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ein „wahres Mithervorbringen“5 aus dem „Zentrum und Ursprung der Dinge selbst heraus“6. Die Klammer, welche die Welt als drängenden Willen einerseits und ordnenden Geist andererseits zusammenhält, verbürge, dass auch der Mensch als Leben und Geist in sich fassendes Wesen sich auf den Urgrund dieser Dynamik zurückbeugen könne, Einsicht in dessen Entwicklung genieße und es ihm ermöglicht werde, tatkräftig daran mitzuwirken. Die Figur des Künstlers ist demnach eine der sozialen Typen – wie auch der Philosoph etc. –, welche neben Gott diese Einsicht in Werke umzusetzen wisse. Der Mensch als Künstler besitze weit über das übliche Erkenntnisniveau der Menschen allgemein hinaus quasi göttliche Einsicht in den Weltengrund und teile diese durch sein Werk der Menschheit mit.

      An der Figur des Künstlers bestätigt Scheler in ausgezeichneter Weise seine Ausgangsthese, dass die Wesensbestimmung des Menschen als ein Sonderfall in der Welt des Lebendigen zu Recht bestehe. Denn als homo faber wisse der Künstler zweckgerichtetes Handeln umzusetzen, ein Werk zu erschaffen, und als anthropos aesthetikos metaphysikos besitze er echte Einsicht in die Wesenszusammenhänge. Das berühmte Kantische Diktum des Künstlers als Genie7, dessen ingenium der Kunst ihre Gesetze vorzuschreiben wisse, erfährt hier eine der möglichen Auslegungen, denn der Schelersche Künstler lässt die Gesetze der Welt aus einer Einsicht in die Wesenszusammenhänge heraus in sein nach ästhetischen Kriterien erschaffenes Werk einfließen, welches als idealische Einheit zwar selbst keine Welt schafft, sondern nur bildet, „was nicht da ist, was aber «würdig» wäre, «verdiente», da zu sein nach gewissen ästhetischen Wertideen.“8.

      Beide, der Künstler und der Metaphysiker bedienen sich zur Erlangung ihrer Einsichten bzw. Ideen – was Scheler für den Künstler „conceptio“9 nennt – der Methode der „Daseinsreduktion […] d.h. durch bewusste Zurückhaltung alles «Begehrens», im Verhältnis zu welchem Welt nur als «real» gegeben ist.“10

      Das Ziel des Metaphysikers sei die Erkenntnis des Ganzen, das des Künstlers das Werk, welches er als „ein kleiner Gott – schafft […] eine Welt – aber im Kleinen […] in der Zeichensprache der Qualitäten der verschiedenen Sinne und nach den Gesetzen dieser Zeichensprache für jede Kunst eine eigene.“11

      Allerdings leiten den Künstler dabei seine „ästhetischen Wertideen“12. Der Künstler begibt sich also „an eine Werdestelle der Welt“13, wo er dem Grunde der Dinge ansichtig werden konnte, noch bevor „sie das «fiat», der rational undurchdringliche Wille noch nicht so oder anders ins Dasein setzte, da sie nur ihrem Wesen und ihren Ideen nach vor seinem Geiste gleichsam ausgebreitet lag.“14

      Seine Kunst besteht darin, das Erschaute in der geistigen Objektivierung des Geschauten zur Darstellung zu bringen, sei es als Maler, als Bildhauer oder Dichter etc. Den Prozess der Objektivierung beschreibt Scheler als:

      […] er steigt vom Keime eines gegebenen Urphänomens herab und exemplifiziert das Urphänomen an dieser konkreten Gestalt, die er als ideales Bild frei erschafft.15

      Allerdings erlange der Künstler selbst erst die wirklich volle Einsicht in das ihm in seiner conceptio ursprünglich nur „keimhaft“16 Gegebene allein im Prozess und „kraft des Darstellungsprozesses selbst“17, durch die Arbeit nämlich an der Materie, dem Malen, Bilden oder der „Wortfindung“18. Im Prozess der „darstellenden Exemplifizierung“19 gewinnt der Künstler die Gestalten, welche am Ende das Werk ausmachen werden. Nicht also lässt der Künstler im Werk schlicht Wesenheiten anschaulich werden, sondern „nur die ästhetisch-werthaltigen“20, die ausgewählt werden durch die Führung der „ästhetischen-geistigen Augen unseres Herzens“21. Die Beteiligung unseres Herzens an der Auswahl des ästhetisch Wertvollen deutet schon darauf hin, dass es sich hier nicht um eine Aufgabe des reinen Geistes oder der Vernunft handelt. Weit davon entfernt, denn schon in der elementaren Anlage des Menschen – der Physiologie seiner Nervenwege – für die natürliche Wahrnehmung spielt die Selektion eine Rolle:

      Unser inneres Gesetz ästhetisch-triebhafter Aufmerksamkeit «wählt» gleichsam (ohne und vor bewusster Wahl) aus den Empfindungsmöglichkeiten diejenigen zur Realisierung der aktuellen Empfindung aus, die Teilelemente «guter» d.h. prägnanter Gestalten sind.22

      Soweit die physiologische Grundlage der ästhetischen Intervention in das Leben der Lebewesen allgemein. Diese bildet jedoch nur den Hintergrund jedes künstlerischen Umganges mit den Materialien, auch den imaginären, welche die Physis dem Menschen bereitstellt. Der Künstler nimmt – im Sinne Schelers Menschbild – gegenüber diesen eine asketische Haltung als Neinsager zur Triebhaftigkeit ein, um erst aus dieser Distanz heraus, sich ihnen wieder zuzuwenden. Dennoch behauptet Scheler in der Kosmosschrift:

      Was im Menschen im eigentlichen Sinne schöpferisch mächtig ist, ist nicht das, was wir «Geist» (und die höheren Bewußtseinsformen) nennen, sondern die dunklen unterbewussten Triebmächte der Seele, und dass die menschliche Schicksalsbildung des Einzelwesens und der Gruppe vor allem von der Kontinuität dieser Vorgänge und ihrer symbolischen Bildkorrelate abhängt – wie auch der dunkle Mythos nicht sowohl ein Produkt der Geschichte ist, als vielmehr er den Gang der Geschichte weitgehend bestimmt.23

      Scheler lässt hier die an der Kreativität beteiligten Kräfte im Menschen zwischen der Triebaskese des Geistes und dem ekstatischen Wesen des Drangs hin und her gehen und markiert so den Moment, an dem beide Extreme biologisch wie metaphysisch im Menschen vereinigt als „aufeinander hingeordnet“24 betrachtet werden können. Er steht damit in der Nachfolge Nietzsches aus der Geburt der Tragödie, mit dem Unterschied, dass die Kräfte des Apollo und des Dionysios sich nicht im Konflikt begegnen, sondern sich in der teleoklinen Entwicklung der Welt ergänzen. Beide sind es auch, welche dem Menschen strukturellen wie tätigen Anteil an dieser Entwicklung gewähren. Allerdings wird dem Geist abgesprochen Macht zu besitzen. Diese kommt allein den unterbewussten Triebmächten der Seele zu, doch kann der Geist ordnend und lenkend auf diese einwirken, wie wir aus der Dialektik erkennen können, welche Scheler dem Mythos sowohl als Produkt wie als Agens der Geschichte einräumt.

      In der dialektischen Bewegung beider Prinzipien, dem des Geistes und des Dranges, wird der Kunst als darstellender Erkenntnis und Vermittlung von Scheler auch Geschichtsmächtigkeit zugesprochen. Die Leistung des Geistes nach Scheler besteht darin, dass dieser der „ursprünglichen produktiven Einbildungskraft […] durch das Triebleben der Vitalseele“25 angetrieben in kritischer Korrektur und Auslese immer mehr an Reife abgewinnt und dem Menschen so die Möglichkeit eröffnet, der Welt ganz allgemein als Erkennender zu begegnen, ihm andererseits aber auch – indem die noetischen Akte des Geistes in den Dienst der Kunst gestellt werden –, das poietische Schaffen im Dienste künstlerischer Erkenntnis ermöglicht. Der seelische Schauplatz dieser Vorgänge ist das Reich der Phantasie.

      Die Phantasie

      Phantasie definiert Scheler als eine ursprünglich produktive Einbildungskraft1 und „höchste vorstellende Funktion, zu der es die Vitalseele bringt“2, von Trieben angestoßen, vom Geist geleitet. Sie ist ihm als pure Phantasie „eine ideen-wert-wahrheit-falschheit-wissens-täuschungs-blinde Fähigkeit der Vitalseele“3. Schon die natürliche Wahrnehmung besteht für Scheler aus der Dreiheit „Empfindung + Gedächtnis + Phantasie“4. Durch kritische Intervention des Geistes werde die lebendige Phantasie gezügelt und der Mensch lerne nach und nach unter der von ihr bereit gestellten Bilderflut (auch Gefühlsphantasie, Strebensphantasie5) diejenigen auszuwählen, welche ihn zur Beobachtung, die erst das Resultat eines langen Reifungsprozesses sei, führten. Wir treffen hier wieder auf die These der Dissoziation als des eigentlich für die Menschwerdung entscheidenden evolutionären Vorganges. Das evolutionäre Sonderprodukt Mensch weiß grundsätzlich – im Unterschied zum sich immer ekstatisch verhaltenden Tier –, zwischen Schein und Sein zu unterscheiden. Die „seltsame Fähigkeit“6 des Menschen Gegenstände zu erschaffen, die

      «ficta»

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