Neulateinische Metrik. Группа авторов

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Neulateinische Metrik - Группа авторов NeoLatina

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Hochzeitsfackeln, für Troja schaudervoll, die die geflohene Ehefrau [Helena] unter unheilvollen Vorzeichen trug, [und sie, d.h. Iphigenie], deren königliches Blut die griechischen Schiffe, die der Ehe folgten, befreite. Vermochte das argivische Heer die unerbittlichen Götter mit dem Blut einer Jungfrau zu besänftigen? Genügte für tausend Schiffe ein (einziges) Haupt?

      Aber damit wird deutlich, dass er überhaupt eine senecanische Tragödie schreiben wollte: Er behandelt einen antiken Mythos, den Tod des Achilleus durch die List des Paris, worin er der bei Hyginus, myth. 110, und Dares, dem spätantiken Verfasser des Troja-Romans De excidio Troianorum, überlieferten hellenistischen Variante folgte, und verlässt an keiner Stelle den Stoff, die Gedankenwelt und Dramaturgie seines antiken Vorbildes. Nur die Orthographie, v.a. die der Eigennamen, ist noch ganz mittelalterlich.30

      In ähnlich nahem Anschluss an SenecaSeneca verfasste dreieinhalb Jahrzehnte später, im Jahr 1426 oder 1429, Gregorius Corrarus (Gregorio Correr) seine Progne-Tragödie, ein Schauerdrama nach Ovids Metamorphosen.31

      Diese vollständige Seneca-ImitationSenecaImitation erwies sich jedoch als eine literarische Sackgasse. Jeder der folgenden neulateinischen Tragödiendichter versuchte sich in neuen Inhalten und Formen. Die einzigen Konstanten blieben der iambische TrimeterIambusTrimeter mit den schon erwähnten Lizenzen, die Fünfaktstruktur und die eingeschobenen ChorliederChor in den erprobten lyrischen Maßen, die wie schon im Mittelalter fast fehlerlos beherrscht wurden.

      Im 16. Jahrhundert schwoll die Zahl der lateinischen Dramen immer mehr an. Sixt BirckBirck, Sixt (1500–1554), Gymnasialdirektor in Augsburg, übersetzte seine für den Unterricht gedachten Bibeldramen nachträglich aus dem Deutschen ins Lateinische. Die belehrende Absicht wird schon im erweiterten Titel seiner IudithBirck, SixtDrama comicotragicum Iudith ausgesprochen. In der Metrik folgte er, ob aus mangelnder Fähigkeit oder wegen der schulischen Verwendbarkeit, geradezu ängstlich nur der einen Hauptregel des iambischen TrimetersIambusTrimeter, die er fehlerlos und ohne die bisherigen Lizenzen anwandte. Er beschränkte sich jedoch mit nur wenigen Ausnahmen auf reine IambenIambus bzw. SpondeenSpondeus und ließ nur sehr selten die Teilung von LongaLongum, geteiltes“ und BreviaBreve, geteiltes“, niemals ElisionenElision zu. Zum Eindruck der Gleichförmigkeit der Verse trägt der fast durchgehende Zeilenstil bei. Prosodische Fehler wie in V. 10 vulneribus sind außerordentlich rar. Vgl. den PrologBirck, SixtDrama comicotragicum Iudith:

Plerisque controversia est mortalibus,
nec dum ratum, vel expeditum mentibus,
num fas sit arma Christiano sumere.
Mundus furit, nec ullum fit piaculum,
in quoslibet ferrum impium constringere. 5
Frater fratris mucrone, vah, confoditur.
Erecta signa utrinque picta convolant
Cruce, auspicem et Christum miles exercitu
Utroque sperat partibus suis fore,
Saevis cadunt cives suis vulneribus32. 10

      Für die meisten Menschen gibt es eine Streitfrage, und es ist noch nicht entschieden oder zu Ende gedacht, ob es Christen erlaubt ist, die Waffen zu ergreifen. Die Welt ist der Raserei verfallen, und es gilt nicht als Sünde, gegen jedermann sein ruchloses Schwert zu zücken. Der Bruder wird, ach, vom Dolch des Bruders durchbohrt. Von beiden Seiten stürmen die Fahnen mit aufgemaltem Kreuz heran, und in beiden Heeren hofft der Soldat, dass Christus seiner Partei den Segen gibt. Bürger fallen von eigenen grausamen Wunden.

      Das erreichte Niveau war jedoch mangels geeigneter Metrikhandbücher und der sehr beschränkten Möglichkeit, sich Handschriften der Vorgänger zu beschaffen, nicht selbstverständlich. Der am Anfang dieses Beitrags erwähnte TelesioTelesio, AntonioImber aureus hat sich 1529 in seinem Imber Aureus, der Tragödie der Danae, die von ihrem grausamen Vater Acrisius in einem eisernen Turm gefangen und von Juppiters goldenem Regen gerettet wird, offenbar weniger als LoschiLoschi, Antonio und CorrerCorrer (Corrarius), Gregorio von der NachahmungImitation SenecasSeneca leiten lassen. Seine iambischen TrimeterIambusTrimeter – die er in den Marginalnotizen gelegentlich auch IambusSenarSenare nennt, wovon sich noch der Herausgeber Jan-Wilhelm Beck 2000 hat irreführen lassen – sind zwar an vielen Stellen ungefüge. Außer den schon erwähnten zahlreichen über die Wortenden geteilten LongaLongum, geteiltes“ und BreviaBreve, geteiltes“ fallen zäsurlose VerseZäsurTelesio, AntonioImber aureus33 und positionsbildende muta cum liquida über die Wortgrenze auf, die sonst vermieden werden, z.B. 70 funeré tristem, 71 velleré sparsas, 72 tunderé plangoribus. Falsche Prosodien sind immerhin sehr selten.

      Im Sprachstil ist TelesioTelesio, AntonioImber aureus weit von SenecaSeneca entfernt, ist aber andererseits erfolgreich in dem Versuch, dem antiken, bisher nicht dramatisch behandelten Mythenstoff eine ungewöhnliche Form zu geben. Er hat zwar die Standardrollen wie den Boten und die Amme und den Wechsel zwischen Monologen und Dialogen beibehalten und in den Chören wenig metrische Variation gesucht: Es sind PherekrateenPherecrateus, iambischeIambus Mono- und DimeterIambusDimeter und trochäische DimeterTrochaeusDimeter. Der Chor nimmt, wie Horaz (Ars poetica 193HorazArs poetica) empfohlen hatte, an der Handlung teil: Er ruft am Ende des 1. Aktes Juno zu Hilfe für Danae, im 2. Akt nimmt er am Dialog teil, im 3. Akt führt er ansatzweise einen Dialog mit den Zyklopen, die ihren Lohn für die schnelle Erbauung des eisernen Turmes verlangen, in dem Danae bereits eingekerkert ist.34

      Aber vor allem hat TelesioTelesio, AntonioImber aureus zugunsten wirksamer Szenen die Einheit von Ort und Zeit und im langen 3. Akt die Gattungsidentität aufgelöst. Dieser vielteilige 3. Akt entwickelt sich zu einem kleinen Drama in sich: Am Anfang staunt Acrisius über die Schnelligkeit, mit der sein Wunsch nach einem unbezwinglichen Kerker für seine Tochter erfüllt wurde, dankt überschwänglich Vulkan und lädt die Zyklopen ein, sich ihren Lohn für die harte Bauarbeit abzuholen. Aber dann beginnt eine burleske Szene, wie sie der antiken und bisherigen neulateinischen Tragödie fremd war: Das Festgelage der Zyklopen geht in ein wüstes Bacchanal über, das mit dem Tod des Polyphemus und seiner Verhöhnung in einem anapästischenAnapaestus Amoibaion endigt. Als der vor Entsetzen geflohene Acrisius zurückkehrt, erkennt er zusammen mit dem Chor, dass er durch seinen Wunsch aus dem Glück ins Unglück gestürzt ist. Das Ende dieses Aktes bilden der Monolog des verzweifelten Acrisius und ein ChorliedChor über die Macht der Fortuna in katalektischen trochäischen DimeternTrochaeusDimeterkatalektisch. Diese Struktur ist ohne Vorbild in der senecanischen TragödieSeneca, aber auch in der antiken Komödie.

      Das Versmaß wechselt mehrere Male, aber immer entsprechend der Handlung oder der Stimmung. In einer Randbemerkung weist der Verfasser selbst darauf hin, dass der HinkiambusIambusCholiambus passend ist für das Dankgebet an den hinkenden Gott Vulcanus. Aber gleichzeitig ist dieses Metrum das der Spottgedichte, weil hier die Dankbarkeit des Acrisius im Widerspruch zu dem Erfolg seines Wunsches steht.

      Den Weg zur Gattungskreuzung ist der Elsässer Johannes SapidusSapidus, JohannesAnabion (Witz) in seinem mit 1915 Versen überlangen Lazarus-Drama Anabion von 1540 weitergegangen.Sapidus, Johannes35 Die Episode von der Krankheit und Auferweckung des Lazarus, die schon im Johannes-Evangelium (Joh. 11) personenreich ist, hat Sapidus selbst nicht ganz zutreffend als Komödie oder Tragikomödie bezeichnet.36 Denn die Handlung ist außerdem mit Elementen des Passionsspiels angereichert. Aus der Komödie stammen besonders die Intrigenhandlung, das Sklavenpersonal, die Schimpfdialoge und die Drastik in Handlung und Sprache. Die komischen Elemente mit ihrer Verspottung des Teufels vertragen sich jedoch mit der mittelalterlichen fabula sacra, der man dieses Stück zurechnen kann.

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