Neulateinische Metrik. Группа авторов

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Neulateinische Metrik - Группа авторов NeoLatina

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begebe mich auf den Weg, den die ganze Welt nimmt. Und ich freue mich darauf, nach den Mühen, die ich in meinem Leben ausgehalten habe, glückselige Ruhe zu genießen. Aber du, mein liebster Sohn, verlassen vom Vater, klage nicht viel, quäle dich nicht mit traurigem Jammer: Gott ist dein Vater, er wird dir, wenn du ihn bittest, alles geben, was dieses Leben fordern wird. Ich lasse dir keine Reichtümer, keine Ländereien, keine Ochsen und keine Schafe zurück noch im goldenen Tajo geschöpftes Metall: Aber die Zierde des Lebens und eines guten Rufes, die du in Hülle und Fülle auf der ganzen Welt blühen und gedeihen siehst. Du aber handle so, dass du, wenn du meinen Spuren hinterhergefolgt bist, als guter Sohn eines guten Vaters giltst. Sei vor allem fromm; verehre das, was von deinem Vater überlebt. Achte die Vormunde, die er für dich eingesetzt hat, und eweise ihnen mit geschuldetem Gehorsam die Anerkennung, die sie sich sich durch ihre Mühen verdient haben. Und in der Liebe zur Weisheit, welche alleine dich mit aller Gnade glücklich machen wird, suche dir Lehrer. Lasse das Schlechte hinter dir, folge dem Guten; Prüfe den Lauf deines Fußes und alle Taten deines Lebens. So wird dir das göttliche Heil zuteilwerden; und so wird dir das, was an Gutem nicht mangelt, zu einer Notwendigkeit werden. Lass also, Sohn, lass Tränen und Seufzer sein! Sei nicht lange böse auf die von deinem lieben Vater gewünschte Ruhe: Nein, tu dies für mich und gib es mir als Letztes, damit mir in dir ein langes Leben zuteil wird durch den Glanz deiner Tugendhaftigkeit und deines rechten Lebens. Sie allein entreißen uns den Schatten des Todes! Lebe also wohl, o liebster Sohn, lebe wohl und bleibe lange gesund, lass die Anweisungen des Vaters nicht hinter dir!

      Hier liegt die dritte archilochische StropheArchilochiusArchilochium tertium vor, ein Distichon aus Archilochius maior,Archilochius d.i. vier Daktylen + drei Trochäen im ersten Vers, und katalektischem iambischem TrimeterIambusTrimeterkatalektisch im zweiten. Unter den prosodischen Auffälligkeiten ist zunächst auf dēfiēt (V. 26) hinzuweisen, dessen klassische Messung dēfīēt lauten müsste. Dass Cunrad irrtümlich von Vokalkürzung ausging, ist aufgrund der spärlichen Verwendung des Verbs in der lateinischen Dichtung der Antike aber nicht verwunderlich. In der Metrik ist die Auflösung des zweiten Versfußes in Vers 16 zu einem AnapästAnapaestus ungeläufig. In Horaz’ OdenሴiሴHorazOdenሴiሴ 1,4, das ebenfalls in der dritten archilochischen StropheArchilochiusArchilochium tertium verfasst ist, enthalten keine der Verse in katalektischem iambischem TrimeterIambusTrimeterkatalektisch eine derartige Auflösung. Cunrad hat dies vermutlich unbewusst von den Dramatikern übernommen. Da er sonst, abgesehen von seltenen SpondeenSpondeus, reine IambenIambus verwendet, wird er diesen AnapästAnapaestus schon als ungewöhnlich wahrgenommen, aber um des Polyptotons willen eine Ausnahme gemacht haben.

      Der Archilochius maior Archilochiushat eine reguläre männliche Zäsur ArchilochiusZäsurim dritten DaktylusDactylus sowie eine Diärese nach dem vierten Daktylus. Die regulären Zäsuren des iambischen Trimeters sind die PenthemimeresIambusTrimeterZäsuren und Diäresen im dritten Fuß sowie die HephthemimeresIambusTrimeterZäsuren und Diäresen im vierten Fuß. Eine Auswertung führt zu folgenden Ergebnissen:

katal. ia3 # % (/17) Archilochius maior # % (/17)
3w 16 94% 3m 3 76%
4w 6 35% 4/5 8 47%
3w + 4w 5 29% 3m + 4/5 6 35%

      Tabelle 4:

      Zäsuren und Diäresen in der 3. archilochischen Strophe

      In Horaz Oden 1,4HorazOden findet sich in jedem ArchilochiusArchilochius sowohl Diärese ArchilochiusDiäreseals auch Zäsur, im iambischenIambus Vers findet sich in allen Versen die Penthemimeres sowie in zwei Versen, d.i. 20%, HephthemimeresIambusTrimeterZäsuren und DiäresenIambusTrimeterZäsuren und Diäresen. HorazHoraz diente Cunrad offenbar weniger als Vorbild als vielmehr als Anreger und Inspiration. Dass dieses im Lateinischen seltene Metrum jedoch durch das Mittelalter und bis in die Frühe Neuzeit bekannt war, ist auch dem „bedeutendste[n], kunstvollste[n], universalste[n] frühchristliche[n] Dichter“Prudentius20 zu verdanken, Prudentius, der zu den wichtigsten Schulautoren im Mittelalter gehörte und für einen theologischen Gelehrten wie Cunrad noch genauso viel bedeuten musste. Der zwölfte Hymnus seines Peristephanon, PrudentiusPeristephanond. i. die Passio Apostolorum [sc. Petri et Pauli] besitzt genau dieses Metrum.Horaz21 Die Zahlen zu den Zäsuren lauten wie folgt: 3m (97%), 4/5 (82%), 3w (100%), 4w (10%). Das lateinische Mittelalter verwendet das Metrum kaum. Norberg führt als prominentes Beispiel das Sanctum simpliciter patrem Fulberts von Chartres auf,22 das folgende Einschnitte enthält: 3m+4/5 (100%), 3w (100%), 4w (33,3%). Diese Zahlen entsprechen ziemlich gut denen des Horaz. Dass ein Bischof im ausgehenden Frühmittelalter sich mehr an HorazHoraz hält als an PrudentiusPrudentius, unterstreicht mindestens, dass Cunrads freierer Umgang mit den Einschnitten ungewöhnlich ist, vielleicht sogar neu. Wieder ist hier allerdings die nachantike lateinische Literatur zu wenig aufgearbeitet, um eine fundierte Einschätzung vornehmen zu können.

      Abschließend sei noch auch auf die ElisionElisionen in Cunrads Gedicht hingewiesen, 21 an der Zahl, was 62% entspricht. Dieses Verhältnis steht in einem krassen Widerspruch zu HorazHoraz, da niemand anders als er „mehr danach strebte, die Elision zu vermeiden, und [niemand anders] dies mit grösserem Erfolg that“.Elision23 Will man den Synalöphen bei Cunrad einen inhaltlichen Sinn geben und sie nicht bloß auf Nachlässigkeit zurückführen, könnte man an die lautmalerische Abbildung eines schluchzenden Silbenverschluckens denken.

      Als letztes Gedicht soll hinsichtlich seiner Form Ad mortem in diese Untersuchungen einbezogen werden, wobei hier nur die ersten vier von insgesamt 16 Versen zitiere:

      Mors fera dic, per iras

      Te tuas oro, Monavum cur properas necando

      Perdere? cur perennem

      Invides vitam cupido nominis atque famae?

      Grausamer Tod, sag, ich bitte dich bei deiner Wut, warum beeilst du dich, Monau umzubringen? Warum neidest du ihm, der nach Namen und Ansehen strebte, ewiges Leben?

      Das Gedicht ist metrisch nicht nur an der zweiten (oder „größeren“) sapphischen StropheSapphicus, bei der zweimal auf einen AristophaneusAristophaneus ein Sapphicus maior folgt, von Horaz, Oden 1,8HorazOden orientiert, sondern ist – abgesehen von den syllabae ancipites am Versende – dazu metrisch kongruent. Die beiden Gedichte haben nicht nur je Vers dieselben Längen und Kürzen, vielmehr auch dieselben Zäsuren und Diäresen, nämlich eine Zäsur in der zweiten sowie eine Diärese in der vierten Hebung. Auf den ersten Blick ist an eine klassische Horaz-ParodieHorazparodia zu denken, ein damals populäres Genre, das Cunrad auch selbst gepflegt hat.Rindtfleisch (Bucretius), DanielMonau, Jacob24 Und in der Tat haben die beiden Gedichte inhaltlich mehr als nur Berührungspunkte: Oden 1,8 handelt von einem Jüngling, der von Liebe zu einer gewissen Lydia besessen, seine Männlichkeit aufgibt und völlig verweichlicht. Das lyrische Ich stellt dann an Lydia die Frage, woher dieses Verhalten rührt. In Cunrads Gedicht ist der Tod der Adressat, der erklären soll, warum er Jacob Monau der Welt entrissen hat.

      Trotzdem kann man nicht umhin, einen weiteren potenziellen Grund für diese metrische Nähe auszumachen. Da Cunrad dieses seltene Metrum

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