SPACE 2022. Eugen Reichl
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Nun ist sie also da, die Stunde der Privatastronauten und – kosmonauten, von vielen etwas despektierlich als der „Orbitale Weltraumtourismus“ beschrieben. Doch das wäre ungerecht. Fast jeder dieser Flüge hat eine „Mission“, einen ethischen oder kommerziellen Hintergrund, nicht viel anders als mancher institutionelle Einsatz. Nur sind sie eben auf rein privatwirtschaftlicher Basis organisiert. Noch ist es alles andere als eine Massenbewegung, aber immer häufiger werden uns jetzt Namen von Besatzungsmitgliedern begegnen, von denen selbst ausgebuffte Raumfahrt-Nerds nie zuvor etwas gehört haben. Schauen wir uns an, was sich alleine für den nächsten Berichtszeitraum von SPACE, also zwischen September 2021 und August 2022 in der „Pipeline“ befindet.
Inspiration4
In den Tagen kurz nach dem Redaktionsschluss von SPACE 2022 bricht gerade die erste dieser Privatcrews unter der Leitung des 38-jährigen Milliardärs Jared Isaacman auf. Dieser Flug weist eine ganze Reihe interessanter Features auf. Zunächst einmal benötigt er nicht die ISS als Ziel, denn es handelt sich dabei um einen Solo-Flug. Das ist zum einen eine Einengung, zum anderen gibt es aber neue Freiheiten. So wird dieser Flug auf die ungewohnte Orbithöhe von 540 Kilometer führen. Das ist 100 Kilometer über der Bahn der ISS. Es ist auch der erste Orbitalflug seit 2009, dessen Primärziel nicht die ISS ist. Die Privatcrews setzen viel Geld ein. Da braucht es ein Programm und einen Programmnamen um das Ganze auch ideell zu unterstützen. Bei Jared Isaacman und seinen Mitstreitern heißt das Motto „Inspiration4“ und ist im Grund eine riesige Sponsoring-Aktion für die St. Jude-Kinderklinik in Memphis, Tennessee. Diese Klinik ist führend in der weltweiten Leukämie-Forschung bei Kindern. Behandlungen dort sind kostenlos, was bedeutet, dass die Klinik ausschließlich von Spenden und Stiftungen lebt. Die Inspiration4-Crew wird mit dem Dragon „Resilience“ fliegen. Dieselbe Raumkapsel, mit der bereits die Crew 1-Mission stattfand. Mit Michael Hopkins, Victor Glover, Soichi Noguchi und Shannon Walker, die damit für 139 Tage zur ISS flogen. Dieses Raumschiff wurde von SpaceX überholt, und mit einem ganz besonderen Feature ausgerüstet: Einer Art Cupola, ähnlich wie auf der ISS, nur „en miniature“. Eine Liste der Crew-Mitglieder finden Sie in der nebenstehenden Box. Isaacman verdient sein Geld unter anderem als Gründer und CEO des Zahlungsdienstleisters Shift4Payments. Er ist ein erfahrener Pilot mit Lizenzen für eine ganze Reihe von Militärjets. Sein Unternehmen Draken International besitzt die vielleicht größte Flotte an Kampfjets außerhalb einer regulären Luftwaffe (er besitzt unter anderem eine Mig 29). Hayley Arcenaux ist eine ehemalige Patientin des St. Judes Hospitals und arbeitet jetzt dort als medizinische Assistentin. Sie wird zum einen die jüngste Amerikanerin sein, die jemals in den Weltraum flog (sie ist 28) und zum anderen der erste Mensch, der mit einer Prothese in den Weltraum fliegt (sie trägt, wegen ihrer Knochenkrebs-Erkrankung als Kind, eine Knie- und Oberschenkelknochen-Prothese). Ihr Bruder und ihre Schwägerin sind übrigens beide Luft- und Raumfahrtingenieure. Die anderen beiden „Passagiere“ sind die Geowisschaftlerin Sian Proctor und der Luftfahrtingenieur Chris Sembrowski, die ihre beiden Plätze durch unterschiedliche Initiativen erhalten haben.
Roskosmos
Yasuku Maezawa übt in Moskau in der Zentrifuge.
Sojus MS-19
Geht alles nach Plan, dann soll am 5. Oktober 2021 die Mission von Sojus MS-19 zur ISS starten. Sie liegt eher in einer Grauzone zwischen institutioneller und privater Raumfahrt. Der Einsatz beruht auf einer Kooperation der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos mit dem Fernsehsender „Perwy Kanal“, bei der halbdokumentarische Filmaufnahmen auf der ISS gemacht werden, die später für verschiedene Zwecke verwendet werden sollen. Als Protagonistin wurde aus 3.000 Bewerberinnen Julia Peressild ausgewählt. Neben den künstlerischen Aspekten spielte dabei auch das Erfüllen medizinischer Voraussetzungen eine Rolle. Die Mission von Sojus MS-19 ist der erste Flug eines Sojus-Raumschiffs seit 21 Jahren, der ausschließlich mit Russen besetzt ist. Bei diesem wie bei allen zukünftigen kommerziellen Flügen zur ISS wird immer ein professioneller Kosmonaut oder Astronaut mitfliegen. In diesem Fall ist es Anton Schkaplerow, für den es die vierte Mission zur ISS ist. Regisseur und Kameramann Klim Schipenko soll an Bord für eine passende Einspielung der Szenen sorgen.
Sojus MS-20
Raumfahrtverrückte Milliardäre gibt es gar nicht wenige. Manche von ihnen, wie Jeff Bezos oder Elon Musk entwickeln und bauen Raumschiffe. Andere erfüllen sich mit ihrem Geld Jugendträume und fliegen selbst in den Weltraum. So wie der japanische Unternehmer und Kunstsammler Yusaku Maezawa. Er ist vor allem dafür bekannt, dass er bei SpaceX einen Mondflug mit dem Starship gebucht hat, und dafür bereits eine unbekannte Summe, aber sicher in der Größenordnung von einigen hundert Millionen Dollar, als Vorkasse verauslagt hat. Für diesen Betrag bekommt er eine sechstägige zirkumlunare Mission geboten, die ihn einmal um den Mond herum und wieder zur Erde zurückführt. Allerdings erst in einigen Jahren, möglicherweise 2024 oder 2025, denn die Entwicklung des Starship steckt noch in den Kinderschuhen. Damit ihm bis dahin nicht langweilig wird, hat er nun bei Roskosmos einen Flug gekauft. So kann man es wohl nennen, denn die Mission von Sojus MS-20, voraussichtlich am 8. Dezember dieses Jahres, ist komplett seine. In dieser Sojus wäre eigentlich noch ein zweiter Sitz für einen Gastkosmonauten frei gewesen, doch Maezawa hat diesen Platz gleich mit bezahlt, und ihn mit Yozo Hirano besetzt, einem japanischen Filmproduzenten, der die ganze Mission dokumentieren soll. Der Kommandant des Raumschiffes ist natürlich auch hier wieder ein Karriere-Kosmonaut. In diesem Fall Alexander Misurkin. Es geschieht bei diesem Einsatz zum ersten Mal, dass zwei Japaner gleichzeitig in den Orbit fliegen. Diese Mission erfüllt wohl noch am ehesten die Kriterien einer „Touristenmission“, denn Maezawa und Hirano haben keine andere (bis zur Drucklegung dieses Buches) bekannte Funktion an Bord, als sich gegenseitig zu filmen und die Erde zu betrachten. Die Flugdauer ist derzeit mit 12 Tagen veranschlagt. Für Kommandant Misurkin ist es der dritte Einsatz zur ISS.
Space X Axiom-1
Dies wird der erste einer ganzen Reihe von Flügen sein, die von Axiom Space organisiert werden. Dieses Unternehmen, muss man wissen, lässt auch eigene Raumstationsmodule bauen. Die erste dieser Einheiten wird aber nicht vor etwa 2025 einsatzbereit sein. Bis dahin wird Axiom Space auf den institutionellen Modulen der ISS zu Gast sein. Ein erster dieser Flüge erfolgt im Januar 2022 mit der in der Box vorgestellten Crew. Den professionellen Teil wird Michael Lopez-Allegria abdecken, der schon viermal im Weltraum war und dort unter anderem 202 Tage als Kommandant auf der ISS zugebracht hat.