagentur Reuters fand das heraus, und ein Firmensprecher tat danach kund, dass “Virgin den Fehler und die Verwirrung, die es gestiftet hat, bedauert.“
Nachtrag II
Deutlich ernster war der zweite Vorfall, der erst am 1. September durch einen Artikel im „The New Yorker“ bekannt wurde. Danach hat es gegen Ende der angetriebenen Phase des Fluges ein Warnlicht im Cockpit gegeben, das einen zu flachen Steigwinkel anzeigte. Die Folgen wären neben einer zu geringen Gipfelhöhe (und tatsächlich erreichte VSS Eve statt der erhofften 90 Kilometer nur 86 Kilometer) gefährliche Auswirkungen auf den so genannten „Cone“ gewesen. Dabei handelt es sich um einen imaginären Kegel im Raum, den das Fluggerät nicht verlassen darf, soll das Energiemanagement für den antriebslosen Rückflug zum Flughafen erfolgreich sein. Statt abzubrechen, wie es für diesen Fall vorgesehen war, lief das Triebwerk weiter bis zum Brennschluss. Dies war die Entscheidung der beiden Piloten, denn SpaceShip2 läuft analog. Es gibt an Bord keine computergestützten Entscheidungsprozesse. Und die Piloten entschieden sich dafür, den Flug fortzusetzen. Inwieweit der Umstand mitspielte, dass der Chef hinten in der Kabine saß und einen Erfolg erwartete, bleibt der Vermutung überlassen. Immerhin, die beiden Piloten kannten ihr Fluggerät gut genug, um beurteilen zu können, was geht und was nicht. Und welche Reserven sie in Anspruch nehmen konnten. Und Reserven in Anspruch nehmen mussten sie. Für einen Zeitraum von einer Minute und 41 Sekunden flog VSS Unity unterhalb des zugewiesenen Luftraumes, wie eine unabhängige Quelle (Flightradar24) bewies. Ein Hinweis darauf, dass das Energiemanagement für den Gleitflug zurück zur Basis gefährlich beansprucht wurde. Nach 101 Sekunden kam VSS Unity zwar wieder in den so genannten „restricted airspace“, aber nur weil dieser – nun schon recht nahe am Flughafen – ab da ohnehin bis zum Boden reichte. Es war also notwendig gewesen, den Anflug so weit wie möglich zu strecken um eine möglichst große Distanz zu überbrücken. Dies gelang am Ende. Das Verlassen des zugewiesenen Luftraums meldete Virgin aber zunächst nicht der FAA. Ein weiteres Manko. Eine pikante Randnote ist außerdem, dass Virgin erst kurz vor Bransons Flug seinen legendären Testpiloten und Flugdirektor Mark Stucky auf beschämende Weise gefeuert hatte (via Zoom!). Stucky hatte immer wieder intern hartnäckig auf die laxe Handhabung von technischen Problemen und auf Sicherheitsmängel bei Virgin hingewiesen, und immer wieder nachdrücklich mehr technisches Personal gefordert.
Nachtrag III
Am 2. September 2021 kündigte Virgin Galactic auf ihrer Homepage die Durchführung ihres ersten kommerziellen Einsatzes an. Dabei sollen drei italienische Luftwaffenangehörige Mikrogravitationsforschung betreiben. Der Flug war schon früher informell angekündigt worden, wurde hier aber insofern präzisiert, als die Namen der vollständigen Crew genannt wurden: Walter Villadel, Angelo Landolfi und Pantaleone Carlucci von der italienischen Luftwaffe, Beth Moses als Astronauten-Ausbilderin von Virgin Galactic und die beiden Piloten Mike Masucci und CJ Sturckow. Außerdem wurde noch das ungefähre Flugdatum verkündet: Ende September. Diese Ankündigung kam zu einem Zeitpunkt, an dem die Auswertung der FAA zum Vorfall vom 11. Juli noch lief. Die Untersuchungen der FAA wurden in der Ankündigung von Virgin Galactic mit keinem Wort erwähnt. In den sozialen Medien aber, hauptsächlich über Twitter, versuchte Virgin Galactic den Eindruck zu erwecken, dass diese Untersuchung eine reine Formsache sei, die so gut wie erledigt wäre. Die Antwort der FAA ließ nicht lange auf sich warten. Noch am selben Tag stellte die FAA klar, dass sie die Sache keineswegs als erledigt betrachte, Virgin Galactic derzeit keine Flugerlaubnis bekommen werde und deshalb die Ankündigung ins Leere laufe.
Letzter Nachtrag
Hier soll kein falscher Eindruck entstehen. Ich bin keineswegs gegen den Wettbewerb zwischen Virgin Galactic und Blue Origin. Und ich bin auch nicht dagegen, dass die beiden Firmenbosse selbst bei diesen Demonstrationsflügen mit an Bord waren. Ganz im Gegenteil. Es signalisiert den Beobachtern: „Seht her, unser System ist so zuverlässig, dass wir uns ihm selbst anvertrauen. Also könnt ihr es auch tun“. Beide Fluggeräte, so begrenzt sie in ihren Fähigkeiten auch sein mögen, sind wichtige Schritte hin zur „Sozialisierung“ der Raumfahrt. Nicht nur für „Touristen“, sondern auch für Wissenschaftler, die Mikrogravitationsforschung, Astrophysik, Astronomie und andere Fachgebiete betreiben, die man auf der Erde nun mal entweder gar nicht oder nur begrenzt wahrnehmen kann. Ein suborbitaler Flug mag kurz sein, aber er ist dafür auf absehbare Zeit um eine ganze Größenordnung billiger als ein Orbitalflug. Bei Blue Origin hat im Übrigen das Wissenschaft-Business schon begonnen. Schon in der Vergangenheit wurden bei Testflügen immer wieder einmal wissenschaftliche Nutzlasten mitgeführt. Am 27. August führte ein New Shepard eine Wissenschaftsmission mit 18 kommerziellen Nutzlasten und einer Versuchsanordnung der NASA für das Anflugverfahren bei Mondlandungen durch. Die Mission wurde unbemannt geflogen. Bei Virgin Galactic dagegen kommt es nach dem Flug für die italienische Luftwaffe – wenn er denn stattfindet – erst einmal zu einer sehr langen Flugpause. Acht Monate sind es diesmal. Solange dauert die vollständige Grundüberholung des WhiteKnight2-Trägerflugzeugs, das in den letzten Monaten immer umfangreichere Reparaturen erforderte.
Mit dem Starship nach Hawaii
Sollte das Prinzip des Starship funktionieren, dann wird das nichts weniger als eine Revolution der gesamten Raumfahrt bedeuten. Schon die schieren Dimensionen des Systems sind beeindruckend. Zusammen wird die Kombination aus Super Heavy und Starship beim Start etwa 5.500 Tonnen wiegen und etwa 120 Meter hoch sein. Sie wird damit die Saturn V aus den Tagen des Apollo-Mondprogramms als immer noch größte Trägerrakete der Welt weit hinter sich lassen. Und noch eines kann man jetzt schon prophezeien: Ein Start dieses Behemots wird akustisch dem Weltuntergang ziemlich nahekommen.
Diese Starts werden nach Beendigung der Testphase nicht nur von Boca Chica aus erfolgen, sondern im späteren Programm zunehmend von Startplattformen weit draußen im Golf von Mexiko und von der modifizierten Startanlage 39A am Kennedy Space Center. Für den Einsatz als Meeres-Start- und Landebasen modifiziert SpaceX derzeit zwei ehemalige Erdöl-Bohrplattformen. Sie sollen die Namen Phobos und Deimos erhalten. Genauso wie die beiden Monde des Mars. So ein Name soll ja auch ein bisschen Programm sein.
Doch noch ist es nicht ganz so weit. Wenn dieses Buch erscheint, sollte es nicht mehr lange dauern bis zum ersten Orbitalflugversuch des Starship von SpaceX. Diese Mission wird nicht von einer